Rom Vor 50 Jahren Friedensappell gegen Kalten Krieg

Rom · Die Enzyklika "Pacem in terris" von Papst Johannes XXIII. ist eines der wegweisenden lehramtlichen Rundschreiben des 20. Jahrhunderts.

Diese Enzyklika war dem nahen Tode abgerungen. Und vielleicht hatte sie bei dem von seiner schweren Krebserkrankung gezeichneten Papst Johannes XXIII. die letzten noch verbliebenen Kräfte mobilisiert. Sie sollten reichen: Am 11. April 1963 — vor 50 Jahren also — erschien "Pacem in terris", Friede auf Erden. Nur knapp zwei Monate nach der Veröffentlichung starb der Roncalli-Papst in seinem 82. Lebensjahr. Erst fünf Jahre zuvor hatte er sein Pontifikat angetreten.

Aber berühmt ist die Friedensenzyklika nicht so sehr wegen der lebensdramatischen Umstände, unter denen sie entstand. "Pacem in terris" ist eines der großen und wegweisenden lehramtlichen Rundschreiben des 20. Jahrhunderts. Dass ihr dennoch nicht allzu viel Bekanntheit zukommt, hat einen anderen, kaum weniger bedeutsamen kirchenhistorischen Grund: Denn kurz zuvor hatte Johannes die Bischöfe der Welt nach Rom bestellt — zum Zweiten Vatikanischen Konzil, einem Ereignis, das die römisch-katholische Kirche durchgeschüttelt hat und bis heute als Vision einer der Gegenwart zugewandten Kirche wirkt. "Pacem in terris" ist davon vielleicht etwas in den Hintergrund gedrängt worden, dabei ist diese wegweisende Schrift untrennbar mit dem Konzilsgeist liiert. Vieles wird darin von Grund auf neu gedacht, und es beginnt schon mit der Anrede. Erstmals richtet sich eine Enzyklika nicht nur an Bischöfe, Priester und an die Katholiken weltweit; nein, diesmal werden alle Menschen "guten Willens" angesprochen. Jeder ist also gemeint, jeder muss sogar gemeint sein, soll der im Johannes-Evangelium postulierte Friede auf Erden ehrlich, und das heißt weltumfassend, gemeint sein. Das klingt in unseren Ohren heute sehr selbstverständlich. Damals war es eine Sensation, zumal diese Ansprache theologisch Konsequenzen hatte. Denn wer alle anspricht, muss in allen auch einen Ansprechpartner, möglichst gar auf Augenhöhe sehen. Bis dahin allerdings gab es gegenüber den Anhängern anderer Religionen bestenfalls eine Duldungsstrategie. Und diese musste nun erst gesprengt und geöffnet werden.

So spricht die Enzyklika allen Menschen die gleiche natürliche Würde zu, die gleichen Rechte und gleichen Pflichten. Die Enzyklika stellt sich damit auch hinter die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 und bekennt sich zur Demokratie — auch dies eine nachhaltige Neubestimmung alter Positionen. Dazu gehört aber auch das Recht, die Wahrheit frei zu suchen, demnach ungehindert die eigene Religion auszuüben. Zwischen den Zeilen steht somit, dass der Geist und die Wahrheit Gottes auch jenseits der katholischen Kirche wehen und nicht alleine auf diese beschränkt ist. Keine Frage: Das ist ein großer Schritt auf dem Weg zur Religionsfreiheit und eine wichtige Voraussetzung für einen Dialog mit anderen Religionen.

Aktueller ist eine Enzyklika bisher nicht gewesen. Zwei Jahre zuvor war in Berlin die Mauer gebaut und die unversöhnliche Trennung zwischen Ost und West offensichtlich geworden. Und im September 1962 stand die Welt in Folge der Kuba-Krise vor der Gefahr eines erneuten Weltkrieges. Mitten im Kalten Krieg kommt dann die Friedensenzyklika, die auch angesichts des monströsen Zerstörungspotenzials moderner Waffen die uralte Lehre vom sogenannten gerechten Krieg aufgibt. Was für eine tiefe, radikal friedensgläubige Erkenntnis. Sowjet-Machthaber Nikita Chruschtschow sah sich zumindest herausgefordert, Stellung zu beziehen und fand lobende Worte für die päpstlichen Worte. Und beim Ausbruch des Irak-Krieges zitierte Papst Johannes Paul II. aus "Pacem in terris".

Die Enzyklika atmet schon den Geist und den Mut vieler Entschlüsse, die später auf dem Konzil getroffen werden. Wie wahrhaftig und visionär sie tatsächlich war und ist, zeigt sich an ihrer Relevanz bis in unsere Gegenwart. Denn ein Frieden auf Erden kann nach Johannes XXIII. nur gestiftet und nachhaltig werden, wenn die Armut weltweit bekämpft wird. Dieses Problem aber könne von keinem Staat der Welt — und sei er noch so mächtig — alleine gelöst werden.

Noch war das Wort der Globalisierung für unseren täglichen Sprachgebrauch nicht bereitgestellt; dafür spricht die Enzyklika schon 1963 das Problem eines globalisierten Handels und die Notwendigkeit einer globalisierten Hilfe an. Dazu sollten einzelstaatliche Kompetenzen an supranationale Organisationen abgetreten werden.

Noch war das Zweite Vatikanische Konzil längst nicht zu Ende, da wies die große Friedensenzyklika der katholischen Kirche und auch der Welt den Weg in die Zukunft. "Pacem in terris" ist auch darum vielmehr als nur das persönliche Vermächtnis eines visionären Papstes.

(RP)
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