Salmfischerei am Rhein Als Reeser Lachs Grundnahrungsmittel war

REES · Jutta Groot-Severt weihte den Vorstand vom Arbeitskreis „Gästeführer Niederrhein“ in die Geheimnisse der mittlerweile ausgestorbenen Salmfischerei ein. In Rees war sie früher ein bedeutender Wirtschaftszweig.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts galt Lachs aus dem Rhein als Grundnahrungsmittel. Die Salmfischer nutzten bis zu 200 Meter lange Netze.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts galt Lachs aus dem Rhein als Grundnahrungsmittel. Die Salmfischer nutzten bis zu 200 Meter lange Netze.

Foto: Wilhelm Miesen

Die Gruppe war klein, aber oho: Gästeführerin Jutta Groot-Severt begrüßte jetzt den Vorstand des Arbeitskreises „Gästeführer Niederrhein“ in Rees. Ob Birgit van den Boom (1. Vorsitzende), Hildegard Liebeton (2. Vorsitzende und Schriftführerin) oder Norbert Schmitz (Kassenführer): Sie alle sind selbst erfahrene Gästeführerinnen und Gästeführer, die seit vielen Jahren Besuchergruppen durch Orte wie Kleve, Emmerich, Griethausen und Schenkenschanz führen. Doch Jutta Groot-Severt war zuversichtlich, der gut informierten Gruppe noch viel Neues mit auf den Weg geben zu können. Sie wählte für die Führung das Thema der Salmfischerei, zu dem sie vor mehr als zehn Jahren ihre Prüfung zum Niederrhein-Guide abgelegt hat.

„Salmo salar L. – Auf den Spuren des ehemaligen Brotfisches vom Niederrhein und seiner Fischer“ war ursprünglich als ganztägige Tour auf beiden Rheinseiten kopiert, es gibt sie aber auch in kompakter Form, die sich auf Rees beschränkt. Der Arbeitskreis „Gästeführer Niederrhein“ traf sich im Koenraad Bosman Museum. Dort gab Jutta Groot-Severt anhand alter Ölgemälde und des Stadtmodells erste Informationen zum Beruf des Fischers und zu den ehemals besten Fangstellen im Rhein. So war vor allem der Stromkilometer 834,6 ein Tummelplatz für Lachse. Das lag an den Kiesbänken, die zur Mitte des Flusses hin langsam abfallen und einen geschützten Lebensraum für die Lachse, genannt Salm, boten. Sie wurden meist mit Flachnetzen an langen Stangen gefangen. Ein ausgefahrenes Zegennetz konnte bis zu 200 Meter lang und bis zu acht Meter breit sein.

Im Skulpturenpark am Bärenwall breiteten die Besucher ein altes Netz aus, das Jutta Groot-Severt einst für ihre Prüfung vom Rheinfischer Rudi Hell bekommen hatte. Den Gästen wurde frisch gebrühter Muckefuck serviert, mit dem sich die Salmfischer früher bei ihren langen und nassen Schichten aufwärmten. Nur der klare Schnaps, der damals ebenfalls die Kehlen herunterfloss, wurde bei der Tour zunächst ausgespart. Den gab es erst später, als der Arbeitskreis in den Rheinterrassen Collins einkehrte.

 Gästeführerin Jutta Groot-Severt (3. v.r.) erläuterte im Skulpturenpark den Lachsfang mit dem Zegennetz.

Gästeführerin Jutta Groot-Severt (3. v.r.) erläuterte im Skulpturenpark den Lachsfang mit dem Zegennetz.

Foto: Michael Scholten

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es im Rhein übrigens so viele Lachse, dass sie auch für die ärmeren Bevölkerungsschichten ein Grundnahrungsmittel waren. Allein im Jahr 1885 wurden in Deutschland und den Niederlanden 250.000 Exemplare aus dem Rhein gezogen. In Kölner Herrenhäusern war das Personal irgendwann den Fisch satt. Es setzte durch, pro Woche keinesfalls öfter als viermal mit Lachs beköstigt zu werden.

Die allerbesten Fänge waren den Adelshöfen und Luxushotels vorbehalten. Als der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1881 seine Verlobte Auguste Viktoria heiratete, kamen beim Festmahl in Berlin auch zwei stattliche Lachse aus Rees auf den Tisch. Sie waren in geflochtenen Körben, gekühlt mit Eisstücken, auf die lange Reise in die Hauptstadt geschickt worden.

Die Salmfischer führten dagegen ein hartes und ärmliches Leben. Da wundert es nicht, dass die Fischer in Lüttingen eines Tages ihre große Chance nutzten, um sich etwas hinzuverdienen zu können. Als sie im Kiesbett die Bronzefigur eines römischen Jungen fanden, packten sie die archäologische Sensation in ihre karge Fischerhütte und versteckten sie hinter einem Vorhang, der nur gelüftet wurde, wenn jemand einen Pfennig dafür bezahlte. Wenn auch den nackten Unterleib des Jünglings sehen wollte, musste zwei weitere Pfennige zahlen, wusste Jutta Groot-Severt schmunzelnd zu berichten.

Im Jahr 1952 wurde nachweislich der vorerst letzte Rheinlachs der Art Salmo salar L. aus dem Niederrhein gezogen. Die Abwässer der Großindustrie und die Ölverschmutzung durch Schiffe, aber auch Abkiesung und Überfischung hatten zum Niedergang der Salmfischerei und somit zum Aussterben eines Berufes geführt.

Erst 1986 startete die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins ein Aktionsprogramm: „Lachs 2020“, fortgesetzt im Programm „Rhein 2020“. Ziel war es, das Ökosystem des Rheins so zu verbessern, dass der Lachs und andere Wanderfische neue Wildbestände im Rhein aufbauen können.

Offenbar mit Erfolg: Denn inzwischen wandern jedes Jahr wieder Lachse aus der Nordsee den Rhein hinauf, um in den Kiesbänken zu laichen.

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