Frankfurt/M. Kunststadt Frankfurt

Frankfurt/M. · Von Magritte über die Düsseldorfer Fotoschule bis zu den digitalen Bildwelten der Gegenwart: Frankfurts Museen können sich sehen lassen.

Ein vergessenes Plakat kündigt nahe dem Städelmuseum eine vergangene Podiumsdiskussion an: "Frankfurt - Europäische Kulturhauptstadt?" Was auch immer das Gespräch zutage gebracht haben mag - die Frage ist längst beantwortet. Die Metropole kann sich bereits jetzt Kulturhauptstadt nennen. Allein das Angebot der Museen am Schaumainkai und am Römer rechtfertigt das. Zurzeit ragen drei Ausstellungen hervor.

Städel: "Fotografien werden Bilder"

Der internationale Siegeszug der Düsseldorfer Fotoschule und ihrer Gründer Bernd und Hilla Becher ist zuletzt so oft gefeiert worden, dass man sich fragt, was jetzt noch kommen soll, wenn das Städel zu einer Ausstellung "Fotografien werden Bilder" lädt. Noch einmal die streng schwarzweißen Variationen einstigen Fachwerkbaus und untergegangener Industriekultur, wie die Bechers sie uns überliefert haben; noch einmal Andreas Gurskys großformatige Farbansichten von Warenwelt, Freizeitunternehmungen und Massentourismus im ausgehenden 20. Jahrhundert; noch einmal Candida Höfers Aufnahmen von würdevollen Räumen - ja, aber Frankfurt zeigt mehr. Denn beim Gang durch die Säle der Ausstellung begreift man, wie das eine aus dem anderen hervorgegangen ist: die kleinen, formal differierenden Eisenbahnbrücken und Unterführungen, die der Krefelder Volker Döhne im Bergischen und Märkischen Land fotografierte, aus den jeweils stark einander ähnelnden Architekturbildern der Bechers; Gurskys digital bearbeitete Großformate der Zeit seit den 90ern aus seinen analog gefertigten Bildern der 80er Jahre wie der steifen "Passkontrolle" am Flughafen, Höfers menschenleere Innenarchitekturen von heute aus der in Wohn- und Arbeitsräumen aufgenommenen Diaserie "Türken in Deutschland" von 1979.

Fotografien werden Bilder - das heißt: Fotografen werden zu Künstlern. Längst haben sie sich von den dokumentarischen Zielen der Bechers abgewendet und verstehen sich als Kompositeure, die eine eigene Welt erschaffen. Thomas Ruff bearbeitet pornografische Vorlagen aus dem Internet, taucht sie in Unschärfe und unterstreicht gerade dadurch das Voyeuristische.

Zugleich erlebt man beim Flanieren, wie die Formate von Jahr zu Jahr wachsen. Und selbstverständlich stößt man dabei auf Ikonen der postmodernen Fotografiekunst wie Gurskys mit mehreren Kameras aufgenommenes Bild "Paris, Montparnasse" von 1993, einen Wohnblock, in dem man hinter den Fenstern jeden Bewohner in seinem Alltag beobachten kann.

Die Kunst ist das eine, das den Reiz der Schau ausmacht. Das andere erschließt sich nur Älteren zumal aus dem Rheinland: das Vergnügen, anhand der Motive noch einmal in die 70er und 80er Jahre einzutauchen. In den Wartesaal des Kölner Hauptbahnhofs, dessen akkurat aufgestellte Tische jeweils eine große rote und eine diagonal dazu aufgelegte kleine weiße Tischdecke tragen, darauf Blümchen und Pfeffer und Salz. Die Kölnerin Candida Höfer hatte den Blick für dieses Stückchen heiler, bürgerlicher Welt. Und wenn Thomas Struth Düsseldorfer und New Yorker Straßenzüge der 70er Jahre einander gegenüberstellt, fängt auch er Zeitgeschichte in Formen ein. (www.staedelmuseum.de)

MMK: "Ed Atkins. Corpsing"

Im Museum für Moderne Kunst lässt sich zurzeit eine Vorstellung davon gewinnen, wie das Ausstellungsprogramm der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW unter deren künftiger Leiterin Susanne Gaensheimer aussieht. Noch steht sie dem MMK vor und verantwortet dort unter anderem die Schau "Corpsing" des Briten Ad Atkins: zwei unglaublich packende Video-Installationen, die um die Selbstwahrnehmung des Menschen in der rasant sich entwickelnden Medienwelt kreisen. "Corpsing" beschreibt jenen Augenblick, in dem sich die Differenz zwischen einem Schauspieler und seiner Rolle offenbart, wenn er zum Beispiel seinen Text vergisst oder in Gelächter ausbricht. Das klingt lustig, ist aber in der Ausstellung blutiger Ernst. In der ersten, auf mehrere Leinwände gleichzeitig geworfenen Projektion liegt ein junger Mann mit gequältem Blick auf einem Bett. In Gegensatz dazu erklingt ein übersteigert romantischer Song. Die Einsamkeit der Szene gründet sich auf ein Ereignis von 2013. Damals wurde in einer sich plötzlich öffnenden Senkgrube ein junger Mann in Florida in seinem Schlafzimmer vom Erdboden verschluckt.

Die zweite Projektion frisst sich in den Betrachter ein. Derselbe Darsteller reißt sich die oberste Hautschicht seines blutigen, porenübersäten Gesichts ab, es folgen Nase, Ohren, Eingeweide. Zusammen mit einer Pistole landet alles in einer jener Boxen, der man bei der Personenkontrolle am Flughafen vorübergehend Portemonnaie und andere metallene Gegenstände anvertraut. Dazu ertönt Ravels sich steigernder "Boléro".

Die Techniken digitaler Medienkunst zerlegen den Menschen in seine materiellen Bestandteile, bald landet auch der noch sprechende Kopf in der Box, die über das Kontrollband rollt. Nichts für Kinder; für Erwachsene ein beängstigender Blick auf den Menschen im Zeitalter seiner möglichen Selbstauflösung. (www.mmk-frankfurt.de)

Schirn: Magritte

Surrealismus läuft immer. Nicht nur Dalí, auch der Surrealismus in seiner intellektuellen Version hat seine Freunde. Ihnen wird die Ausstellung "Magritte. Der Verrat der Bilder" in der Schirn recht kommen: ein Panorama absurder Motive, von der Pfeife, die keine Pfeife sein will, bis zu jenen Schuhen, die sich zu den Spitzen in bloße Füße verwandeln. (www.schirn.de)

(B.M.)
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