Köche auf Zeit

Im Kölner "Laden ein" darf alle 14 Tage ein neues Team sein kulinarisches Konzept umsetzen. Das bundesweit einmalige Konzept kommt jetzt auch nach Düsseldorf.

Wer nichts wird, wird Wirt - diese Tresenweisheit gilt schon lange nicht mehr. Denn Inhaber eines Lokals oder Restaurants zu sein, bedeutet heutzutage, nicht nur gastronomisches Know-how und einen ausgeprägten Hang zur Selbstausbeutung mitzubringen, sondern auch die Fähigkeit, ökonomisch wirtschaften zu können. Neugründungen scheitern meist daran, dass die hoffnungsvollen Novizen eine dieser Komponenten oder gleich allesamt unterschätzen. Genau an diesem Punkt setzt das Konzept von Vincent Schmidt und Till Riekenbrauk an. Ihr Lokal "Laden ein" im Kölner Agnes-Viertel bietet gastronomischen Neueinsteigern die Chance, sich zwei Wochen ohne großes unternehmerisches Risiko auszuprobieren. "Unser Lokal ist das erste stationäre Pop-up-Restaurant in Deutschland", sagt Riekenbrauk. Und so erfolgreich, dass wohl noch im März, spätestens aber im April ein Ableger von "Laden ein" eröffnet wird - in Düsseldorf.

Die Idee kam den beiden Kölnern, die 2014 das Street-Food-Festival ins Leben riefen und damit 34 Wochen im Jahr bundesweit unterwegs sind, vor rund eineinhalb Jahren. Warum nicht ambitionierten Koch-Amateuren sozusagen eine Bühne geben, auf der sie sich beweisen können - ohne das Risiko, gleich 100.000 Euro für eine Restaurant-Ausstattung in den Sand zu setzen? Der zweite Gedanke resultierte aus der Perspektive des Büro-Mitarbeiters, dem die immergleichen kulinarischen Möglichkeiten in der Mittagspause schnell zum Hals raushängen. "Wie toll wäre es, dachten wir, wenn wir ein nettes Lokal in der Nähe hätten, in dem die Küche alle zwei Wochen wechselt?", erzählt Riekenbrauk.

So entwickelten er und sein Kompagnon Schmidt das Konzept für "Laden ein". Die gesamte Restaurant-Infrastruktur wird von ihnen gestellt, also etwa Öfen, Besteck, Geschirr oder eventuelles Spezialwerkzeug, dazu übernehmen sie die Miete, Versicherungen und kümmern sich um behördliche Auflagen. Die Koch-Crews wechseln alle 14 Tage und zahlen keinen festen Betrag, sondern einen prozentualen Anteil ihres Umsatzes. "Das heißt, wenn es schlecht läuft, zahlen wir möglicherweise drauf", sagt Riekenbrauk. So schlecht lief es allerdings nie - aber dazu später.

Von Beginn an, also Oktober 2015, war "Laden ein" auf Monate hinaus ausgebucht. Bewerben kann sich jeder, muss aber vorab die Gaumen von Schmidt und Riekenbrauk überzeugen. "Uns geht es auch darum, dass dort gehobenes Kochhandwerk gezeigt wird", sagt Riekenbrauk. Die Küche ist deshalb offen, der Gast darf dabei zusehen, wie sein Gericht entsteht. Auch die Herkunft der Produkte ist wichtig, Bio aber nicht zwingend vorgeschrieben. Till Riekenbrauk: "In gewissem Sinne zwingen wir den Köchen unsere Philosophie auf. Dafür können sie austesten, ob sie selbst und ihr kulinarisches Konzept funktionieren."

Genau daran scheitert es natürlich oft. Die Handgriffe sitzen nicht oder das Material ist falsch kalkuliert; Freunde daheim zu bekochen, ist eben etwas anderes, als einen reibungslosen Ablauf in einem Restaurant mit rund 50 Plätzen zu garantieren. Deshalb hilft in den ersten Tagen ein professioneller Koch, wenn es eng werden sollte. Und die Speisekarte wird bewusst knapp gehalten, mit drei Gerichten mittags und zwei weiteren am Abend. Dennoch ist der Ansatz sportlich. Sonntags ist im "Laden ein" Ruhetag, dann muss die alte Kochcrew bis 12 Uhr mittags raus und darf sich die neue einrichten. Montags um 12 Uhr muss der erste Mittagstisch serviert werden. "Der Gast darf von einem möglichen Durcheinander hinter den Kulissen nichts mitkriegen", sagt Riekenbrauk.

Tatsächlich sei bei inzwischen 33 Gastgebern ein Komplett-Desaster bisher ausgeblieben, sagt der 31-Jährige. Wenn auch einige Angebote besser angenommen wurden als andere. Zwei Koch-Crews durften sogar noch einmal wiederkommen. "Ich habe mittlerweile eine Faustregel entwickelt: Danach funktionieren Ein-Wort-Konzepte besonders gut. Also etwa Indisch, Japanisch oder Barbecue", sagt Riekenbrauk. "Wenn die Karte aber indifferent ist, wird es schwierig." Der Kunde müsse sich ein Bild machen können von dem, worauf er sich einlässt. Passt das Angebot nicht in eine Schublade, probiert er es auch nicht.

Sebastian Morgenstern hat das in den vergangenen zehn Tagen zu spüren bekommen. Der gelernte Koch ist der aktuelle Gastgeber im "Laden ein" und versucht, mit "Sünden aus der Dose" ("Sin Tin") zu überzeugen - edel präsentierten Fischkonserven aus Portugal und Galizien. Was etwa in London ein Hit ist, hat in Köln nicht funktioniert. "Wir haben mit diesem Konzept komplett an der Community vorbei gekocht", sagt der 46-Jährige. Allerdings habe er ein älteres Publikum begeistern können. Mit ein wenig mehr Zeit hätte sich das Angebot auch besser rumgesprochen und wäre durchaus tragfähig für ein Restaurant gewesen. Ein eigenes Lokal möchte Morgenstern, der seit 20 Jahren mit einem Catering-Service unterwegs ist, trotzdem nicht aufmachen. "Das Ganze hat aber großen Spaß gemacht", sagt er. " Ich bin vom Konzept von ,Laden ein' absolut überzeugt."

Nicht nur er. Aus ganz Deutschland bewerben sich Hobbyköche bei Schmidt und Riekenbrauk, um bei ihnen zu brutzeln. Ein Großteil der bisherigen Gastgeber sei danach fest entschlossen, es mit einem eigenen Lokal zu wagen. Einige wollen weiter halbprofessionell kochen, nur einer habe nach der Erfahrung im Laden auf immer der Gastronomie entsagt. Demnächst dürfen sich auch Düsseldorfer am Herd versuchen. Auf dem Gelände des früheren Postverteilungszentrums "postPost - Grand Central" an der Erkrather Straße eröffnen Schmidt und Riekenbrauk mit Hilfe von Sponsoren spätestens im April einen Ableger ihres Ladens. Der erste Gastgeber steht schon fest. Riekenbrauk: "Es geht in die asiatische Richtung."

Info "Laden ein", Blumenthalstraße 66, 50668 Köln, Mo-Sa, 12 bis 22 Uhr, www.laden-ein.com; Reservierungen werden nicht angenommen.

(RP)
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