Das RP-Klimahaus Das Dilemma mit dem Mikroplastik

Interview | Mönchengladbach · Produziert, gewaschen und entsorgt: Mikroplastik entsteht auch in der Mode. Maike Rabe, Dozentin im Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik an der Hochschule Niederrhein, sagt, warum Polyester-Shirts schlecht sind, aber auch Naturfasern nicht zwingend die beste Wahl.

 Mikroplastik entseht unter anderem durch Abrieb in der Produktion. Gelangt es einmal in die Umwelt, hat das schwere Konsequenzen. Die TextileMission forscht, wie dieser Abrieb verringert wird.

Mikroplastik entseht unter anderem durch Abrieb in der Produktion. Gelangt es einmal in die Umwelt, hat das schwere Konsequenzen. Die TextileMission forscht, wie dieser Abrieb verringert wird.

Foto: Alexander Stein / imago

Nordrhein-Westfalen und insbesondere Mönchengladbach haben für die Textil und Mode-Branche eine besondere Bedeutung. Hier ist die Textilakademie ansässig sowie Modeunternehmen und Global Player im Bereich Textil (Aunde, C&A oder Dahmen Textilmaschinen). Maike Rabe, Dozentin an der Hochschule Niederrhein und Leiterin des Forschungsinstitutes „FTB" Textilveredelung und Ökologie, ist der Meinung, dass solche Firmen in Bezug auf die Klimapolitik besonders betroffen sind – und zugleich auch besonders viel bewegen können. Rabe forscht unter anderem an alternativen Naturfasern und einer möglichen Mikroplastik-freien Zukunft.

Frau Rabe, Polyester ist ein beliebter Stoff in der Industrie, ist besonders günstig und hat daher sicher seine Vorteile, aber auch schwerwiegende Nachteile. Beim Waschen löst sich Mikroplastik und verunreinigt Wasser. Sind Naturfasern eine Alternative?

Maike Rabe Im Bereich der Naturfasern herrscht ein enormer Mangel. Lediglich ein Viertel der Fasern, die uns zur Verfügung stehen, sind noch auf Basis der Naturfaser, der Rest sind synthetische Fasern. Insofern sind wir aktuell mehr oder weniger dem Thema synthetische Fasern ausgeliefert. Für die Naturfasern gibt es einmal die große Schwierigkeit, dass die Anbauflächen begrenzt sind und nicht weiter ausgebaut werden können. Um ihre Erträge auf den Feldern überhaupt zu erhalten, muss in sehr hohem Maße künstlich bewässert oder mit dem Einsatz von Pestiziden gearbeitet werden. Deshalb kann man die Naturfasern nicht uneingeschränkt positiv betrachten – da hängt auch sehr viel Negatives dran.

 Prof. Dr. Maike Rabe ist Dozentin an der Hochschule Niederrhein im Bereich Textil- und Bekleidungstechnik. Sie forscht mit der TextileMission, ihre Vorträge hält sie unter dem Titel: Faserbasiertes Mikroplastik: Quellen, Senken, Lösungsansätze.

Prof. Dr. Maike Rabe ist Dozentin an der Hochschule Niederrhein im Bereich Textil- und Bekleidungstechnik. Sie forscht mit der TextileMission, ihre Vorträge hält sie unter dem Titel: Faserbasiertes Mikroplastik: Quellen, Senken, Lösungsansätze.

Foto: Maike Rabe

Ist biologischer Anbau die Lösung?

Rabe In Bezug auf die synthetischen Fasern kann es ein Ausweg sein, nachwachsende Rohstoffe zu suchen, aus denen man synthetische Fasern erzeugen könnte – also „Manmade Fibers“. Das dann möglichst so, dass sie zwar eine gute und dauerhafte Gebrauchsbeständigkeit haben, aber unter gewissen Bedingungen eben auch wieder in der Natur verrotten können. Im Bereich der Naturfasern geht es darum, nach und nach auf den kontrolliert biologischen Anbau umzustellen, was aktuell nur maximal zwei Prozent des gesamten Faseraufkommens in der Baumwoll-Branche ausmacht. Außerdem muss man noch weitere Pflanzen-Rohstoffe oder Pflanzenstoffe finden, aus denen sich auch nutzbare Fasern erzeugen ließen. Da lohnt sich auch der Blick in die Vergangenheit: Leinen, Hanf, auch Nessel bekommen wieder eine Bedeutung, Fasern, die schon mehr oder weniger von Baumwolle verdrängt worden waren. Auch andere Pflanzenfasern-Lieferanten wie beispielsweise Ananas, Banane oder Sisal rücken immer weiter in den Fokus.

