Das RP-Klimahaus Der Traum vom autarken Haus

Düsseldorf · Eigentlich haben die beiden ein ziemliches Standard-Leben geführt. Sagen sie. Jetzt haben Otto und Ulrike Szillat ein Holzhaus gebaut, in dem sie möglichst autark leben wollen. Wie gut das klappt, wo es Hindernisse gibt und wieso im Garten der beiden ein Toilettenhäuschen steht.

Otto Szillat vor seinem Haus im Westerwald. Fertig ist er damit noch nicht, glücklich hier zu wohnen aber schon.

Otto Szillat vor seinem Haus im Westerwald. Fertig ist er damit noch nicht, glücklich hier zu wohnen aber schon.

Foto: Mario Büscher

Auf dem Gästeklo blubbert‘s. Und es ist warm. Ungefähr so warm wie draußen an diesem Tag, also über 30 Grad. Otto Szillat, 61, steht im Technikraum hinter der Gästetoilette, zwischen isolierten Heizungsrohren und dem zwei Meter hohen 1000 Liter Pufferspeicher seiner Solarthermieanlage, die auf dem Dach liegt. „Die Anlage produziert an so sonnigen Tagen deutlich mehr Wärme als wir verbrauchen“, sagt Szillat. Der Dampf verdränge dann das Wasser in dem heißen Behälter. Der kann die Wärme nicht mehr abnehmen. Darum blubbert‘s.

Otto Szillat weiß viel über die Funktionsweise seiner Anlage. Hat er sich angelesen, sagt er. Immer so nebenbei. Für seinen Traum, den er sich jetzt irgendwo im Westerwald mit seiner Frau verwirklicht hat. Der Mann mit dem braunen T-Shirt, den Sandalen an den Füßen und der langen Jeans über den Beinen kommt eigentlich aus Langenfeld. Da lebte er mit Ulrike Szillat und den vier Kindern im eigenen Haus. 30 Jahre lang. „Aber im Hinterkopf hatten wir immer schon so ein wenig den Gedanken nochmal was Neues aufzubauen, autark zu werden“, sagt er. Szillat möchte unabhängig werden, eigenen Strom gewinnen, selbst Wärme produzieren und möglichst wenig umweltschädliche Stoffe in die Luft pusten.

Szillat im Technikraum hinter der Gäste-Toilette. Sowas wie das Herzstück für die Energie im Haus.

Szillat im Technikraum hinter der Gäste-Toilette. Sowas wie das Herzstück für die Energie im Haus.

Foto: Mario Büscher

Der Raum, in dem es blubbert, hat noch keinen Boden. Zumindest keinen richtigen. Szillat muss aufpassen, nicht auf die Rohre zu treten, wenn er sich darüber bewegt. Später soll dort mal Holz drüber liegen, so, wie im Flur und im Wohnzimmer. In letzterem kocht das Ehepaar aktuell noch, weil die Küche nicht fertig ist. Den Weg zur Couch gegenüber müssen die beiden im Slalom durch die Umzugskartons gehen.

„Hat sich alles etwas verzögert“, sagt Szillat. Der Traum nahm vor zwei Jahren Gestalt an. Da kaufte das Ehepaar das Grundstück in dem kleinen Dorf. Nicht viel los, trotzdem die Straße direkt vor dem Haus, Lage im Tal, der Bach nebendran. Nach einigen Besichtigungen und Vergleichen wurde es ein Holzhaus. Davor sitzt Szillat gerade, über ihm der aufgespannte Sonnenschirm, hinter ihm das Gartenhaus, das wie eine Miniatur-Version des Wohnhauses wirkt. „Wir wollten einen nachwachsenden Rohstoff und ein gesundes Wohnklima. Darum das Haus aus Holz“, sagt Szillat. Blockbohlenbauweise. Die Holzstämme wurden aufgeschichtet und verbunden, innerhalb von sechs Wochen stand das Gebäude. Die Fenster sind dreifach verglast, die Holzwände gut isoliert. Die Energie soll hier nicht verloren gehen. Im Haus ist es deutlich kühler als draußen und deutlich kühler als auf dem Gästeklo.

Blick aus der wilden Blumenwiese heraus. Vorne wurde gemäht, damit die Enkelkinder spielen können.

Blick aus der wilden Blumenwiese heraus. Vorne wurde gemäht, damit die Enkelkinder spielen können.

