Anwendung, Nutzen und Risiken Wenn sich der Körper zu schnell entwickelt

Köln · Medikamente, die den Eintritt in die Pubertät verzögern, sind umstritten. Wissenswertes über Wirkung, Nutzen und Risiken.

Keine leichte Zeit für Heranwachsende: die Pubertät.

Keine leichte Zeit für Heranwachsende: die Pubertät.

Foto: dpa/Fernando Gutierrez-Juarez

Was sind Pubertätsblocker? Wie der Name besagt: Solche Mittel verzögern bei Heranwachsenden die Pubertät, also den Eintritt in die Geschlechtsreife. Diese wird normalerweise von einem Teil des Zwischenhirns gesteuert, dem Hypothalamus. Er produziert Botenstoffe, die sogenannten Gonadotropine, die in Hoden und Eierstöcken die Produktion der weiblichen und männlichen Geschlechtshormone ankurbeln.

Wie wirken sie? Pubertätsblocker sind die hormonellen Gegenspieler der Gonadotropine. Sie blockieren deren Ausschüttung im Hypothalamus. Das führt dazu, dass etwa bei einem Jungen die Hoden kein Testosteron mehr produzieren, Stimmbruch und Bartwuchs bleiben aus. Bei Mädchen wird in den Eierstöcken die Ausschüttung von Östrogen blockiert.

Wann werden Pubertätsblocker verabreicht? Es gibt grob eingeteilt drei Anwendungsgebiete für derartige Medikamente. Wenn etwa ein Kind oder Jugendlicher sich im eigenen Geschlecht unwohl fühlt, bezeichnen Ärzte dies als Genderdysphorie. Damit solche Heranwachsende die Pubertät nicht in einem Geschlecht durchleben müssen, dem sie sich nicht zugehörig fühlen, können Ärzte Pubertätsblocker verschreiben. Sie sollten dann vor dem Beginn der Pubertät verabreicht werden.

Ein weiteres Anwendungsgebiet ist eine Krankheit namens Pubertas praecox. Betroffene Kinder kommen schon extrem früh, teils deutlich vor dem achten Lebensjahr, in die Pubertät. Dies kann große psychische und auch physische Belastungen für die Mädchen und Jungen mit sich bringen. In solchen Fällen können Pubertätsblocker vorschnelle Reifungs- und Wachstumsprozesse stoppen. Und auch bei bestimmten Tumorerkrankungen können die Gegenspieler der Gonadotropine zum Einsatz kommen, etwa bei hormonempfindlichen Krebsarten, wie sie in der Gynäkologie vorkommen. Die Verabreichung der Pubertätsblocker geschieht per Injektion.

Wer darf sie verabreichen? Die Gabe von Pubertätsblockern ist vor allem bei der Klärung des unsicheren Geschlechts immer eine Gemeinschaftsentscheidung von Medizinern verschiedener Disziplinen in enger Absprache mit den betroffenen Kindern und ihren Eltern: Kinder- und Jugendpsychiater und Fachärzte für pädiatrische Endokrinologie sollten hier mit im Boot sein. Der Entscheidungsprozess kann mitunter sehr lange dauern. Bei der Pubertas praecox greift die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinder­endo­krinologie und ‑diabetologie (DGKED). Demnach können hier die Diagnose und gegebenenfalls die Verabreichung durch einen pädiatrischen Endokrinologen oder eine Endokrinologin erfolgen.

Welche Nebenwirkungen und Spätfolgen sind möglich? Bislang ist wenig darüber bekannt, was Pubertätsblocker auf lange Sicht betrachtet mit dem Körper Heranwachsender machen. Das liegt unter anderem daran, dass etwa toxikologische Studien an Kindern nahezu unmöglich sind. „Zu Nebenwirkungen und Spätfolgen gerade bei der Anwendung bei Kindern liegen aus medizinischer Sicht keine ausreichenden Daten vor“, sagt Martin Korte, Professor für Neurobiologie an der Technischen Universität Braunschweig. Er fordert dringend weitere Studien vor allem auch zu den langfristigen Folgen speziell bei Kindern und Jugendlichen. Ebenfalls Bedenken äußert Alexander Korte, Kinder- und Jugendpsychiater an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erklärte er: „Zu der Behandlung von Kindern mit vorzeitiger Pubertät mit Pubertäts­blockern gibt es eine Fallstudie, wonach sich der IQ der Betroffenen messbar verschlechtert hat. Das war auch bei Beendung der Behandlung nicht reversibel.“

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