In welchem Bereich bewegt sich Ihre Forschung?

Rabe Unsere Forschung geht in viele Richtungen. In Bezug auf die Naturfasern befassen wir uns jetzt grade im Kollegium mit Hanf und mit Fasern, die man aus Algen gewinnen kann. Das wäre ein Gebiet, das überhaupt noch gar nicht erobert ist. Wir schauen aber auch auf tierische Fasern. Dann beschäftigt man sich sehr intensiv damit, Altfasern wieder zu sekundären neuen Rohstoffen zu machen. Das wäre natürlich eine große Quelle, wenn man da die Kreislauffähigkeit verbessern könnte.

Sie reden von Recycling?

Rabe Ja genau. Wir beschäftigen uns damit, wie man Polyester unter Naturbedingungen so abbauen kann, dass man keine schädlichen Substanzen in der Umwelt findet oder den Rückbau dieser Polymere dann auch hinbekommt. Und wir beschäftigen uns mit Fasern aus nachwachsenden Rohstoffen, die dann auch die Eigenschaften von synthetischen Fasern aufweisen.

Sie waren eine der Verantwortlichen für das Projekt „TextileMission“. Welches sich auch mit Mikroplastik beschäftigt. Was genau haben Sie untersucht?

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Foto: dpa-tmn/Catherine Waibel

Rabe In unserem Projekt wurde über zwei Methoden erfasst, wie viel Mikroplastik sich in Textilien befindet, und zwar in einer Labor- und einer Haushalts-Methode. Die Erfassung erfolgt über Filtration des Behandlungswassers für eine Labor- oder eine Haushaltswäsche. Man kann dann noch über die gezielte Auswahl der Filter verschiedene Fraktionen ermitteln, um die Partikelgröße genauer zu beobachten und man kann die Filterrückstände noch zusätzlich mithilfe von physikalisch- chemischen Methoden analysieren, um die Polymer-Zusammensetzung oder die Größenverteilung noch mal genauer zu beschreiben.

Welche Erkenntnisse ziehen sie aus dem Projekt?

Rabe Der Großteil des Problems Mikroplastik reduziert sich auf den Neu-Zustand der Ware. Es ist nicht so, dass die Produkte während des Gebrauchs oder der späteren Pflege immer wieder neue Partikel ausschütten und freisetzen, sondern es sind eher die Rückstände aus der Produktion, feinste Stäube durch Abrieb an den Maschinen. Diese werden als kleinste Partikel an dem Textil mitgeschleppt und gelangen dann in die Umwelt. Das sind schon Größenordnungen, die zur Naturverschmutzung führen, da sie sich eben nicht zersetzen. So wie die Plastiktüte oder die Plastikflasche sich in der Natur nicht zersetzen, zersetzen sich auch diese Kleinstpartikel nicht. Wenn aber sauber gearbeitet würde und eine sehr ordentliche Abreinigung der Produkte nach der Produktion erfolgen würde, könnte man sicher das Problem minimieren. Vorausgesetzt die Masse der Partikel, die bei der Abreinigung erfasst wird, darf nicht wild in die Natur gelangen. Das muss am Produktionsstandort gesammelt und ordnungsgemäß entsorgt werden. Man kann nicht einfach sagen: Eine Lösung ist es, alle Sport-Shirts aus Polyester im Produktionsland noch mal reinigen zu lassen, wenn man auch dort ignoriert, dass die Abwasserreinigungsprozesse noch deutlich schlechter sind als bei uns. Denn das Mikroplastik macht ja an den Landesgrenzen nicht halt.

Wie sollten Fabriken agieren, damit von ihnen nur noch eine kleinstmögliche Verschmutzung ausgeht?

