Tag gegen Lärm Gegen die Schwerhörigkeit: Experten empfehlen echte Ruhepausen

Berlin · Am 24. April ist der „Tag gegen Lärm“. Experten appellieren, dem Gehör regelmäßig Pausen zu gönnen und sich nicht dauerhaft hoher Lautstärke auszusetzen. Sonst drohten nicht behandelbare Hörschäden.

Messebesucher mit Kopfhörern in München - Experten warnen davor, zu lange und zu laut Musik per Kopfhörer zu hören, vor allem bei lauter Umgebung.

Messebesucher mit Kopfhörern in München - Experten warnen davor, zu lange und zu laut Musik per Kopfhörer zu hören, vor allem bei lauter Umgebung.

Foto: obs/HIGH END SOCIETY SERVICE GmbH

Lärm schadet dem Gehör, das weiß jeder. Aber wie viel Lärm ist zu viel? Und wer ist da besonders gefährdet - der Metallarbeiter im Dauerkrach seiner Fabrik oder der Festivalbesucher in der ersten Reihe? Beide, sagt Michael Deeg, Sprecher im Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte. „Es geht immer um die Gesamtenergie, die auf das Hörorgan einwirkt. Und die berechnet sich aus dem absoluten Schallpegel und der Dauer.“

Das bedeutet: Moderater Dauerlärm über acht Stunden hat unter Umständen die gleiche schädliche Wirkung wie 90 Minuten Heavy Metal. Einen genauen Schwellenwert für bleibende Schäden gibt es dabei nicht, höchstens Durchschnittswerte. „Da gibt es aber große, individuelle Unterschiede“, erklärt Deeg.

Deshalb sollte jeder, der zumindest ab und zu Lärm ausgesetzt ist, auf die Alarmzeichen achten: ein dumpfes Gefühl, Hören wie durch Watte, dauerhaftes Fiepen. Spätestens dann ist es an der Zeit, dem Ohr eine richtige Ruhepause zu gönnen - an einem Ort, an dem es möglichst still ist. „Sie müssen jetzt nicht ins Kloster gehen“, sagt Deeg. „Aber es sollte schon ruhig sein.“

Der Experte vergleicht Sinneshärchen im Innenohr mit einem Kornfeld: „Wenn da nach einem Sturm ein paar Halme umgeknickt sind, richten die sich mit etwas Windstille und Sonnenschein auch wieder auf.“ Stürmt es dagegen dauerhaft oder zu heftig, geht irgendwann auch der Schaden nicht mehr weg. Genau so sei es auch mit dem Hörvermögen.

Gerade in Großstädten mit viel Umgebungslärm sei das Gehör gefährdet, etwa, wenn man Musik oder Podcasts über Kopfhörer hört. „Zu Hause startet man meist noch mit einer gesunden Lautstärke, dreht dann auf der Straße aber auf, um den Umgebungslärm zu übertönen“, sagt Michael Deeg, Sprecher des Deutschen Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohrenärzte. „Langfristig können Hörschäden die Folge sein, die sich nicht mehr behandeln lassen“, so Deeg im Vorfeld des Tages gegen Lärm am 24. April.

Der internationale Aktionstag soll auf die Ursachen von Lärm und seine Wirkungen aufmerksam machen, um die Lebensqualität zu verbessern.

Laut Deeg spiele die Art des Kopfhörers keine Rolle. Es sei also egal, ob man so genannte In-Ear-Kopfhörer zum Einstecken in die Ohrmuschel oder klassische Modelle mit einem Bügel nutze. „Wichtig ist, wie viel Schallenergie am Ohr ankommt und wie lange die Belastung dauert“, erklärt der Freiburger Hals-Nasen-Ohren-Arzt.

Eine gesündere Alternative könnten Kopfhörer darstellen, die den Umgebungslärm ausschalten, sagt Thomas Zahnert, Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Dresden. „Mit ihnen kann man die Musik leiser genießen“, sagt er. Deeg hingegen würde sich nicht auf die neue Technik verlassen.

Grundsätzlich seien Kinder und Erwachsene gleichermaßen gefährdet. Der Schutz des Gehörs sei aber bei Kindern und Jugendlichen ein wichtiges Thema, da diese häufig Smartphones, Tablets und Computer mit Kopfhörern nutzen. „Wenn ein Kind Kopfhörer draufkriegt, kann das über die Jahre ein Problem werden, wenn man die Spielregeln nicht beachtet“, so Deeg. Dass die Zahl der Hörschäden durch die verstärkte Nutzung von Kopfhörern zunehme, lasse sich nicht mit Zahlen belegen, so Deeg.

Wichtig sei es, dauerhaft Lärm über 85 Dezibel zu vermeiden. Das ist etwa so laut wie der Geräuschpegel an einer Hauptverkehrsstraße. Auch eine kurzzeitige, aber starke Lärmbelastung - wie etwa bei einem Klub- oder einem Konzertbesuch - könne Schaden anrichten. Dabei könne der Lärmpegel auch schon mal auf 100 Dezibel und mehr steigen.

„Gesichert können wir nur sagen, dass die Hörschäden durch Lärm am Arbeitsplatz in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen sind“, so Deeg. Hier werde viel Präventionsarbeit geleistet und auf den Arbeitsschutz geachtet.

Der Dresdner HNO-Professor Zahnert plädiert für ein stärkeres Bewusstsein für das Gehör. „Uns fehlt eine Hörhygiene“, sagt er. Viele Menschen kümmerten sich zwar intensiv um ihre Ernährung und ihren Körper. Doch das Gehör werde vernachlässigt. Die Tatsache, dass man bereits mit einer kurzzeitigen starken Lärmbelastung viel Schaden anrichten könne, sei vielen nicht bewusst. „Gerade unter Jugendlichen wird das ignoriert“, so Zahnert.

(sbl/dpa)
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