Getränketrend Neue Limo zwischen Retro und Bio

Erfolgreiche Großkonzerne bekommen Konkurrenz: Kleine Labels schaffen es auf die Getränkekarten - mit nachhaltigen und exotischen Produkten.

Retro-Designs, Bio-Inhalte, überraschende Geschmacksrichtungen - und dann wird auch noch nachhaltig produziert. Die junge Limonaden-Generation ist das Gegenteil von dem, was in den vergangenen Jahrzehnten marktbeherrschend war. Coca Cola, Pepsi und Red Bull sind längst nicht mehr die In-Getränke. Wer sich auf Festivals rumtreibt oder in Szene-Kneipen in den deutschen Großstädten, für den sind Fritz Rhabarber-Schorle, Thomas Henry Elderflower oder Kräuter-Bionade die Durstlöscher der Wahl. Seit einigen Jahren drängen kleinere Limo-Labels auf den Markt.

"Es kommen ständig neue Produkte", sagt Sepp Gail, Vorsitzender des Verbandes des Deutschen Getränke-Einzelhandels. "Einige davon sind Eintagsfliegen, andere setzen sich auf dem Markt durch." Eine Eintagsfliege, wenn man sie so nennen kann, ist die Aloha Surfsoda. Sechs Jahre lang wurde die Brause mit dem Beach-Design verkauft, dann war Schluss. "Viele junge Leute wollen auf den Zug aufspringen und die zweite Bionade werden", sagt Gail. Doch das sei nicht einfach.

Mittlerweile gehört die Bionade zur Radeberger-Gruppe, da das ursprüngliche Label mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Mit Beginn der ersten Bio-Welle entwickelte der inzwischen verstorbene Braumeister Dieter Leipold Ende der 80er die Kräuter-Alternative zur herkömmlichen Limo - doch keiner wollte das Produkt kaufen. Ein Hamburger Großhändler wurde aufmerksam und brachte das Getränk in seine Kneipen. "Plötzlich wollten alle Bionade trinken", sagt Gail, "und das Getränk begann seinen Siegeszug durch Deutschland." Doch der Erfolg kommt zu schnell, Leipold investiert in die Produktion, die rasant steigt, hebt die Preise aber nicht an. Dabei wäre das kein Problem gewesen, sagt Gail, denn die Konsumenten waren die Jungen und Kreativen mit guten Jobs. "Als dann doch der Preis rasant stieg, war die Bionade als kommerziell abgestempelt und die Absatzzahlen sanken rapide."

Denn die junge Limo darf nicht kommerziell sein. Der Trend spielt sich nicht im Einzelhandel ab, sondern in den Kneipen. Wer Fritz Kola trinken möchte, bekommt sie außerhalb Hamburgs und Bremens nur selten im Supermarkt zu kaufen. Die meisten Labels sind nur regional vertreten und tauchen überregional fast ausschließlich auf Festivals und Food-Markets auf. Neben München und Berlin gilt Hamburg als heimliche Hauptstadt der Trendlimos. Dort werden etwa Produkte wie Lemonaid, Fritz, N8Cap und Herbal Moskow produziert.

Doch nicht nur ihre Exklusivität macht die Trendlimos so begehrt. Lemonaid etwa macht das Produkt zu einer Kampagne. Es reicht nicht, dass die Zutaten aus fairem Handel kommen, die Rohwaren biologisch angebaut sind und von zertifizierten Kleinbauernkooperativen stammen. Mit "Lemonaid & ChariTea" fließt ein Teil des Gewinns in nachhaltige Projekte. "So kamen bislang mehr als 740 000 Euro zusammen, die dem Verein für unterschiedliche Entwicklungshilfeprojekte zur Verfügung stehen", heißt es vom Unternehmen. Große Firmen gelten nicht als Konkurrenten. "Wir machen etwas ganz anderes, haben ganz andere Konzepte", heißt es von Neumarkter Lammsbräu, Hersteller der Now Limonade.

Doch alle guten Taten helfen nicht, wenn es dem Konsumenten nicht schmeckt. Der hat zum Glück für die Limo-Labels zu einem neuen Geschmack gefunden: Es soll nicht mehr die süße, dick machende Limonade sein. Weniger Zucker, Bio-Zutaten und die Mischung mit Direktsäften treffen den aktuellen Zeitgeist. Die meisten Bio-Produkte kommen nicht nur ohne Konservierungsstoffe und Aromen aus, sie sind auch vegan, enthalten also keine tierischen Zusätze für die Klärung der Säfte. Und weil der informierte Verbraucher auf Ehrlichkeit steht, wird Transparenz bei den jungen Limos groß geschrieben. Etwa bei der veganen Now Limonade: "Das einzige tierische Material, das wir verwenden, ist der für die Etikettierung verwendete Leim aus Casein (tierisches Erzeugnis von der Kuh). Leider gibt es derzeit keine für uns gängigen Alternativen." Die Geschmacks- richtungen müssen facettenreich sein: Mango, Kirschblüte, Bergamotte. Gesüßt wird mit Bio-Rohrzucker.

Dass grün und gesund im Trend liegt, hat auch die Coca Cola Company verstanden und versucht es mit seiner Stevia-Variante - die allerdings unlängst als genauso ungesund wie das Original enttarnt wurde. Haben die althergebrachten Sorten also bald gar nichts mehr zu melden? Nein. Dazu ist die Reichweite der Trendlimos einfach zu gering. In der hippen Gastro-Szene können die Getränkeriesen jedoch nur noch punkten, wenn sie Nostalgie hervorrufen. So hat Coca Cola seine Fanta in der 0,2-Liter Retro-Flasche neu aufgelegt. Dass Revival funktionieren, zeigt das Beispiel Afri Cola und Bluna Limonade. Die Produkte, heute aus dem Hause Mineralbrunnen Überkingen-Teinach (Köln), gibt es seit den 30er (Afri) und 50er (Afri) Jahren. Sie galten als die Kultlimos und haben es nach einem Markenrelaunch auf der Beliebtheitsskala wieder ganz nach oben geschafft.

(RP)
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