UN-Klimabericht veröffentlicht Meeresspiegel könnte um 82 Zentimeter steigen

Stockholm · Der Weltklimarat warnt in seinem neuen Bericht vor einem um gut ein Drittel höheren Anstieg der Meeresspiegel als bislang prognostiziert. Dass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist, gilt als "extrem wahrscheinlich".

Das ewige Eis in Grönland im Klimawandel
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Der Klimawandel schreitet mit Macht voran - und daran hat der Mensch einen gewaltigen Anteil. "Die Klimaerwärmung ist eindeutig", schreiben die Forscher im ersten Teil des neuen Weltklimaberichts. Darin treffen die Wissenschaftler sicherere Annahmen über die Erwärmung der Erde, das Steigen der Meeresspiegel und das Schmelzen der Gletscher als je zuvor. Und stellen klar: Eine Entwarnung kann es nicht geben.

"Es gibt sehr viele Erfassungssysteme, mehr Satelliten und neue Instrumente, so dass man das gesamte Klimasystem besser erfassen kann", sagt Prof. Ulrich Cubasch, einer der federführenden Autoren des Berichts. "Da hat sich sehr viel getan, und deshalb hat man viel mehr Zuversicht, dass man all das, was man kennt, auch richtig darstellt."

Beunruhigende neue Erkenntnisse haben die Wissenschaftler zum weltweiten Meeresspiegel: Er könnte bis zum Ende dieses Jahrhunderts wesentlich stärker steigen als bisher erwartet. "Beim letzten Bericht fehlten zum Meeresspiegel noch Daten", sagt Cubasch - etwa zu den Gletschern und Grönland. "Jetzt hat man neue Techniken gefunden, um das abzuschätzen. Das ist ein wesentlicher Beitrag, und deshalb sind die Zahlen auch höher geworden." Während der globale Meeresspiegel zwischen 1901 und 2010 um 19 Zentimeter stieg, könnten es den Forschern zufolge bis Ende dieses Jahrhunderts 26 bis 82 Zentimeter sein.

"Die Hauptgründe dafür sind die Wärmeausdehnung des Ozeans und das Schmelzen von Gletschern, vor allem in Alaska, Patagonien, dem Himalaya und Grönland", sagt John Church, ein Hauptautor des Berichts im Bereich Meeresspiegel. Und fügt mit Blick auf kommende Jahrhunderte hinzu: "Der Meeresspiegelanstieg wird 2100 nicht anhalten, das ist eine langfristige Angelegenheit."

Temperatur könnte bis 2100 um 4,8 Grad steigen

In der Kurzfassung des neuen Berichts, über dessen Wortlaut Forscher und Regierungen in dieser Woche Tag und Nacht verhandelten, finden sich aber auch abgeschwächte Annahmen. Danach wird es auf der Erde im günstigsten Fall bis Ende des Jahrhunderts 0,3 Grad Celsius wärmer. Wenn keine Klimaanstrengungen unternommen werden, könnte die Oberflächentemperatur bis zu 4,8 Grad nach oben klettern.

"Wir sind nicht vorsichtiger geworden, aber die Formulierungen sind vorsichtiger geworden", erklärt Cubasch. "Dafür haben sich einige Staaten sehr stark gemacht." Der Druck, die Formulierungen abzuschwächen, sei sehr hoch gewesen. Eine Vorgehensweise, die dem Wissenschaftler mit Blick auf den fortschreitenden Klimawandel nicht behagt: "Ich bin eher dafür, den Leuten reinen Wein einzuschenken und nicht nur zu sagen: Wir werden höher als zwei Grad liegen."

Das Ziel der Staatengemeinschaft, die Erderwärmung bei zwei Grad zu stoppen, sei nur "ganz geringfügig leichter zu erreichen" als bislang gedacht, sagt IPCC-Leitautor Jochem Marotzke, der Chef des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg. Demnach dürfe der Mensch insgesamt nur noch so viel Kohlenstoff in die Atmosphäre bringen wie er es bislang schon getan hat. Derzeit steige der Kohlendioxidausstoß aber um zwei bis drei Prozent pro Jahr. "Das heißt in jedem Fall, wir müssen uns beim Klimaschutz noch viel mehr anstrengen als bislang."

Sehr deutlich machen die Forscher, wie hausgemacht der Klimawandel ist. "Äußerst wahrscheinlich ist der menschliche Einfluss der beherrschende Grund der beobachteten Erwärmung seit Mitte des 20.
Jahrhunderts", schreiben die Wissenschaftler. Wie viel wärmer es in Zukunft wird, wie stark Meeresspiegel steigen und Gletscher schmelzen, hat der Mensch daher auch selbst in der Hand.

Zum Zurücklehnen gibt der Report keinen Anlass. Dass sich die Erde in den letzten 15 Jahren nicht so stark erwärmt hat wie in den Jahrzehnten zuvor, biete dafür auch kein Grund, meint Cubasch - eher im Gegenteil. "Das schaukelt immer hin und her, und gerade sind wir in einer kalten Phase", erklärt Cubasch. Die Ozeane hätten momentan sehr viel Wärme aus der Atmosphäre gespeichert, das könnte sich aber irgendwann wieder umkehren. "Wir wissen, dass das wie eine Welle am Strand ist. Sie können der Welle hinterherlaufen, und wenn sie dann kommt, kriegen Sie nasse Füße."

(dpa)
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