Rabe Man kann versuchen, den Abrieb durch optimierte Prozessführung, durch hochwertige Garne, durch Wartung der Maschinen – gute Schmierung oder Gleitmittel auf den Fasern – zu minimieren. Wenn möglich eine Endreinigung, bevor die Produkte in den Handel kommen. Ganz vermeiden kann man es nicht, denken Sie einfach nur an den Zuschnitt. Da werden natürlich auch Faserfeinstäube freigesetzt. Manche Prozessschritte sind nicht zu umgehen.

Haben die Produktionsländer im globalen Süden, in denen Unternehmen billig produzieren, dann das Problem, dass diese Gegebenheiten, die Sie genannt haben, einfach nicht da sind?

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Foto: dpa/Britta Pedersen

Rabe Man darf nicht unterschätzen, wie in Fern-Ost gearbeitet wird. Da können genau so gute Maschinen stehen, da kann gute Betriebsführung vorherrschen. Es ist nur so, wenn alles auf billig und alles auf schnell ausgelegt wird, dann wird natürlich auch an anderen Stellen Qualität vernachlässigt. Alles kann man nicht kriegen für ein Hemd für 4,90 Euro.

Das Problem ist also auch die Fast Fashion. Woran liegt das, bei der Nachfrage oder beim Angebot?

Rabe Beides. Der Kunde hat sich Fast Fashion nicht ausgedacht. Es ist schon ein Konzept, das der Handel und die Produktion entwickelt hat. Damit hat er aber dann die Bedürfnisse des Kunden, immer wieder was Tolles und Neues haben zu wollen, befeuert. Und da kann der Handel sich austoben und der Kunde auch gleich mit. Was bei Fast Fashion noch wichtig ist: Eine ganz große Rolle spielt eine sehr starke Faser-Industrie, die global aufgestellt ist und große Mengen an Fasern produziert. Ich möchte fast sagen, es liegt eine Überproduktion von Fasern billiger Art vor. Die werden in den Markt reingedrückt und dadurch entsteht eine Überschwemmung des Marktes mit irgendwelchen Billig-Teilen, eine Flutung. Und die Faser, die am billigsten herzustellen ist, ist Polyester.

Die hat ja dann für die Zukunft schwerwiegende Folgen, zum Beispiel durch Mikroplastik.

Rabe Man kann das nicht einfach so schwarz und weiß sehen. Nachhaltigkeit bedeutet zum Beispiel auch Langlebigkeit, dass ein Produkt eine lange Lebensdauer hat. Produkte aus synthetischen Fasern haben im Grunde genommen eine sehr lange Lebenszeit. Möglicherweise dann nicht mehr so die Passform, die man haben möchte und vielleicht auch nicht mehr die Ästhetik, aber Polyester überdauert jede Naturfaser bei Weitem. Das Problem besteht zum einen beim Ende des Produktlebens, wenn sie nicht ordnungsgemäß entsorgt werden, und zweitens aus Begleitprodukten, die bei der Produktion entstehen. Der Vorteil von Polyester ist aber: Es lässt sich gut recyceln.

Wie kann ich als Verbraucher darauf achten, dass ich Kleidung konsumiere, die die Umwelt weniger stark belastet?

Rabe Ich würde fast sagen, für den Verbraucher ist es nahezu ein Buch mit sieben Siegeln – ganz schön schwierig. Es hilft aktuell nur der Blick auf Zertifikate, die die Produkte kennzeichnen, indem dann auch auf Fasern aus komplett biologischem Anbau hingewiesen wird oder auf Produkte, die bei der Herstellung keine Umweltschäden erzeugt haben. Da müsste man dann schon drauf achten, dass man zu jedem Produkt die nachhaltigere Alternative sucht und da sind die in der Regel schon gekennzeichnet.

Was ja dann leider meistens auch teurer ist, oder?

Rabe Man muss dazu sagen: Fast Fashion ist die primitivste Art und Weise, Textilbekleidung herzustellen, deswegen hat sich das auch so wahnsinnig durchgesetzt, weil es so unglaublich billig ist. Bei dieser Art von Mode werden die Umweltkosten und sicherlich auch die sozialen Kosten einfach verallgemeinert. Es sind nicht die echten Prozesskosten, die der Kunde am Ende bezahlt.

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