Größtes Vogelsterben seit Untergang der Dinosaurier Neue Rote Liste vorgestellt

Bonn/Washington (rpo). Forscher verzeichnen bei Vögeln einen solch dramatischen Artenrückgang wie seit den Tagen der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren nicht mehr. Dies berichtet das Worldwatch Institute in einer in Washington vorgestellten Studie.

In Deutschland seien sogar die Zahlen von Spatz, Mehlschwalbe und Feldlerche gesunken, berichteten Natur- und Vogelschützer am Donnerstag in Bonn mit Verweis auf die neue Rote Liste der Brutvögel.

Laut Worldwatch Institute werden weltweit zwölf Prozent der Vögel - fast 1200 Arten - wahrscheinlich noch in diesem Jahrhundert aussterben. In der Untersuchung "Winged Messengers: The Decline of Birds" (Geflügelte Boten: Der Niedergang der Vögeln) heißt es weiter, dass 99 Prozent der am schlimmsten bedrohten Vogelarten unter Faktoren leiden, die vom Menschen beeinflusst sind. Doch geht es nicht nur um die gefiederten Freunde des Menschen, sondern um diesen selbst. "Vögel sind wertvolle Indikatoren für die Lage der Umwelt. Mit ihrem Gedeih oder Verderb weisen sie auf Probleme, die auch dem Menschen bevorstehen", schreibt Studienautor Howard Youth.

In Deutschland sei sowohl die Zahl der stark gefährdeten Arten als auch die der Vögel auf der so genannten Vorwarnliste gestiegen, sagte der Vizepräsident des Naturschutzbundes (NABU), Helmut Opitz. "Das ist die bittere Quittung für den sorglosen Umgang mit unserer heimischen Natur."

Hälfte aller Vogelarten als gefährdet eingestuft

Mehr als die Hälfte aller Vogelarten wird nach den Erhebungen inzwischen als gefährdet eingestuft (110 Arten) oder weist Besorgnis erregende Bestandsverluste (31 Arten) auf. Als ungefährdet gelten noch 113 von insgesamt 254 Arten. Die dritte Rote Liste nach der Wiedervereinung hatten NABU, der Deutschen Rat für Vogelschutz (DRV) und der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) erarbeitet.

Die negativen Bestandsentwicklungen machten selbst vor ehemals häufigen Arten wie dem Spatz (Haussperling) und der Mehlschwalbe nicht halt, berichteten die Verbände. Es sei zu befürchten, dass manche dieser Allerweltsarten schon innerhalb der nächsten zehn Jahre in ihrem Bestand gefährdet seien, wenn der negative Trend nicht durch gezielte Schutzmaßnahmen gestoppt werde.

Enten, Greifvögeln und Eulen legten zu

"Die stärksten Bestandsrückgänge haben Wiesenbrüter wie Kiebitz, Uferschnepfe und Bekassine erlitten", sagte Hans-Günther Bauer, Präsident des DRV und Vorsitzender des Rote-Liste-Gremiums. Ähnlich sei es einer Reihe weiterer Feldvogelarten wie dem Rebhuhn oder der Feldlerche ergangen. Hauptursachen dafür seien die seit Jahrzehnten erfolgte Intensivierung und Technisierung der Landwirtschaft und die ökologischen Folgen der Überdüngung und Ausräumung der Landschaft.

Bei einigen Enten, Greifvögeln und Eulen sind dagegen die Bestände um teilweise über 20 Prozent im Vergleich zu 1975 gestiegen. Bei den Greifvögeln habe die Jagdverschonung zur Verbesserung beigetragen, erläuterte Klaus Witt vom DDA. Arten wie Schleiereule oder Wanderfalke profitierten von Artenhilfsmaßnahmen.

Pestizide töten jährlich Millionen Vögel

Weltweit sind die Vögel laut Worldwatch Institute in erster Linie wegen des Verlustes ihres Lebensraumes durch das Abholzen von jährlich 50.000 bis 170.000 Quadratkilometern Waldfläche bedroht: Dies gefährdet das Überleben von 85 Prozent der am meisten bedrohten Vogelarten und wird selten durch ein neues Aufforsten ausgeglichen.

Pestizide töten der Studie zufolge jährlich Millionen Vögel auf dem Land und im Wasser. Der illegalen Jagd für seltene Vogelarten fallen jährlich ebenfalls Millionen zum Opfer. Einige Vögel werden durch überlange Fischfangleinen getötet andere durch Klimaveränderungen aus der Bahn geworfen oder verlieren durch sie ihren Lebensraum.

Dem dramatischen Verlust der Artenvielfalt können nach Überzeugung des Studienautors Youth nur international koordinierte Maßnahmen Einhalt gebieten. Außerdem müsse dafür gesorgt werden, dass bereits bestehende Gesetze in Zukunft strikter befolgt werden.

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