Neapel Franziskus ruft Mafiosi zur Umkehr auf

Neapel · Der Pontifex besuchte am Wochenende Neapel. "Korruption stinkt", rief er im berühmten Elendsviertel Scampia aus.

Papst Franziskus: Tausende begrüßen den Heiligen Vater
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Tausende begrüßen Heiligen Vater in Neapel

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Neapel ist eine wundergläubige Stadt. Das gilt für den Fußball ebenso wie für religiöse Angelegenheiten. Die Bewohner der Stadt mussten es also als ein Zeichen des Himmels werten, dass sich am Samstag kurz nach 16 Uhr das Blut des San Gennaro, des Heiligen Januarius, verflüssigte. Papst Franziskus hatte soeben im Dom den Schrein mit der Ampulle unter den ungeduldigen Blicken des Erzbischofs von Neapel, Kardinal Crescenzio Sepe, geküsst. Sepe verkündete dann das Wunder, dessen Einzelheiten kaum jemand außer ihm zu Gesicht bekam. "Das Blut von San Gennaro hat sich bereits zur Hälfte verflüssigt", sagte er.

Witzbolde aller Art machten sich anschließend über dieses halbe Wunder lustig. Zu ihnen zählte auch Franziskus selbst, der ironisch folgerte: "Der Heilige mag uns also nur zur Hälfte gerne, das ist ein Zeichen dafür, dass wir uns noch mehr bekennen müssen." Der neapolitanische Klerus lieferte bald darauf die erleichternde Nachricht: Das Blut in der Ampulle, das sich eigentlich nur dreimal im Jahr verflüssigt, sei nun ganz aufgelöst. Die neunstündige Symbiose des aus Argentinien stammenden Jorge Mario Bergoglio (78) und der Stadt Neapel hatte da ihren spirituellen Höhepunkt erfahren. Schließlich hatte sich das Heiligenblut weder 1990 beim Pastoralbesuch Johannes Paul II. noch 2007 bei der Visite Benedikt XVI. verflüssigt.

Franziskus' eintägiger Besuch hatte am Samstagmorgen begonnen. Der Papst war mit dem Hubschrauber beim Madonnen-Heiligtum von Pompeji gelandet und begann seinen Tag am Fuße des Vesuvs mit einer Andacht. Anschließend begab er sich in den Vorort Scampia, ein durch den Bestseller "Gomorrha" von Roberto Saviano bekannt gewordenes Elendsviertel vor den Toren Neapels. Scampia gilt als der größte Drogenumschlagplatz Europas, die Camorra kontrolliert die meisten Straßen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt offiziell bei über 70 Prozent. Franziskus wollte seinen Neapel-Besuch in dieser Gegend beginnen. In einer Ansprache vor Tausenden Menschen beklagte der Papst die schlimmen sozialen Zustände, verurteilte Unmenschlichkeit gegenüber Flüchtlingen und rief im Hinblick auf die Verbindungen von Staat und Organisiertem Verbrechen: "Korruption stinkt. Eine korrupte Gesellschaft stinkt."

Bei der anschließenden Messe mit 60 000 Menschen auf der Piazza del Plebiscito, Neapels Hauptplatz, sprach der Papst die Mafiosi direkt an: "Bekehrt euch zur Liebe und zur Gerechtigkeit!", rief Franziskus. Die Zeit der Befreiung Neapels sei gekommen. "Gott vergibt immer und alles. Es ist möglich, zu einem ehrlichen Leben zurückzukehren." Ein weiterer Schwerpunkt seines Besuch war das Mittagessen mit rund 120 Gefangenen im völlig überfüllten Gefängnis von Poggioreale, darunter ein Dutzend Insassen der Abteilung für Transsexuelle und HIV-Kranke. Bei seinen Reden legte Franziskus immer wieder das vorbereitete Manuskript beiseite und sprach frei.

Bei der Begegnung mit dem neapolitanischen Klerus im Dom von Neapel kam Franziskus auch kurz mit Don Maurizio Patriciello zusammen, einem Priester, der im Kampf gegen illegale Müllverbrennung in Kampanien engagiert ist. Bei seiner Ansprache an die Geistlichen beklagte er unter anderem den "Terrorismus des Geschwätzes". Für Erheiterung sorgte es, als Franziskus im Dom von einem knappen Dutzend aufgeregter Klausurnonnen umringt und beschenkt wurde. Vor dem Rückflug am Abend in den Vatikan kam Franziskus an der Uferpromenade der Stadt noch mit Jugendlichen und Senioren zusammen und antwortete auf Fragen zum Thema Familie. Bei dieser Gelegenheit verurteilte Franziskus unter anderem die Gender-Theorie sowie Euthanasie. Der Besuch fand unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt. Nach Medienberichten waren etwa 3000 Polizisten und Scharfschützen im Einsatz.

(RP)
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