Düsseldorf/St. Moses wird im Musical zum Popstar

Düsseldorf/St. · Die Schweizer feiern die Uraufführung mit Musik des Düsseldorfers Dieter Falk.

Gallen Was für eine kühne Idee, Moses als Popstar auf die Bühne zu bringen, den biblischen Stoff als Musical zu produzieren: Dieter Falk, Produzent und Komponist aus Düsseldorf, hat sich das zugetraut. Mehr als 40 Popsongs hat er dazu aufgeschrieben. Der bekannte deutsche Liedtexter Michael Kunze fungierte als Silbenschmied. Das dreistündige Werk wurde jetzt im ausverkauften St. Galler Theater uraufgeführt. Am Ende gab es Jubel.

In der Kantonshauptstadt der Ostschweiz kannte so gut wie jeder das Thema der Welturaufführung. Im schneeweißen Stadtbild fallen riesige Werbebanner ins Auge. Der deutsche Musicalexport ist präsent und buchstäblich in aller Munde. Beschriftete Kekse gibt es, die als Tafeln mit den zehn Geboten gebacken wurden. Selbst in den Restaurants der Stadt tragen die Menüs Bezeichnungen aus der Bibel. Eine Woche lang lief im regionalen Fernsehprogramm täglich ein Moses-Vorgucker. So funktioniert Musical: mit riesigem Werbeaufwand und perfekter medialer Begleitung.

Das neue Stück ist eine Weiterentwicklung des Oratoriums "Die Zehn Gebote", das Falk für "Ruhr 2010" im Auftrag der Evangelischen Kirche komponierte. Dass es nicht in NRW, sondern in der Schweiz eingerichtet wurde, liegt an Theaterdirektor Werner Signer. Er hat den Düsseldorfer zu "Moses" animiert und ihn eingeladen, an seinem Haus das Stück zu realisieren. Signer ist Musicalfreund, er weiß, dass er mit Unterhaltung sein Haus füllt. Die Schweizer stehen der leichten Muse wohlwollend gegenüber. Das Programmheft ist 38 Seiten dick und besteht zu zwei Dritteln aus Anzeigen. Banken und große Unternehmen haben am Abend VIP-Lounges eingerichtet, in denen sie ihre Kunden verwöhnen. Schon die ausverkaufte Preview war mit Firmenempfängen garniert. So wird das weitergehen während des En-suite-Betriebes – ein Sponsorenmodell, von dem Theater hierzulande träumen.

Rundherum eingestimmt waren also die Premierengäste auf die Show, die einen künstlichen Bühnenzauber entwickelt. Die Geschichte von "Moses", der das Volk der Israeliten ins Gelobte Land führt, wird grellbunt beleuchtet und mit Videos auf Kulissen gemalt – eine Art "Moses in Wonderland". Licht-, Video- und Sounddesigner arbeiten im Produktionsteam des britischen Musicalspezialisten Martin Duncan, der Regie führt. Eine elfköpfige "Moses"-Band spielt live, der mitunter bombastische Klangteppiche zugemischt werden.

Das Musical beginnt ohne Ouvertüre, die Songs für Solisten und Chor sind übergangslos aneinandergeschnitten. Klar ist die Erzählung zu vernehmen, die sich nur nicht immer rund in den deutschen Sprachrhythmus fügen will. Falks Musik ist eingängig, Ohrwürmer sind ihm nicht eingefallen, viele Harmoniefolgen und Motive kommen einem bekannt vor. Das ist – bei allem Premierenjubel – keine gute Voraussetzung für das Musical, weitere Bühnen zu erobern.

Die Titelfigur hat sich der Autor wie James Dean vorgestellt. So liest man's im Programmheft. Deshalb wundert es, dass Moses ganz ohne Charisma dasteht, stattdessen als zweifelnder Einzelkämpfer losgeschickt wird. Lukas Hobi bleibt mit seinem Spiel und dünner Stimme blass. Viel dominanter ist Ziporah, die von der Sängerin Sophie Berner hinreißend dargestellt wird.

Die Bibel gilt als "Urquelle" unserer Erzählkultur, sicher ist Moses' Geschichte eine Neuentdeckung wert. Doch in Sankt Gallen ist man zu harmlos an den Stoff herangegangen, hat ohne Einordnung nacherzählt. Musikalisch trifft Rockpop auf symphonisches Brausen, etwas Gospel dazu gemixt – fertig.

Der Stoff ist reizvoll. Doch die Chance einer publikumswirksamen Verkündigung wurde hier vertan.

(RP)
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