Köln Trotz Stromausfalls hat "Philae" auf dem Kometen viel geschafft

Köln · Das Protokoll klingt nach einem Misserfolg: Zehn Jahre war die Raumsonde Rosetta zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko unterwegs. Am Mittwoch setzte sie das Landegerät Philae auf dem nur vier Kilometer großen Brocken aus Eis, Staub und Dreck ab. 57 Stunden arbeitete das Miniatur-Labor auf dem Kometen, dann war die Batterie am Ende. Die europäische Raumfahrtagentur ESA versetzte Philae in eine Art Schlafmodus und wartet, ob die Solarmodule genug Sonnenlicht bekommen, damit die Batterie wieder aufgeladen wird. Aber die ESA kann nur spekulieren, ob sich das Labor jemals zurückmelden wird. Doch wenn man auf die Details schaut, entpuppt sich das Zusammenspiel zwischen ESA und ihren beiden Weltraumreisenden Rosetta und Philae in 500 Kilometer Entfernung von der Erde als eine kleine wissenschaftliche Sensation.

Erstmals erhält die Wissenschaft Informationen über den Aufbau eines Kometen aus nächster Nähe. Philae hat trotz aller Probleme einen erstaunlich großen Teil der geplanten Aufgaben erledigt. Alle zehn Instrumente lieferten rechtzeitig ihre Daten zur Erde. Die verschiedenen Forscherteams, die die Messgeräte des Labors betreuen, werden mehrere Jahre mit den Ergebnissen beschäftigt sein, die in den 57 Stunden auf der Oberfläche des Kometen gesammelt wurden.

Das Labor, das am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln entwickelt wurde, hat eine holprige Landung gemeistert. Sie verlief ganz anders, als die Ingenieure geplant hatten. Denn Philae prallte nach dem Aufsetzen auf der Oberfläche des Kometen, der nur eine geringe Schwerkraft aufweist, wieder ab. Die Raumsonde Rosetta fotografierte aus ihrer Umlaufbahn die Spuren des Hüpfers, der zwei Stunden dauerte und Philae mehr als einen Kilometer vom geplanten Landeplatz entfernt wieder aufsetzen ließ. Das Foto zeigt eine Art Staubwolke, die Philae beim Aufprall aufwirbelte. Weder die Harpunen noch die automatischen Schrauben in den drei Füßen des Landegeräts konnten das Labor am Boden befestigen.

Auch beim zweiten Kontakt mit der Oberfläche des Kometen wurde Philae wieder zurückgeworfen. Diesmal vergingen acht Minuten, bis das Labor erneut landete: nicht wie stehend auf drei Beinen, sondern vermutlich auf der Seite liegend. Die Fotos, die Philae wie geplant zur Erde sendete, legen diese Vermutung nahe. Bisher haben die ESA-Forscher den genauen Ort, an dem das Labor zur Ruhe gekommen ist, noch nicht gefunden. Der Landeplatz hätte schlechter kaum sein können. Philae liegt im Schatten und bekommt nur anderthalb Stunden Sonnenlicht am Tag. An der ursprünglichen Stelle hätten täglich rund 14 Stunden Sonnenlicht zum Laden der Batterie zur Verfügung gestanden. Im eiskalten Weltraum ist das wichtig. Die Batterie muss erst erwärmt werden, damit der Ladeprozess funktioniert. 90 Minuten sind dann schnell vorüber. Die Ingenieure hoffen nun, dass sich die Energiebilanz verbessert, wenn der Komet sich im August 2015 der Sonne nähert. Bevor sie Philae in den Standby-Modus versetzten, schickte das Kontrollzentrum noch einen Befehl ins Weltall, der eine 35-Grad-Drehung des Labors bewirken soll. Dadurch sollen die Solarzellen besser zur Sonne ausgerichtet sein.

Trotz der Turbulenzen spulte Philae das geplante Programm fast vollständig ab. Die ESA-Forscher hatten vorgesorgt und einen Teil der Befehle für ihr Labor bereits vor der Abkopplung von Rosetta überspielt. Erstaunlicherweise überstanden alle Messinstrumente die beiden Hüpfer auf dem Kometen. Philae lieferte Fotos von "Tschuri", bestimmte das Magnetfeld und ermittelte seine Temperatur. Das Labor sendete Schallwellen durch den Eisklumpen, die Informationen über dessen Aufbau liefern sollen. Mehrere Sensoren untersuchten die Gase, die als Staubfontänen vom Kometen abgegeben werden, während er sich der Sonne nähert. Der Versuch, einen 30 Zentimeter langen Temperatursensor in den Kometen zu hämmern, scheiterte allerdings. Der Boden erwies sich als zu hart. Kometen sind für die Wissenschaft besonders interessant, weil sie vermutlich unveränderte Überbleibsel aus der Zeit der Entstehung des Universums sind.

(RP)
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