Gastbeitrag Peter Albers Neue Wege gegen frühen Prostatakrebs

Eine große, von Düsseldorfer Urologen geleitete Studie will untersuchen, ob Männer mit 45 oder mit 50 Jahren erstmals ihren PSA-Wert bestimmen lassen sollten. Dieser Blutwert kann Aufschlüsse über ein mögliches frühes Krebsleiden geben.

Düsseldorf Angelina Jolie, eine der "schönsten Frauen der Welt", hat sich vorsorglich beide Brüste amputieren lassen, weil bei der Brustkrebsfrüherkennung eine vererbte Genmutation aufgefallen ist, die für sie ein Risiko von über 80 Prozent bedeutet hätte, Brustkrebs zu bekommen. Ihre Tante ist in der Tat kurz nach der Bekanntwerdung gestorben. Seither wird auch bei Frauen wieder kontrovers über den Nutzen der Früherkennung und ihre Folgen diskutiert. Bei Männern war das immer schon so, auch wenn es bis heute glücklicherweise keine Konstellation gibt, bei der man(n) sich prophylaktisch die Prostata entfernen lassen sollte. Jeder zweite Mann in den USA hingegen kennt seinen PSA-Wert, und viele prominente Männer wie der Irak-General Schwarzkopf, Oskar Lafontaine und Wolfgang Bosbach haben ihre Erkrankung öffentlich gemacht, um für eine Früherkennung oder gar ein "Screening" des Prostatakrebses zu werben. Dazu passt scheinbar gar nicht, dass seit Anfang 2012 in den USA davon abgeraten wird, Prostatakrebs durch eine Bestimmung des PSA-Werts (prostataspezifisches Antigen) im Blut frühzeitig zu erkennen. Die Gesundheitsbehörden kamen in einer Risikoabwägung zum Ergebnis, dass zwar durchaus bedrohliche Karzinome erkannt werden, wenn man den PSA-Test benutzt, dass aber bei einem allgemeinen PSA-Screening zu viele Tumoren entdeckt werden, die für den betroffenen Mann während seines Lebens nicht bedrohlich werden. Stattdessen wird dadurch in einem erheblichen Maße eine Übertherapie wenig aggressiver Karzinome ausgelöst.

Diese Entscheidung der Amerikaner unterstützt die Bedenken vieler Gesundheitspolitiker auch in Deutschland, diesen objektiv gesehen besten Tumormarker in der Onkologie für Früherkennungsmaßnahmen einzusetzen. Mitte Mai 2013 haben sich erneut führende Gesundheitspolitiker und Krankenkassenvertreter in einer Fernsehsendung gegen die Verwendung des PSA-Tests ausgesprochen und diesen Test als "gefährlich" bezeichnet. Was soll man nun als Mann tun, der wissen möchte, ob er Prostatakrebs bekommen wird? Gesetzlich empfohlene und von den Krankenkassen bezahlte Vorsorgeuntersuchungen sehen für den Mann ab 45 Jahren eine Tastuntersuchung der Prostata über den Enddarm vor, aber eben nicht die Bestimmung des PSA-Werts.

In großen Studien, die den Wert des PSA-Screenings untersucht haben, zeigt sich nach nunmehr über zwölf Jahren Laufzeit allerdings, dass die Wahrscheinlichkeit, an einem Prostatakarzinom zu versterben, um über 30 Prozent gesenkt werden kann – und dies bei einem Tumor, der für den Mann nach wie vor die dritthäufigste Todesursache darstellt. Allerdings müssen für diesen Gewinn an Überleben viele Gesunde untersucht werden, bei denen dann auch unnötige Therapien stattfinden (Operation oder Bestrahlung). Dies hat zur anhaltenden Kritik am PSA-Wert geführt. Leider wird in allen Debatten unterschlagen, dass es seit mehreren Jahren einen guten Kompromiss zwischen dem Sicherheitsbedürfnis vieler Männer und dem Schutz vor Übertherapie gibt: die sogenannte frühe PSA-Einmal-Bestimmung (Baseline-PSA) im Alter von 40 bis 50 Jahren. Anhand dieses einmalig bestimmten Werts lässt sich schon relativ genau ablesen, ob ein Patient ein hohes Risiko hat, an Prostatakrebs zu erkranken (dies betrifft in dieser Altersgruppe etwa acht bis zehn Prozent der Gesunden), oder ob er ein niedriges Risiko hat, das dann natürlich wesentlich weniger häufige PSA-Tests bedeutet. In dieser Niedrig-Risiko-Gruppe befinden sich über 90 Prozent der Männer. Diese individuelle und sogenannte risiko-adaptierte Prostatakrebsfrüherkennung vermeidet in hohem Maße eine Übertherapie, filtert aber sehr früh wirklich Gefährdete heraus, die dann auch noch in einem heilbaren Stadium des Krebses mit Langzeitheilung behandelt werden können. Die Empfehlungen zum risiko-adaptierten PSA-Screening stehen seit Langem in den Behandlungsleitlinien zum Prostatakrebs, die auch von Selbsthilfegruppen und Patientenverbänden verfasst wurden. Dass diese intelligente Form der PSA-Nutzung richtig ist, belegt die Deutsche Krebshilfe (DKH), die auch unter Mithilfe leitender Ärzte des kritischen IQWiG (Qualitäts-Institut des deutschen Gesundheitswesens in Köln) die weltweit größte Studie zum risiko-adaptierten PSA-Screening mit vielen Millionen Euro fördert, um die genaue Wertigkeit des Baseline-PSA zu prüfen. Die Studie untersucht bei Männern im Alter von 45 Jahren die Vorhersagekraft des Baseline-PSA Werts und prüft, ob ein risiko-adaptiertes Screening bereits mit 45 Jahren oder doch vielleicht erst mit 50 Jahren begonnen werden sollte. Wenn die Hypothese des Baseline-PSA-Werts stimmt, dann bräuchten 90 Prozent der Männer idealerweise nur zwei bis drei PSA-Werte im Alter zwischen 50 und 60 und könnten damit sicherstellen, kein Prostatakarzinom im Alter zu entwickeln. Bereits in den ersten fünf Jahren dieses Protokolls werden Erkenntnisse zum frühen und gefährlichen Prostatakrebs eruierbar sein, die die Früherkennungsdebatte beeinflussen werden. Eine intelligente Nutzung des PSA-Werts könnte für den einzelnen Patienten die Sicherheit bedeuten, nicht am Prostatakrebs zu sterben.

Die Studie startet noch 2013 in den Studienzentren Heidelberg (Deutsches Krebsforschungszentrum/Urologie), München (Urologie der Technischen Universität), Hannover und Düsseldorf, wobei die Urologie des Düsseldorfer Universitätsklinikums die Leitung der Studie übertragen bekommen hat.

Unser Autor Professor Peter Albers ist Direktor der Urologischen Universitätsklinik Düsseldorf.

(RP)
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