Düsseldorf Leonardo da Vinci: Die seltsame Hand der "Dame mit dem Hermelin"

Düsseldorf · Auch große Künstler sind nur Menschen und deshalb fehlbar. Was beim Malen alles schiefgehen kann, davon handelt ein amüsantes Bildbändchen mit dem Titel "Das sieht doch keine Sau . . . Große Kunst mit kleinen Fehlern", das soeben im Belser-Verlag erschienen ist (64 S., 16,95 Euro).

Nicht immer allerdings ist, was falsch aussieht, tatsächlich ungewollt. Werfen wir nur einen Blick auf Leonardo da Vincis Bild "Die Dame mit dem Hermelin", das jüngst Höhepunkt der großen Berliner Renaissance-Schau war. Die Hand des Mädchens ragt so gewaltig ins Bild, dass man glaubt, sie stamme von einem Erwachsenen. In der Tat wollte Leonardo, so erläutert Thomas R. Hoffmann in seinem Buch, durch die übergroße Hand darstellen, dass die abgebildete Cecilia zu jenem Zeitpunkt noch auf ein Leben mit ihrem Geliebten Ludovico Sforza hoffte, der von seinen Freunden scherzhaft "Hermelin" genannt wurde. Ludovico heiratete dann aber Beatrice d'Este, eine Dame von besserem Stand, der er lange zuvor die Ehe versprochen hatte.

Auch in Johann Wilhelm Tischbeins Bildnis "Goethe in der Campagna" könnte, was wie ein Fehler wirkt, beabsichtigt sein. Hat der Künstler seinem Goethe versehentlich zwei linke Schuhe angezogen – oder zeigt sich darin, dass Schuhmacher damals noch nicht zwischen linken und rechten Exemplaren unterschieden? Und was hat es mit dem zu langen linken Bein auf sich? Das ist tatsächlich anatomisch falsch, lässt sich aber begründen: Tischbein griff bei seiner Komposition auf ein Tonmodell eines anderen Künstlers zurück, und der hatte Goethes Gestalt offenbar verhunzt.

Das geht quer durch die Kunstgeschichte: Peter Paul Rubens nahm für sein Gemälde "Adam und Eva unter dem Baum der Erkenntnis" winzige Druckgraphiken anderer Künstler als Vorbilder und blähte sie dergestalt zu einem mannshohen Gemälde auf, dass dabei die Proportionen aus der Balance gerieten. Unzulänglichkeit, wohin man auch schaut; wie im richtigen Leben.

(RP)
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