Politikersprache in Kriegszeiten Rückgriff auf die Rhetorik der Antike

Frankfurt/Main (rpo). In Zeiten des Krieges versuchen Politiker mit ihrer Sprachwahl Emotionen zu schüren oder abzubauen - je nach dem Ziel, das sie verfolgen. Dabei wird fleißig polarisiert und Zusammenhänge werden stark vereinfacht dargestellt.

Nach dem 11. September 2001 wurde die Welt auf einen "Krieg gegen den Terrorismus" und gegen eine "Achse des Bösen" eingeschworen. Als schließlich der Krieg in Irak immer näher rückte, war von "Krieg" keine Rede mehr: Plötzlich ging es um eine "Maßnahme" zur "Entwaffnung", Kriegsvorbereitungen wurden zur "Drohkulisse", und am Ende stand ein "Militärschlag", der die "Befriedung" Iraks als Ziel haben soll. Doch kaum hatte der Krieg begonnen, wurde er wieder beim Namen genannt, es tauchten "rücksichtslose Feinde" auf, die "Gräueltaten" begehen.

Mit ihrer Sprachwahl versuchen Politiker gezielt, Emotionen abzubauen oder zu schüren - je nach dem Ziel, das sie verfolgen. "Das Verwenden von Kriegssynonymen wie 'Vorgehen' oder 'Entwaffnung' spielte im Vorfeld des Kriegs eine bestimmte Rolle innerhalb der Strategie, die George W. Bush verfolgte", erklärt der Rhetorik-Experte Boris Kositzke von der Universität Tübingen. Der Krieg sei als technisch und aseptisch dargestellt worden, als chirurgischer Eingriff, unter dem die Zivilbevölkerung nicht leiden müsse. "Bush musste die Menschen vom Krieg überzeugen, er musste im Vorfeld Emotionen abbauen und den Menschen die Angst nehmen."

Sobald allerdings die Bilder des Kriegs das Gegenteil der Versprechungen zeigten, nämlich tote Menschen, wirke eine solche Sprache nicht mehr, da der Redner sonst unglaubwürdig werde. "Die Befehlshaber müssen dann erklären: Ja, es ist Krieg, und er fordert Opfer", erklärt Kositzke. Nötig sei ein Wechsel der Rhetorik hin zu radikalisierenden und emotionalisierenden Vereinfachungen. "Jetzt müssen die Emotionen wieder geschürt werden, um die Opfer zu rechtfertigen."

So habe bereits der von Bush verwendete Begriff "Achse des Bösen" eine "große Perspektive" errichten sollen, für "die es lohnt, Opfer zu bringen". Auch jetzt werde wieder polarisiert, etwa mit Verweis auf "Gräueltaten", die rhetorisch wichtig seien, um zu zeigen, dass der Gegner "böse" sei. Ein Beispiel ist die Behauptung Tony Blairs, irakische Soldaten hätten britische Soldaten exekutiert, was offensichtlich nicht stimmte. "Früher waren nur Hussein und seine engsten Gefolgsleute böse, jetzt wird das ausgedehnt, der Gegner wird zum Hassobjekt gemacht", sagt Kositzke.

In einer derartigen Rhetorik unterscheiden sich Politiker auch dann nicht, wenn sie auf verschiedenen Seiten stehen. So verweist der Rhetorik-Experte darauf, dass auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer beim Kosovo-Krieg auf diese Stilmittel zurückgriff: Fischer bezeichnete den Krieg damals ebenfalls als "Maßnahme", die dem "Schutz der Bevölkerung" diene, "dagegen hat er sich diesmal nicht gescheut, den Krieg beim Namen zu nennen", sagt Kositzke.

Auf der anderen Seite habe Fischer gezielt Emotionen geschürt, indem er etwa Vergewaltigungen durch Serben als Argument anführte. "Auch Husseins Söhne wurden von den Amerikanern als notorische Vergewaltiger dargestellt", sagt Kositzke. Das sei eine steigernde Reihe, die schon Cicero verwendet habe, mit "Vergewaltigung" als Höhepunkt der Emotionalisierung nach "Vertreibung" und "Ermordung". "Das ist konkret, plastisch, blutig", erklärt der Rhetorik-Experte.

In Kriegszeiten bedingen sich somit Sprache und Bewusstsein gegenseitig. Die Sprache der Politiker komme aus deren Bewusstsein heraus und solle aber umgekehrt das Bewusstsein der Bevölkerung bestimmen, erklärt der Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser. Im Fall des Irak-Krieges verfehlt die typische Kriegsrhetorik aber teilweise ihre Wirkung: "Im Gegensatz zum ersten Golfkrieg lassen sich die Journalisten nicht nur auf die Sprache der Militärs ein", sagt Schlosser. Es gebe in den deutschen Medien eine "sehr differenzierte Form der Berichterstattung".

So kritisiert etwa auch der ZDF-Korrespondent Ulrich Tilgner, dass von Militärschlägen statt von Krieg gesprochen wird. Er habe eine Aversion gegen das Wort Schlag, sagte er der Nachrichtenagentur AP. "Für mich ist es ein Angriff." Die Sprache werde im Krieg sehr parteilich benutzt, um zum Beispiel zu verschleiern, dass Menschen umgebracht werden. Auch die AP selbst hat als Richtlinien für die Kriegsberichterstattung festgelegt, dass auf Formulierungen zu verzichten ist, "die das Kriegsgeschehen tendenziell verharmlosen oder beschönigen". Tabu sind daher Bezeichnungen wie "Bombenteppiche", "Waffengang", "gefallene Soldaten" oder "Blutzoll".

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