Papst Johannes Paul II. wird heilig gesprochen Der lange Weg zur Heiligkeit

Rom · Am Sonntag wird Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen. Wie viele Heilige es eigentlich gibt, weiß die Kirche selbst nicht so genau. Eine letzte Auflistung ermittelte rund 6650 Heilige und Selige sowie 7400 Märtyrer. Das Verfahren der Heiligsprechung ist langwierig – es gibt aber Sonderwege und Ausnahmen. Ein kleiner Wegweiser.

Feierlichkeiten zur Heiligsprechung von Johannes Paul II.
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Feierlichkeiten zur Heiligsprechung von Johannes Paul II.

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Am Sonntag wird Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen. Wie viele Heilige es eigentlich gibt, weiß die Kirche selbst nicht so genau. Eine letzte Auflistung ermittelte rund 6650 Heilige und Selige sowie 7400 Märtyrer. Das Verfahren der Heiligsprechung ist langwierig — es gibt aber Sonderwege und Ausnahmen. Ein kleiner Wegweiser.

"Santo subito" ("Heilig, sofort") forderten Gläubige bei den denkwürdigen Beerdigungs-Feierlichkeiten für Johannes Paul II. am 8. April 2005 auf dem Petersplatz in Rom. Doch "subito", "sofort" geht nichts in der Römischen Weltkirche. Schon gar nicht üblich ist eine Heiligsprechung per Akklamation. Im Vatikan gilt seit Jahrhunderten die Devise: Päpstliche Mühlen mahlen langsam, aber gründlich. Nicht wenigen erscheint bereits der neunjährige Prozess zur Heiligsprechung des Polen auf dem Stuhl Petri als Zeichen vatikan-untypischer Hast.

Wie geht die Heiligsprechung am Sonntag in Rom vonstatten?

Anders als bei Seligsprechungen, die seit dem Pontifikat Benedikts XVI. (2005-2013) in der Regel vom Präfekten der vatikanischen Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse vorgenommen werden, sind Heiligsprechungen (Kanonisierungen) ausschließlich dem Papst vorbehalten. Franziskus wird also morgen eine liturgische Feier, ein Festhochamt vor der weltberühmten Basilika über dem Grab des Heiligen Petrus zelebrieren. Auf dem Petersplatz — der etwa 100.000 Menschen aufnehmen kann — der breiten Zufahrtsstraße Via della Conciliazione und in den angrenzenden engen Straßen und Plätzen werden neben zahlreichen prominenten Gästen (aus Deutschland wird unter anderem Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles erwartet, die eine überzeugte Katholikin ist) Hunderttausende, wahrscheinlich ein paar Millionen Menschen aus aller Welt die Zeremonie verfolgen. Wie üblich bei riesigen vatikanischen Ereignissen sind zusätzlich viele große Bildschirme am Rand des Platzes aufgestellt.

Mai 2011: Die Seligsprechung von Papst Johannes Paul II.
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Mai 2011: Die Seligsprechung von Papst Johannes Paul II.

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Wie lautet die Heiligsprechungs-Formel, die Papst Franziskus sprechen wird?

"Zu Ehren der allerheiligsten Dreifaltigkeit, zum Ruhm des katholischen Glaubens und zur Förderung des christlichen Lebens entscheiden Wir nach reiflicher Überlegung und Anrufung der göttlichen Hilfe, dem Rat vieler unserer Brüder folgend, kraft der Autorität unseres Herrn Jesus Christus, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und in der Vollmacht des Uns übertragenen Amtes, dass der selige Johannes Paul II. (desgleichen für: der selige Johannes XXIII.) ein Heiliger ist. Wir nehmen ihn in das Verzeichnis der Heiligen auf und bestimmen, dass er in der gesamten Kirche als Heiliger verehrt wird. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes."

Worin unterscheiden sich Selige und Heilige?

Wie oben in der Kanonisations-Formel beschrieben, werden Heilige, die im Gebet angerufen werden können, in der gesamten Weltkirche verehrt; Selige lediglich auf der Ebene ihrer früheren Wirkungsstätte. Der Heiligsprechung muss in aller Regel die Seligsprechung als Vorstufe der Heiligkeit vorausgehen. Johannes XXIII. wurde im Jahr 2000, Johannes Paul II. elf Jahre später selig gesprochen.

Ist tatsächlich neben dem peniblen Beleg eines tugendhaften Lebens stets noch der Nachweis eines Wunders erforderlich, bevor jemand kirchenrechtlich "zur Ehre der Altäre" erhoben wird?

Bei christlichen Märtyrern, die ihre Glaubensfestigkeit mit ihrem Leben bezahlt haben, wird seit alters her auf den Wunder-Nachweis verzichtet. Bei Nicht-Märtyrern wie den Päpsten Johannes XXIII. und Johannes Paul II. ist sowohl vor der Selig- als auch vor der Heiligsprechung jeweils mindestens ein Wunder-Nachweis zu erbringen. Allerdings hat der Papst als letzte und höchste Entscheidungsinstanz in der katholischen Kirche das Recht, eine Kanonisierung auch ohne Wundernachweis vorzunehmen. Beim Konzilspapst Johannes XXIII. hat Franziskus von diesem Recht Gebrauch gemacht.

