Neue Richtlinien zur Ernährung Was darf man eigentlich noch essen?
Kassel · Weniger Fleisch, mehr Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte: Um sich gesund und dabei umweltschonend zu ernähren, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung mehr pflanzliche Lebensmittel. Die wichtigsten Ratschläge im Überblick.
Ernährung folgt seit Menschengedenken archaischen Regeln, deren oberste lautet: Was ich mag, das ess ich auch. Da spielen neurobiologische und psychologische Komponenten eine Rolle, die sich mancher nicht klarmacht, wenn er abends zu Chips und morgens zur Leberwurst greift. Doch ist alles ungesund, was man an geliebten Nahrungsmitteln zu sich nimmt? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat sich nun mit neuen Empfehlungen zu Wort gemeldet, wie gesundes Essen beschaffen und komponiert sein sollte. Hier die wichtigsten Thesen:
Was ist die oberste Maxime?
„Wir empfehlen, bunt und gesund zu essen und dabei die Umwelt zu schonen. Dazu empfehlen wir eine pflanzenbetonte Ernährung“, sagt Anne Carolin Schäfer, Ernährungswissenschaftlerin im DGE-Referat Wissenschaft, in Kassel. Wichtig ist der Aspekt der Vielfalt und die Abkehr von Einseitigkeit. Wer am liebsten täglich Nudeln isst, sollte überlegen, wie er sie stets neu anrichtet und zu einem gesunden Essen komponiert.
Wie viel Wurst und Fleisch sind gesund?
Erwachsene sollten in der Woche höchstens 300 Gramm Fleisch und Wurst essen. Zum Vergleich: Eine Bockwurst wiegt meist um die 100 Gramm. Zuvor war von 300 bis 600 Gramm in der Woche die Rede. Es wird also zu weniger davon geraten. Alle aktuellen Studien sagen: Wer täglich eine Portion rotes Fleisch isst, dessen Sterberisiko steigt um 13 Prozent. Wer täglich verarbeitetes Fleisch isst, steigert das Sterberisiko sogar um 20 Prozent.
Wie wichtig sind Nüsse?
Sehr wichtig. Jeden Tag sollte man Nüsse essen. Sie senken den Blutfett-Spiegel und schützen unter anderem vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Sogar bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma und Schuppenflechte können Nüsse helfen. Die DGE empfiehlt, pro Tag bis zu 25 Gramm Nüsse zu essen, das entspricht einer kleinen Handvoll. Gesund sind sie vor allem ungesüßt und ungesalzen. Zu viel Salz kann zu Bluthochdruck führen. Wenn man sie erhitzt, zerstört das viele Vitamine und Fettsäuren. Allerdings enthalten Nüsse auch viele Kalorien, das sollte gesunde Ernährung stets berücksichtigen.
Und was ist mit Hülsenfrüchten?
Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen werden mit einer eigenen Empfehlung stärker hervorgehoben. Neben den vielen Nährstoffen enthalten Hülsenfrüchte je nach Sorte mehr oder weniger Stärke (Kohlenhydrate) und Fette. Auch der Gehalt an Ballaststoffen macht sie gesundheitlich wertvoll. Sie bringen eine lange Sättigung und gesundheitsförderliche Eigenschaften mit sich, unter anderem unterstützen sie die Verdauung. Darüber hinaus sind sie reich an sekundären Pflanzenstoffen, darunter sogenannte Alkaloide, Saponine und Isoflavone. Ihnen werden verschiedene gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben. Sie sollen beispielsweise das Risiko für verschiedene Krebsarten senken.
Was gilt dabei für Kinder?
Eine Sprecherin der Gesellschaft erklärt: Auch Kinder sollten versuchen, Nüsse und Hülsenfrüchte zu essen.
Wie ist es mit Milchprodukten und Eiern?
Die überarbeiteten Richtlinien berücksichtigen beispielsweise täglich zwei Portionen Milch und Milchprodukte, das ist eine Portion weniger als bei den vorherigen Empfehlungen. Zudem ist es laut DGE ausreichend, wöchentlich maximal 300 Gramm Fleisch und Wurst sowie ein Ei, etwa zum Frühstück, zu essen. Bei Eiern ist die Datenlage allerdings unklar, denn andere Studien sagen, dass Eier das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt sogar senken können.
Und was sagen die Experten zu Fisch?
Beim Fisch bleibt es bei ein bis zwei Portionen wöchentlich.
Wie ist es generell mit Obst und Gemüse?
Diese beiden Säulen der Ernährung stellen auch weiterhin die mengenmäßig wichtigste Gruppe dar. Die Empfehlung, fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu essen, bleibt. Allerdings entfallen die ergänzenden einzelnen Portionsangaben von drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst.
Wie ist die Position bei Zucker?
Hierzu gibt es keine Änderungen zu bisherigen Empfehlungen. Die DGE empfiehlt weiterhin eine maximale Zufuhr freier Zucker von weniger als 10 Prozent der Gesamtenergiezufuhr aus. Bei einer Gesamtenergiezufuhr von 2000 Kalorien pro Tag bedeutet das eine maximalen Zufuhr von 50 Gramm freiem Zucker pro Tag. Dazu zählen Monosaccharide und Disaccharide, die Hersteller oder Verbraucher Lebensmitteln zusetzen sowie in Honig, Sirupen, Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten natürlich vorkommende Zucker. Eine hohe und häufige Zuckerzufuhr fördert die Entstehung von Übergewicht und Adipositas sowie zahlreiche mit Übergewicht assoziierte Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 und kardiovaskuläre Erkrankungen und die Entstehung von Karies. Gesundheitsfördernd ist eine zuckerarme Ernährung.
Worauf basieren die neuen Richtlinien?
Laut DGE beruhen sie auf einem neu entwickelten mathematischen Optimierungsmodell, das die Gesellschaft mit Unterstützung von Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen entwickelt hat. Sie gelten für gesunde Erwachsene in Deutschland im Alter von 18 bis 65 Jahren, die sowohl pflanzliche als auch tierische Lebensmittel essen. Die Empfehlungen richten sich laut DGE immer an die gesunde Allgemeinbevölkerung, also Personen ohne besondere Bedürfnisse oder Ansprüche an die Ernährung.
Warum ist der ökologische Aspekt so wichtig?
Gesunde Ernährung und Umwelt müssten zusammen gedacht werden, betont DGE-Präsident Bernhard Watzl. Die neuen Richtlinien der DGE berücksichtigten daher neben der Empfehlung zu einer gesunden Ernährung gleichzeitig auch Aspekte wie Nachhaltigkeit, Umweltbelastung sowie die in Deutschland üblichen Verzehrgewohnheiten. Eine gesundheitsfördernde und ökologisch nachhaltige Ernährung besteht demnach zu mehr als drei Vierteln aus pflanzlichen Lebensmitteln und zu knapp einem Viertel aus tierischen Lebensmitteln. Der Anteil tierischer Lebensmittel fällt damit geringer aus als bisher.