Züge der Zukunft Schneller auf der Schiene

Krefeld (RP). Die Menschheit rückt zusammen – in den Großstädten als Arbeits- und Lebensmittelpunkten. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen leben bereits 3,3 Milliarden Menschen in den Ballungszentren der Welt. Das ist etwa die Hälfte der Weltbevölkerung. Bis 2030 sollen es sogar fünf Milliarden sein. Und damit wächst auch die Zahl derer, die von außerhalb in die neuen Megastädte strömen oder zwischen ihnen pendeln. Doch wie werden sie unterwegs sein, wenn die Rohölpreise steigen und Staus die Straßen beherrschen? Die Antwort klingt nicht neu: mit dem Zug.

Die Rekordfahrt des TGV
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Krefeld (RP). Die Menschheit rückt zusammen — in den Großstädten als Arbeits- und Lebensmittelpunkten. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen leben bereits 3,3 Milliarden Menschen in den Ballungszentren der Welt. Das ist etwa die Hälfte der Weltbevölkerung. Bis 2030 sollen es sogar fünf Milliarden sein. Und damit wächst auch die Zahl derer, die von außerhalb in die neuen Megastädte strömen oder zwischen ihnen pendeln. Doch wie werden sie unterwegs sein, wenn die Rohölpreise steigen und Staus die Straßen beherrschen? Die Antwort klingt nicht neu: mit dem Zug.

So wie im 19. Jahrhundert die Schiene für eine Revolution der Mobilität sorgte, wird sie auch in den nächsten Jahren Ballungszentren miteinander verbinden. Mit Hochgeschwindigkeitszügen, die 350 km/h schnell sein werden. "Bis zu einer Entfernung von 1000 Kilometer gibt es kaum eine günstigere Alternative", sagt Leif Paulukuhn. Darüber hinaus könne das Flugzeug seinen Geschwindigkeitsvorteil ausspielen, so Paulukuhn weiter.

Der Ingenieur leitet das Krefelder Siemenswerk, in dem die Züge auf der Velaro-Plattform gebaut werden. Das ist auch die Basis für den ICE 3. Nach dem Achsbruch am Kölner Hauptbahnhof im Sommer wird darüber zwar gestritten, ob ein Material- oder ein Wartungsfehler der Deutschen Bahn die Ursache war. Eine Diskussion indes, die dem internationalen Renommee der deutschen Technologie nicht geschadet hat. In Spanien ist sie bereits der Schlüssel zu modernen Massentransportsystemen. Russland und China werden folgen.

Die Gründe dafür liegen unter anderem in der Wirtschaftlichkeit. "Wir fahren mit Strom", sagt Paulukuhn. "Ob der aus Kohle- oder Kernkraftwerken, Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen stammt, ist dem Zug egal." Allein das schafft Zukunfts- und Investitionssicherheit. Dazu kommt die Effizienz und die damit verbundene Umweltfreundlichkeit. Beispiel Klimagas Kohlendioxid: Die Velaro-Züge stoßen davon sechs Kilogramm pro Fahrgast und 100 Kilometer aus. Beim Auto ist der Wert mit 15 Kilogramm zweieinhalb Mal so groß, beim Flugzeug mit 33 Kilogramm liegt er schon beim 5,5-Fachen.

Vorteile, die in Spanien auf der 625 Kilometer langen Strecke zwischen Madrid und Barcelona auch die Passagiere überzeugt haben. Noch vor einem Jahr setzten 88 Prozent der Reisenden auf das Flugzeug und nur zwölf Prozent auf den Zug. Mit dem Velaro haben sich die Zahlen innerhalb von nur sieben Monaten drastisch verändert: Mit 47 Prozent ist nun fast die Hälfte auf der Schiene unterwegs. Schließlich kann der Zug, anders als ein Flugzeug, fast stündlich verkehren — und bis mitten ins Zentrum fahren.

Und bei Geschwindigkeiten von 350 km/h ist die Reisezeit auf Schienen durchaus konkurrenzfähig. Tatsächlich wurden sogar schon mehr als 400 km/h erreicht. Doch der Luftwiderstand wächst mit dem Quadrat der Geschwindigkeit: doppelt so schnell bedeutet vierfachen Luftwiderstand. Für einen Zeitgewinn von ein paar Minuten bei 400 km/h wird darum gleich sehr viel mehr Energie benötigt.

Umgekehrt heißt das aber auch: Es gibt noch Potenzial für weitere Entwicklungen, um die Effizienz zu steigern. Und Hochgeschwindigkeitszüge haben noch längst nicht ihre technologischen Grenzen erreicht. "Ein Thema ist die Stromlinienform und neue Materialien, um den Luftwiderstand noch zu senken", erklärt Paulukuhn. Auch die Fahrmotoren werden weiter entwickelt, um den Wirkungsgrad zu steigern — also den Anteil elektrischer Energie, der am Ende tatsächlich in Bewegung umgesetzt wird.

Bei den Motoren hält man zwischen ein und vier Prozentpunkten mehr Wirkungsgrad in den nächsten Jahren für realistisch, sagt Ezehard Luebben, Leiter der Siemens-Abteilung für Hochgeschwindigkeitszüge. Das klingt nicht nach viel, bedeutet aber über die gesamte Lebenszeit eines Zuges von 30 Jahren gerechnet eine enorme Energie- und damit Kostenersparnis. Zudem werden derzeit die Möglichkeiten eines Direktantriebes erforscht, der das Getriebe überflüssig macht. Der Wegfall dieses mechanischen Systems würde sich in weitere ein bis zwei Prozentpunkte Gewinn an Wirkungsgrad niederschlagen.

Neue Materialien könnten den Zug, der ohne eine Lok auskommt, zudem leichter machen. Ein Konzept, auf das mittlerweile auch die französische Konkurrenz zum Velaro, der TGV, setzt: Der Antrieb sitzt nicht mehr zentral an der Spitze des Zuges, sondern ist auf alle Wagen verteilt. Das schafft mehr Platz im Innenraum für die Passagiere. Bei gleicher Zuglänge und gleicher Zahl an Zugverbindungen können so mehr Menschen unterwegs sein — auf bestehenden Trassen. Denn neue werden selbst in Schwellenländern nicht mehr so einfach aus dem Boden gestampft.

Zudem wird der Velaro durch den verteilten Antrieb variabler und kann innerhalb weniger Monate quasi neu konstruiert werden, um das Massentransportmittel für die verschiedenen Bedürfnisse abzustimmen. Für Russland beispielsweise muss der Zug noch bei Temperaturen von minus 40 Grad den Passagieren wohlige Wärme spenden. Dafür mussten zehn Zentimeter mehr Isolierung eingeplant und alle Wasserleitungen mit einem Heizsystem ausgestattet werden.

Doch es gibt noch einen weiteren Grund für die Flexibilität des Konzeptes. Nicht etwa die unterschiedlichen Stromsysteme. Damit kann der Velaro umgehen. Vielmehr sind es die historisch gewachsenen Bestimmungen in den verschiedenen Ländern, die noch auf die Zeit der Dampflokomotive zurückgehen. Damit Hochgeschwindigkeitszüge über Ländergrenzen hinweg zum Massentransportmittel werden, ist kein technologischer Fortschritt gefordert, sondern ein politischer: ein einheitliches, internationales Regelwerk für den Zugverkehr.

(RP)
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