Wie kommt es zur Heiligsprechung?

Sie ist immer erst nach dem Tod des Kandidaten oder der Kandidatin möglich. In der Regel dauert das ausgetüftelte Procedere einige Jahrzehnte, siehe Johannes XXIII., der bereits 1963 gestorben ist. Dass Johannes Paul II. schon neun Jahre nach seinem Tod am 2. April 2005 ein Heiliger wird, ist äußerst ungewöhnlich; Vergleichbares kam ganz selten in der Kirchengeschichte vor. Am Anfang des kirchenrechtlichen Prozesses steht ein Antrag der Diözese. Wenn der Apostolische Stuhl daraufhin eine Unbedenklichkeits-Erklärung abgibt, kommt das Prüfverfahren in Gang. Ein Postulator sichtet und sammelt alles aus dem Leben des Kandidaten, Geschriebenes und Gesprochenes, sein Tun und sein Unterlassen.

Das Resultat gründlicher Prüfung geht an die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse. Diese prüft erneut, ob der Kandidat von heroischem Tugendgrad gewesen ist. Auch der Wundernachweis muss jetzt erbracht werden; meist handelt es sich bei entsprechenden Berichten um medizinisch nicht erklärbare Heilungen nach Anrufung des Kandidaten im Gebet. Unabhängige Ärzte werden zur Prüfung hinzugezogen. Außerdem setzt ein Für und Wider die Selig-/Heiligsprechung ein. Der Advocatus diaboli argumentiert mit möglichst stichhaltigen Belegen gegen die Kanonisierung, während der offizielle Fürsprecher wiederum versucht, die Argumente des Advocatus diaboli zu widerlegen. Die letzte Entscheidung liegt sodann in den Händen des Papstes.

Gibt es auch Heilige in der evangelischen Kirche?

Gegen Heilige, die den christlichen Glauben stärken können, hatte der Reformator Martin Luther (1483-1546) nichts einzuwenden. Allerdings sah er in der ausgeprägten Heiligenverehrung eine Art Götzendienst. Seiner Meinung nach drohe nämlich die Gefahr, dass die Menschen irgendwann in ihrer Glaubenszuversicht mehr auf die Heiligen setzten als auf Christus selbst. Nach den Worten des Theologen Hans-Martin Barth ist der evangelische Heilige vielmehr ein tapferer Sünder, der sich "im Vertrauen auf Gottes Vergebung in Christus auch eine falsche Entscheidung zu treffen traut". Da die evangelische Kirche die Heiligen — als berühmte Zeugen des Christseins — keineswegs der katholischen Kirche "überlassen" möchte, gibt es offiziell seit 1969 den "Evangelischen Namenkalender" - eine Art Heiligenkalender der Protestanten. Etabliert hat er sich im kirchlichen Leben allerdings nicht.

Wie viele Heilige gibt es?

Gleichwohl die katholische Kirche früh begonnen hat, Heilige aufzulisten und von ihren Leben dokumentierend zu erzählen - als berühmteste und populärste gilt die "Legenda aurea" (Goldene Legende) aus dem 13. Jahrhundert - ist die genaue Zahl heute nicht mehr zu ermitteln. Das liegt auch daran, dass die Form des Heiligenwesen unter Papst Sixtus V. 1588 neu geregelt wurde. Nach einer aktualisierten Zählung aus dem Jahr 2004 gibt es rund 6650 Heilige und Selige sowie 7400 Märtyrer.

Welcher Papst hat die meisten Menschen heiliggesprochen?

Diese Antwort dürfte kaum überraschen, da auch die zahlreichen Heiligsprechungen sein Pontifikat charakterisierten: Papst Johannes Paul II. hat insgesamt 482 Menschen heilig- und 1338 seliggesprochen. Das sind mehr als in den 300 Jahren zuvor. Allerdings hat Papst Franziskus mit einer Massenheiligsprechung neue Dimensionen gesetzt, indem er mit einem Akt 813 Märtyrer aus Otranto heilig und 522 Märtyrer aus dem Spanischen Bürgerkrieg selig sprach.

Wer sind die populärsten Heiligen?

Eine Auswahl zu treffen, verbietet sich fast, da man damit eine Rangliste aufstellen würde. Zudem gibt es in der Heiligenverehrung regionale Unterschiede. Mit Behutsamkeit ist darum die folgende und aus den genannten Gründen bedenkliche Aufzählung der bekanntesten Heiligen zu betrachten: Maria und Josef, die Apostel Petrus und Paulus, Martin von Tours, Augustinus, Bernard von Clairvaux, Benedikt von Nursia, Franz von Assisi, Edith Stein, Hildegard von Bingen, Ignatius von Loyola, Thomas von Aquin, Valentin von Terni, Papst Silvester, Teresa von Avila, Pater Pio, Maximilian Kolbe, Nikolaus von Myra, Johannes Bosco, Johanna von Orléans, Georg und Bonifatius.

(RP)
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