Düsseldorf Massive Folgeschäden für EHEC-Kranke befürchtet

Düsseldorf · Gurken, Tomaten und Salat sind mittlerweile als Überträger der "enterohämorrhargischen Escherichia Coli" (EHEC) ausgeschlossen. Die verantwortlichen Experten gehen davon aus, dass die Darm-Keime von Sprossen stammen. Am Freitag war es in NRW erstmals gelungen, den gefährlichen EHEC-Typ O104 auf Sprossen aus dem verdächtigen Betrieb im niedersächsischen Bienenbüttel nachzuweisen. Die Packung Sprossen fand sich in der Mülltonne einer dreiköpfigen Familie aus Königswinter bei Bonn. Mutter und Tochter waren Mitte Mai an den EHEC-Keimen erkrankt. Der Vater, der keine Sprossen gegessen hatte, blieb gesund.

Saatgut Bislang ist aber unklar, ob der Erreger vom Typ O104 durch verunreinigtes Saatgut oder durch infizierte Mitarbeiter auf die Sprossen gelangt ist. Deswegen sind auch selbstgezüchtete Sprossen möglicherweise gefährlich: Bei einer Familie aus Niedersachsen besteht der Verdacht, dass sie durch ihre selbst angebauten Keimlinge krank geworden ist. Bislang hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) allerdings noch keine EHEC-Bakterien im Saatgut gefunden.

Krisenmanagement SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert unterdessen einen neuen Umgang mit der Meldepflicht von EHEC-Infektionen. Im Moment würde es bis zu einer Woche dauern, bis das Robert-Koch-Institut (RKI) über eine Infektion informiert ist. In der Zeit können sich zahlreiche weitere Menschen anstecken. Die Kliniken müssten in Zukunft jeden EHEC-Fall direkt per Mail an das RKI melden. Auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) fordert ein besseres Meldeverfahren: "Ich kann nicht verstehen, warum die heutigen technischen Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft werden. Hier muss die Kommunikation schneller werden."

Ausmaß Bislang sind laut RKI 3228 Menschen an EHEC oder der schweren Form, dem "hämolytisch-urämischen Syndrom" (HUS), erkrankt. Die meisten Patienten sind weiblich und über 20 Jahre alt. Es handele sich um einen der weltweit größten bislang beschriebenen Ausbrüche von EHEC beziehungsweise HUS und den bislang größten Ausbruch in Deutschland. Seit Anfang Mai sind 35 Menschen an der Infektion gestorben.

Gesundheitliche Folgeschäden Zwar erholt sich der Großteil der Patienten von der Infektion wieder. Doch einige, vor allem die an der schweren Form erkrankt waren, werden Folgeschäden davon tragen. "Etwa 100 Patienten sind so stark nierengeschädigt, dass sie ein Spenderorgan brauchen oder lebenslang zur Dauerdialyse müssen", schätzt Lauterbach.

Ökonomische Folgeschäden Die Bauern in Deutschland haben enorme Einbußen verzeichnet, weil für mehr als zwei Wochen die Warnung vor dem Genuss von rohem Salat, Tomaten und Gurken aufrechterhalten wurde. Der Bio-Hof in Bienenbüttel, von dem die verseuchten Sprossen stammen, hat wohl keine juristischen Konsequenzen zu fürchten. "Nach allen bisherigen Erkenntnissen wurde auf dem Betrieb nichts falsch gemacht", sagte der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gerd Lindemann.

Schutz Wer nicht auf den Verzehr von Sprossen verzichten will, sollte diese abkochen. Dabei müssen die Keimlinge für zwei Minuten eine Kerntemperatur von 70 Grad Celsius erreichen. Praktisch wären das etwas zehn Minuten in der Pfanne oder dem Kochtopf. Experten warnen vor unseriösen Verfahren, um die Keime abzutöten. Im Internet kursieren beispielsweise Silbersprays, die angeblich die EHEC-Bakterien umbringen sollen. Einerseits sei nicht nachgewiesen, dass diese Methode funktioniert, so die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Andererseits sei es möglich, dass die Silberpartikel selbst gesundheitsschädlich sind.

(RP)
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