Foto: Mario Büscher

„Wir können hier das ganze Jahr über selbstständig heizen“, sagt Szillat. Die Solarthermie könne das aber nicht ganz alleine leisten. Zwei bis drei Monate, glaubt Szillat, müsse er im hauseigenen Kamin nachheizen und den Pufferspeicher aufladen. Mit Holz versteht sich. Aus dem eigenen kleinen Baumbestand, den die Szillats hinter ihrem Haus haben. Für den kommenden Winter sollte das bisher gehackte Holz schon reichen. In dem Wäldchen steht eine Komposttoilette. Erinnert an ein Dixi-Klo in schön, mit Herz-Öffnung auf der Tür. Als Szillats schon dort im Westerwald wohnten, aber ihr Haus noch nicht stand und sie kein Wasser hatten, sind sie hierher gegangen. Eine Schaufel Sägespäne über das Geschäft –fertig. Den Rest macht die Natur.

„Wir waren nie die großen Aktivisten“, sagt Szillat, „eigentlich haben wir ein ziemliches Standardleben geführt“. Tschernobyl sei dann so ein kleiner Augenöffner gewesen. Das hat Szillat nachdenklich gestimmt, als man plötzlich manche Pilze, Muscheln oder Nüsse nicht mehr essen konnte.

Naturverbunden, klar, das waren sie schon, aber nie extrem. 1997 kam die erste Solaranlage aufs Haus in Langenfeld, außerdem haben die Szillats seit den 1990ern nur noch ein Wohnmobil als einziges Fahrzeug. Ulrike Szillat ist gerade damit einkaufen. Langfristig soll der Karavan mit Strom betrieben werden.

Auch deshalb werde die vorgeplante Photovoltaik-Anlage auf dem Dach für einen zwei Personen Haushalt mit zehn Kilowattpeak eigentlich überdimensioniert sein. Otto Szillat will auch bei wenig Sonne möglichst unabhängig vom Stromnetz sein. „Wir glauben aber auch, dass Solarstrom die Zukunft für alle ist“, sagt Szillat. Letztendlich trage er dazu auch bei, wenn er Strom ins Netz einspeisen würde. Insbesondere wenn das Ganze irgendwann europaweit verteilt werden könne. Der Strom setzt den Szillats aber auch Grenzen für ihren Traum. „Wir werden nicht völlig autark vom Netz leben können“, sagt Szillat. Derzeit sei es noch zu schwer, den Strom zu speichern und auch finanziell lohne sich das nicht. Szillat geht nicht davon aus, dass sich das schnell ändert.

Für eine Zeit lang die einzige Toilette der Szillats. Mittlerweile gibt es ein Klo im Haus.

Für eine Zeit lang die einzige Toilette der Szillats. Mittlerweile gibt es ein Klo im Haus.

Foto: Mario Büscher

Und auch für die Ernährung wird das Ehepaar wohl weiter mit dem Wohnmobil zum Supermarkt fahren. „Die Wiese hinter dem Haus wollen wir möglichst wild lassen“, sagt Szillat. Anbauen wollen sie dort nicht. Zumindest nicht im großen Maße, einen kleinen Gemüsegarten soll es bald aber geben. Einen Tümpel hat Szillat jetzt schon angelegt, zwei Holzblöcke ragen über das Wasser, natürlich selbst gebaut. Szillat ist handwerklich begabt. „Hab ich von meinem Vater“, sagt er. Er besteigt den Steg, will erzählen, dass der Teich wegen der Trockenheit gerade relativ wenig Wasser hat, wird aber unterbrochen. „Cool, guck mal da, eine kleine Schlange. Habe ich letztens schon einmal gesehen“, sagt er. Das passiert an diesem Tag mehrmals. Der Technische Mathematiker, der in der IT-Branche arbeitet spricht konzentriert, blickt geradeaus, wenn er etwas erklärt. Fällt ihm etwas in der Natur auf, wechselt er das Thema. „Dem Rotmilan da könnten wir mittlerweile eigentlich schon einen Namen geben, so oft wie der hier rumfliegt“, sagt er, während es gerade eigentlich wieder um die 12 Quadratmeter große Solarthermie auf dem Dach geht.

Szillats Haus ist noch nicht fertig. Und neben der Arbeit hätten die beiden es wohl nie bis hierher geschafft. Otto Szillat ist in Altersteilzeit und widmet sich gerade Vollzeit seinem Projekt. Einen Plan gebe es dabei schon lange nicht mehr. „Der wurde immer wieder überarbeitet und neu priorisiert“, sagt er. Aber das sei nicht so schlimm, auf dem Weg zum großen Traum.

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