The Crazy Germans

Die Scorpions haben 15 Millionen Platten in den USA verkauft. Ein Gespräch über den Erfolg.

The Crazy Germans
Foto: label

Rudolf Schenker ist soeben heimgekehrt nach Schwarmstedt bei Hannover. Der 67 Jahre alte Gründer und Gitarrist der Scorpions hat vier Wochen USA hinter sich, und die Tournee vor ausverkauften Häusern hat ihn euphorisiert - das merkt man sogar durchs Telefon. Er schwärmt von Begegnungen mit Jimmy Page von Led Zeppelin und Tony Iommi von Black Sabbath. Er flicht englische Begriffe in seine Rede ein: "deal" (Geschäft) etwa, "top class" (erstklassig) und immer wieder "attitude" (Einstellung). Jede Frage wirkt wie ein Streichholz, das ihn in Flammen aufgehen lässt. Er weiß, wovon er spricht: Die Scorpions mit Schenker und Sänger Klaus Meine feierten in den 80er Jahren mächtige Erfolge in den USA. Geschätzte 15 Millionen Alben verkauften sie dort. Bei Festivals hatte die Gruppe aus Hannover Bon Jovi und Metallica als Vorbands.

Wie erobert man als deutscher Musiker den amerikanischen Markt?

Schenker Du brauchst Attitude. Attitude ist das Benzin des Rock 'n' Roll. Du brauchst Kraft, Energie, gute Songs und eine große Klappe. Wir sind 1983 im San Bernadino Valley vor 320.000 Leuten aufgetreten. Und wir haben denen unsere Songs reingehämmert. Bamm! Van Halen sind mit uns aufgetreten, und an denen haben wir Maß genommen. So geht das.

Aber erstmal muss man überhaupt auf so eine Bühne kommen. Und der Weg war auch für die Scorpions lang.

Schenker Wissen Sie, als ich die Scorpions in den 60ern gegründet habe, hielt ich nicht nur nach guten Musikern Ausschau. Ich wollte Menschen, mit denen ich beste Freunde sein kann. Wir wollten nicht bloß eine Band sein, sondern eine Gang. Und das wurden wir. Mein Ziel war, dass die Scorpions zu den 30 größten Bands der Welt gehören, und dafür brauchst Du Leute, die Du magst. Außerdem war ich immer überzeugt, dass wir in den USA Erfolg haben würden.

Wie äußerte sich das?

Schenker Unser erstes Album produzierte 1972 Conny Plank, der Mann, der auch die frühen Kraftwerk-Alben gemischt hat. Ich sagte zu ihm, dass ich keine Krautrock-Platte haben will. Sondern etwas Internationales. Nicht so arty, sondern powerfull. Er fragte: Ihr in Amerika? Und von was träumst du sonst so?

Wirkte das als Ansporn?

Schenker Ja, ich habe unser Management selbst übernommen. Ich nannte mich als Manager Rainbow Music. Ein Indie-Label hat "Lonesome Crow" in den Staaten rausgebracht, und ich hatte einfach meine Telefonnummer aufs Cover drucken lassen. So kamen Anfragen direkt an mich. Und Eddie Van Halen, der meinen Bruder Michael als Gitarren-Gott verehrte, bekam das Album auch in die Hände. Über unsere Musik wurde in den USA gesprochen. So hatten wir plötzlich auch drüben ein Image. Und wir bekamen einen Plattendeal bei Mercury.

Wichtiger noch als Alben sind den Amerikanern überzeugende Konzerte, oder?

Schenker Die meisten denken, zehn Konzerte wären bereits eine Tournee. Das ist falsch. Unsere erste US-Tour lief über sechs Monate. Nicht bloß New York oder Frisco. Wie waren überall. Wir traten im Vorprogramm von AC/DC und Ted Nugent auf. Und wir spielten voll power. 180 statt 100 Prozent. Einmal sollten wir 20 Minuten spielen, wir dehnten den Gig auf 45 Minuten und hörten erst auf, als sie uns den Stecker ziehen wollten. "Look at the crazy germans!", hieß es. Das Ergebnis: "Love Drive" stieg auf Platz 55 in die Album-Charts ein. In Europa hatten wir uns im Grunde nur warm gespielt, in UK waren wir schon bekannt. Jetzt setzten wir alles auf unser Können.

Womit wickelt man die Amerikaner um den Finger?

Schenker Entertainment! Die wollen Bombast. Und den hatten wir. Gute Songs dazu. Ein bisschen Erfolg reicht nicht, der hält nicht lange. Also sind Klaus und ich selbst in die Promo eingestiegen. Wir sind zu Radiosendern gefahren und sowas. Und nachdem wir erste Erfolge vorweisen konnten, haben wie den Amerikanern das Album "Blackout" gebracht. Das ging sofort in die Top 10. Voll drauf, immer voll drauf. 1984 spielte Bon Jovi bei uns im Vorprogramm. In jenem Jahr verkauften wir drei Mal den Madison Square Garden in New York aus. Da konnten wir uns ein Top-Class-Management leisten. Und weiter ging's: "Love At First Sting" auf Platz 6. "Savage Amusement" ging zwei Jahre später auf die 5.

Ihre Platte "World Wide Live" galt lange als erfolgreichstes Live-Album nach "Frampton Comes Alive" von Peter Frampton. Ihr Song "Wind Of Change" erreichte Platz vier der US-Charts. Doch dann folgten schwierige Jahre.

Schenker Ja, dann kam Grunge, und wir waren out, das stimmt. Die Leute wollten auf einmal lieber Nirvana und solche Bands hören.

Der Wind hat sich erneut gedreht.

Schenker Die Leute fahren wieder ab auf Rock. Wir sind gerade einen Monat durch die USA getourt. Wir haben das Forum in L.A. ausverkauft. Davor China, dann Russland. Nächstes Jahr kommen wir in Deutschland auf Tour.

Ihr Rat an jüngere Musiker?

Schenker Immer weitermachen. Nur so klappt es.

(hols)
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