82 Kilogramm pro Kopf und Jahr wandern in die Tonne Tonnenweise Lebensmittel zum Müll

Berlin · Pro Kopf und Jahr werfen die Deutschen 82 Kilogramm an Lebensmitteln weg. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) findet das "unerträglich" und will dafür werben, dass Nahrung auch nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums noch verzehrt wird.

In Deutschland landen jährlich elf Millionen Tonnen an Nahrungsmitteln auf dem Müll. Jeder Bürger kippt jährlich 82 Kilogramm Lebensmittel weg. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Stuttgart im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz. Ministerin Ilse Aigner nannte die Mengen an Lebensmittelabfällen "unerträglich". Mit einer Kampagne "Zu schade für die Tonne" will die CSU-Politikerin die Bürger dazu bewegen, Lebensmittel mehr wertzuschätzen.

Die größten Verschwender sind die privaten Haushalte, von denen 61 Prozent der Lebensmittelabfälle stammen, insgesamt rund 6,7 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Wegwerf-Mentalität belastet auch den Gelbeutel: Eine vierköpfige Familie schmeißt im Durchschnitt pro Jahr Lebensmittel im Wert von 940 Euro weg. Allerdings werfen die Bürger Nahrungsmittel nicht sorglos weg. Eine Mehrheit von 69 Prozent plagt einer Forsa-Umfrage zufolge ein schlechtes Gewissen.

Bei Großverbrauchern wie Krankenhäuser, Kantinen und Hotels landen jährliche 1,9 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll, gefolgt von der Industrie mit 1,8 Millionen Tonnen. Der Handel trägt nur gut eine halbe Million Tonnen zu den Lebensmittel-Müllbergen bei. Ministerin Aigner zeigte sich mit den Ergebnissen der Studie nicht zufrieden. Die Datenbasis nannte sie "unbefriedigend" und kündigte weitere Forschungsmaßnahmen dazu an.

Eine Mehrheit der Bürger von 84 Prozent trennt sich von Lebensmitteln, weil das auf der Packung angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Aigner verwies darauf, dass die Mindesthaltbarkeit nur ein Garantiedatum sei. Die Lebensmittel seien auch nach Ablauf noch verzehrbar.

Die Kirchen wollen Ministerin Aigner im Kampf gegen die Wegwerfmentalität unterstützten. "Die Verschwendung von Lebensmitteln ist ein Skandal angesichts rund einer Milliarde Menschen, die weltweit hungern", sagte der EKD-Bevollmächtigte, Prälat Bernhard Felmberg, unserer Zeitung. "20 Prozent unserer Lebensmittel werden in Entwicklungsländern produziert. Während sich die Erzeuger nur mangelhaft ernähren können, sortieren wir die Früchte ihrer Arbeit aus: Die Banane ist zu klein, die Tomate nicht rot genug." Handelsklassen, Qualitäts- und Haltbarkeitsstandards seien in einem gewissen Rahmen sinnvoll, kennzeichneten aber ein "System von Überproduktion und Verschwendung". Felmberg betonte: "Dass sich unser Umgang mit Lebensmitteln grundlegend ändert, sind wir den Nahrungsproduzenten, den Hungernden und den kommenden Generationen schuldig."

Auch Aigner hält die Normierung von Obst und Gemüse für falsch. In den vergangenen Jahren wurden bereits 26 von 36 Vorschriften zurückgenommen, die festlegten, wie groß, schwer und geformt bestimmte Früchte sein müssen. Die Ministerin kündigte an, sich bei der EU dafür einzusetzen, dass auch die letzten zehn Vermarktungsnormen ausgesetzt werden. Sie gelten beispielsweise noch für Tomaten, Salat, Äpfel, Erdbeeren und Pfirsiche.

Ein weiteres Problem sieht Aigner bei den Gepflogenheiten des Handels, bis zum Ladenschluss die Regale mit leicht verderblichen Waren wie frischem Obst und frischem Brot voll aufzufüllen.

(RP/jh-)
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