Berlin Ringen um Embryonen-Tests

Berlin · Der Ethikrat zeigt sich in der Frage, ob Embryonen vor Einsetzung in den Mutterleib untersucht werden dürfen, tief gespalten. Der Bundestag will im Sommer darüber entscheiden.

Der Ethikrat kann der Politik in der Frage der Embryonen-Tests keine Empfehlung geben. Das mit Spannung erwartete Votum der Fachleute ergab eine tiefe Spaltung des Gremiums in der Frage, ob Gentests an menschlichen Embryonen im Laufe einer künstlichen Befruchtung erlaubt sein sollen.

Der Ethikrat zeigte eine leichte Tendenz, die Präimplantationsdiagnostik (PID) eingeschränkt zuzulassen. Bei der PID werden im Reagenzglas gezeugte Embryonen auf genetische Defekte untersucht, bevor sie in den Mutterleib eingepflanzt werden. Von den 26 Mitgliedern des Gremiums sprachen sich 13 dafür aus, einer sagte mit Sondervotum ja, elf stimmten dagegen. Es gab eine Enthaltung.

"Es gibt in der PID keine Antwort, die moralisch einwandfrei wäre", räumte Ratsmitglied Christiane Woopen ein. Die Kölner Professorin für Geschichte und Ethik in der Medizin gehört zu den Befürwortern. Sie spricht sich für eine Zulassung der PID aus, wenn die Eltern erbliche Anlagen tragen, die zu einer schweren Krankheit, zur Behinderung oder zum Tod des Kindes führen können. In solchen Fällen sei heute eine Abtreibung möglich. Woopen argumentiert, es wäre widersprüchlich, einem Embryo aus dem Reagenzglas mehr Schutz zu gewähren als einem weiter entwickelten Fötus.

Die katholische Kirche kritisierte das Votum des Ethikrats. Das gespaltene Urteil zu Gentests an Embryonen sei kein Zeichen für einen starken Lebensschutz, bemängelte die Bischofskonferenz. Die Selektion von im Reagenzglas erzeugten Embryonen sei vielmehr "ein massiver Verstoß gegen Buchstaben und Geist von Grundgesetz und Embryonenschutzgesetz", betonte der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, auch Mitglied des Ethikrats.

Der Bundestag will im Juni oder Juli über die Frage der Embryonen-Tests entscheiden. Bislang galten die Gentests an befruchteten Eizellen als verboten. Vergangenen Sommer aber gab der Bundesgerichtshof einem Gynäkologen recht, der die PID bei drei Paaren vorgenommen hatte. Alle drei Paare haben die Veranlagung, schwere Gendefekte an ihre Kinder weiterzugeben.

Seit dem Urteil ist die PID in Deutschland also eingeschränkt möglich. Das hat die Politik auf den Plan gerufen. Die Gegner der Gentests an Embryonen wollen die PID nun gänzlich verbieten. Dem Bundestag liegen insgesamt drei Gesetzentwürfe zur Abstimmung vor. Zwei von ihnen sehen eine begrenzte Zulassung vor.

Ein Verbot fordert eine Gruppe von Abgeordneten, zu denen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die ehemalige Gesundheitsminister Ulla Schmidt (SPD) zählen. Sie argumentieren, die Auswahl und das Verwerfen von Embryonen verstoße gegen die Menschenwürde und auch gegen das Recht auf Leben und Gleichberechtigung. Für eine begrenzte Zulassung der PID spricht sich hingegen eine Gruppe von Abgeordneten um die FDP-Gesundheitsexpertin Ulrike Flach und den ehemaligen CDU-Generalsekretär Peter Hintze aus. Ihrer Meinung nach soll die PID gestattet sein, wenn Eltern von einer schweren erblichen Vorbelastung wissen oder wenn eine Tot- oder Fehlgeburt droht. Auch diese Abgeordneten lehnen ein Design-Baby ab. Tests auf Geschlecht des Kindes oder später ausbrechende Krankheiten sollen auch nach diesem am weitesten gehenden Gesetzentwurf verboten bleiben.

Als Kompromiss bieten die Abgeordneten um Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und René Röspel (SPD) ihren Gesetzentwurf an. Er sieht vor, dass die PID grundsätzlich verboten bleibt. Ausnahmen sollen für Paare gelten, die eine Veranlagung haben, Tot- und Fehlgeburten zu erleiden. Über jeden Einzelfall soll eine Ethikkommission entscheiden.

Für die Abstimmung im Bundestag soll der Fraktionszwang aufgehoben werden. Das heißt, die Abgeordneten müssen sich nicht nach Parteilinie richten, sondern dürfen frei nach ihrem Gewissen entscheiden. Am 17. März sollen die konkurrierenden Gesetzentwürfe erstmals im Bundestag beraten werden.

Das Votum des Ethikrats stieß teilweise auch in der Politik auf Kritik. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hatte im Gespräch mit unserer Zeitung das Gremium gänzlich in Frage gestellt. "Es stellt sich einmal mehr die Frage, wozu es einen Ethikrat braucht", sagte Spahn. "Letzten Endes fasst er die gesellschaftliche Debatte zusammen, nicht weniger, aber auch nicht mehr." Dem widersprachen die Mitglieder des Ethikrates. Alle Argumente und Begründungen seien noch einmal genau geprüft und erläutert worden, sagte Wolf-Michael Catenhusen. Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Wolfgang Huber, sagte, aus den vorgelegten Argumenten könne nun jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.

(RP)
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