Heiligtum des Ionischen Bundes entdeckt Sensationeller archäologischer Fund in der Türkei

Hamburg (rpo). Dem Archäologen Hans Lohmann von der Bochumer Ruhr-Universität gelang in der Türkei ein sensationeller Fund. Wie die "Zeit" schreibt, entdeckte er an der kleinasiatischen Westküste die Überreste des Panionions.

Das Heiligtum war im sechsten Jahrhundert vor Christus die Zentrale des Ionischen Bundes, eines militärischen Zusammenschlusses von zwölf Städten gegen die einfallenden Perser.

Der Bund war nicht nur Zweckbündnis, sondern auch ein Mekka für Wissenschaft und Kultur. Hier zeichnete Anaximander eine erste Weltkarte und kam Heraklit zu der Einsicht, dass der Streit der "Vater aller Dinge" sei.

Schon vor über hundert Jahren glaubte Theodor Wiegand, das antike Zentrum des Widerstands entdeckt zu haben. Hans Lohmann konnte nicht nur nachweisen, dass der frühere Entdecker falsch lag, er spürte auch den richtigen Ort mit den Ruinen des Panionions auf.

Stieropfer für Poseidon

Im Panionion brachten die Ionier dem Gott Poseidon ein Opfer, bei dem ein Stier von jungen Männern zum Altar geschleppt und gezerrt wurde. Dabei galt es als günstiges Omen, wenn der Stier möglichst laut brüllte und stöhnte. Den Namen "Mykale" leitete man später lautmalerisch aus dem Gebrüll der Stiere ("Müühkale") ab.

Tatsächlich dürfte er jedoch vorgriechisch sein. Das Mykale-Gebirge (heute Dilek Daglari) liegt ca. 100 Kilometer südlich der Hafenstadt Izmir. Lohmann und sein Team vom Institut für Archäologische Wissenschaften der RUB haben die Gegend im September 2004 systematisch erforscht: Mit ihrem Fund konnten sie nun das Jahrhunderte alte Rätsel lösen, wo das Panionion liegt.

Wo liegt das Panionion?

Im ersten Buch seiner "Historiai" schreibt Herodot: "Das Panionion ist ein heiliger Platz in der Mykale, der sich nach Norden erstreckt und von den Ioniern gemeinsam dem Poseidon Helikonios geweiht ist." Ein anderer antiker Historiker, Diodor, erwähnt, dass das Panionion ursprünglich an "einsamer Stätte" gelegen habe und man es später verlegen wollte. Bereits 1673 hatten englische Reisende auf der Nordseite des Mykale-Gebirges beim heutigen Ort Güzelçamli eine Inschrift aus der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts vor Christus entdeckt, die das Panionion erwähnt. Es schien also nicht fern zu sein.

Dennoch lagen die Archäologen zunächst falsch: Theodor Wiegand, der erste Ausgräber von Priene und Milet und einer der bedeutendsten Archäologen des 20. Jahrhunderts, lokalisierte das Panionion 1904 am so genannten "Otomatik Tepe" östlich Güzelçamli, wo sich ein halbkreisförmiger Stufenbau und Fundamente eines Altares erhalten haben. Ausgrabungen nahmen jedoch erst Gerhard Kleiner und Peter Hommel in den 1950er Jahren vor.

Obwohl sie keinerlei Reste der archaischen Zeit, also des siebten und sechsten Jahrhunderts vor Christus fanden, hielten sie die Ruinen bei Güzelçamli für das archaische Panionion. Die Bochumer Archäologen um Hans Lohmann konnten bei ihren diesjährigen Untersuchungen jedoch zweifelsfrei feststellen, dass dort lediglich eine Bauruine liegt.

Der berühmte Gräzist Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf hingegen hatte bereits um 1900 allein auf Grund der antiken "Nachrichten" die These vertreten, dass Melia und das Panionion topographisch zusammenfallen. Die Entdeckung durch Prof. Lohmann und sein Team bestätigen dies nun: Im Bereich des Hauptkammes der Mykale, auf "Mykales luftigem Scheitel" (Homer, Ilias 2, 869) stießen sie überraschend in 750 Meter Höhe auf die ausgedehnten Ruinen einer befestigten karischen Höhensiedlung des frühen siebten Jahrhunderts vor Christus.

Darin fanden sie die Reste eines stark zerstörten ionischen Tempels der Zeit um 540 vor Christus. Die bis zu drei Meter breiten, stark verfallenen Wehrmauern bilden ein riesiges Dreieck, dessen Spitze im Norden liegt. Der Tempel ist rund hundert Jahre jünger als der Krieg um Melia und die Zerstörung der Siedlung. Dieser Befund scheint sowohl die These von Wilamowitz zu bestätigen als auch die Angaben von Herodot und Diodor: "Eine einsamere Stätte ist kaum vorstellbar", so Lohmann.

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