Steinkreis bei Magdeburg entdeckt Stonehenge ist überall

Magdeburg · Bei Magdeburg graben Archäologen eine kreisrunde Kultstätte aus. Sie soll den gleichen Ritualen gedient haben wie der Steinkreis in England. Franois Bertemes ist der Überzeugung, dass es diese Monumente in ganz Europa gibt.

Stonehenge ist eine archäologische Attraktion. Der legendäre Steinkreis in Südengland zeugt von frühreligiösen Ritualen der Menschen aus der Jungsteinzeit bis in die Bronzezeit. Einzigartig. Oder doch nicht? Franois Bertemes, Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, ist davon überzeugt, dass derartige kreisrunde Kultstätten über ganz Europa verteilt sind.

Zurzeit gräbt er nahe des Städtchens Pömmelte bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt einen bronzezeitlichen Kreisgraben aus, der ebenfalls Opfer- und Totenritualen gedient haben soll. Allein in dem ostdeutschen Bundesland hat der 50-Jährige mit seinem Team zwölf kreisrunde Kultstätten gefunden. Zu sehen ist allerdings kaum etwas von ihnen. Denn anders als Stonehenge waren sie aus Holz gebaut. Die Zeit zerstörte, die Menschen vergaßen sie.

Sechs wie mit dem Zirkel gezogene Kreise haben die Wissenschaftler in Pömmelte gefunden. 115 Meter misst der größte von ihnen im Durchmesser — exakt die gleiche Größe wie Stonehenge. Das sei allerdings Zufall, versichert Bertemes. Keramikgefäße, welche die Forscher ausgruben, weisen darauf hin, dass die Menschen ihre Rituale dort zwischen dem 23. und 21. Jahrhundert vor Christus praktizierten.

Außerdem hoben die Archäologen die Überreste eines sechsjährigen Kindes und weitere, menschliche und tierische Knochen aus der Erde. Außerhalb des Kreises lag außerdem offensichtlich ein Herrscher begraben, ihm waren eine Axt und ein Beil beigegeben worden. Auch bei Stonehenge wurden nach neuesten Erkenntnissen Menschen beigesetzt.

Ob die religiöse Tradition von der britischen Insel stammt und von dort aus den Kontinent eroberte, kann Ausgrabungsleiter Bertemes nicht sagen. "Fest steht aber, dass Kreisgräben auch auf dem Festland eine lange Tradition haben. Der älteste, den wir entdeckt haben, wurde im fünften Jahrtausend vor Christus angelegt", berichtet Bertemes. Der jüngste Kreis stamme aus dem achten Jahrhundert vor Christus. Dazwischen gibt es mehrere Jahrhunderte, aus denen keine Plätze dieser Art überliefert sind. Vielleicht aber wurden sie einfach noch nicht gefunden. Franois Bertemes hält den fehlenden Nachweis schlicht für eine Forschungslücke.

"Jetzt, nachdem Pömmelte publik ist, kommen Wissenschaftskollegen aus ganz Europa auf mich zu und berichten von ähnlichen Formationen, die sie nun ebenfalls ausgraben wollen", erzählt der Archäologe. Er hofft, dass es in vier bis fünf Jahren eine Karte von Europa gibt, auf der alle Stonehenges — ob nun aus Stein oder Holz — verortet sind. Unter anderem wären darauf auch zwei Kultstätten verzeichnet, die Bertemes in den 1980er Jahren in Bulgarien erschlossen hat. Die Ausgrabung des Pömmelter Kult-Kreises hält der Professor trotz der bulgarischen Funde für einen Durchbruch, da er die Verbreitung dieser Form nachweise und Erkenntnisse über frühe religiöse Praktiken zulasse.

Entdeckt wurden die frühzeitlichen Opfer-Orte in Sachsen-Anhalt bereits 1991 bei Luftaufnahmen. Dass zumindest die Pömmelter Stätte nun endlich freigelegt wird, verdankt sie der Himmelsscheibe von Nebra. Wegen dieses Sensation-Fundes von 1999 war es Bertemes möglich, Fördergelder der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu bekommen. Die Pömmelter Stätte stammt wie die Himmelsscheibe aus der frühen Bronzezeit. Deshalb flossen die Gelder, deshalb setzten die Wissenschaftler ihre Schaufeln hier an — und nicht an einer der anderen Kultstätten in Sachsen-Anhalt.

Doch nicht nur die Zeit spricht für eine Verbindung der Himmelsscheibe mit den hölzernen Kultstätten. So banal es klingt, es ist die runde Form. Offensichtlich spielte der Kreis in den frühen Religionen eine große Rolle. Bertemes führt das auf die besondere Bedeutung von Kreisläufen für die Menschen zurück: "Als die Menschen die Boden- und Viehhaltung für sich entdeckten, machten sie sich stärker als zuvor von dem Lauf der Sonne abhängig, von dem natürlichen Zyklus der Jahreszeiten." Die Kreise seien deshalb nicht notwendigerweise ein Indiz für eine gemeinsame Religion, wohl aber für den damaligen Zeitgeist — in ganz Europa.

(RP)
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