Das RP-Klimahaus Klimasünde Mode

Düsseldorf · Jede Hose, jedes T-Shirt, selbst jede Socke, die wir kaufen, hat Einfluss auf unser Klima. Die Bedeutung der Modebranche für den Klimawandel wird häufig unterschätzt. Das ist das Problem.

 Endstation: Atacama. In der chilenischen Wüste werden Altkleider deponiert. Hier landen auch Kleidungsstücke aus Europa.

Endstation: Atacama. In der chilenischen Wüste werden Altkleider deponiert. Hier landen auch Kleidungsstücke aus Europa.

Foto: dpa/Antonio Cossio

Die Modeindustrie steht stark in der Kritik: schlechte Arbeitsbedingungen, Umweltverschmutzung und Klimaschädlichkeit. Die Probleme reichen von Mikroplastik, das in die Gewässer gelangt, bis hin zu Näherinnen, die unterbezahlt und ohne Arbeitsschutz arbeiten. Doch was ist eigentlich das Problem? Das Projekt „RP-Klimahaus“ legt den Fokus auf die Klimaschädlichkeit der Modeindustrie und gibt einen Überblick.

Was macht Mode klimaschädlich?

Kohlenstoffdioxid (CO2) und andere Treibhausgase sind für die Erderwärmung und den Klimawandel verantwortlich. Das ist nichts Neues. Tatsächlich verursacht die Modeindustrie aber einen erheblichen Anteil an diesen Emissionen. „Insgesamt acht Prozent des weltweiten CO2-Verbrauchs kann der Bekleidungs- und Schuhindustrie zugeordnet werden. Das ist weniger als der CO2-Verbrauch der Fleischproduktion, aber dennoch mehr als der gesamte Flug- und Schiffsverkehr zusammen. Es geht um vier Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2016“, schreiben die Initiatoren der Plattform „Fashion Changers“ auf ihrer Webseite. Die Mode-Aktivisten setzen sich für ein Umdenken in der Bekleidungsindustrie ein. Forscher vom Massachusetts Institute of Technology haben zudem errechnet, dass für die Herstellung eines T-Shirts aus Polyester 5,5 Kilogramm CO2-Äquivalente entstehen. Bei einem Baumwoll-Shirt sind es 2,1 Kilogramm.

Wie kommt es, dass die Kleidungsproduktion so viel klimaschädliches CO2 erzeugt?

„Das größte Problem sind die Emissionen beim Transport und bei der Produktion, weil nahezu alles im globalen Süden produziert wird“, erklärt Esther Werring. Sie ist Produktmanagerin für Mode, hat Fashion Management an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld studiert und sich auf den Bereich Nachhaltigkeit spezialisiert. Die unterschiedlichen Schritte im Entstehungsprozess eines Kleidungsstückes – der Anbau von Baumwolle, die Gewinnung von Erdöl für Polyester, das Spinnen, Färben und Nähen – finden meist in verschiedenen spezialisierten Betrieben statt. Bei all diesen Schritten entsteht CO2. Produziert wird Kleidung hauptsächlich in Asien. 90 Prozent der in Deutschland verkauften Kleidungsstücke kommen aus dem Ausland. Mehr als 50 Prozent aus China, Indien, Bangladesch und der Türkei. Der Weg zu uns ist also weit, und zudem wird der für die Produktion nötige Strom meist aus fossilen Energiequellen gewonnen. Da in China jedoch die Löhne und damit auch die Produktionskosten steigen, wird auch immer mehr in Äthiopien, Kenia, Haiti, Kambodscha und Myanmar produziert. „Die Modeindustrie zieht immer dahin, wo es am günstigsten ist. Die Länder unterbieten sich gegenseitig, um für den Kunden attraktiv zu bleiben. Das billigste Land bekommt den Auftrag“, sagt Werring.

Wie belastet der hohe Verbrauch von primären Rohstoffen das Klima?

Die Kleidungsproduktion verbraucht Rohstoffe wie Wasser, Erdöl, Baumwolle und Energie. Die meisten Kleidungsstücke werden aus Baumwolle oder Polyester, welches aus Erdöl hergestellt wird, produziert. Laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace haben rund 60 Prozent der verkauften Kleidungsstücke einen Polyesteranteil. Aus Baumwolle bestehen wiederum rund die Hälfte der weltweit verkauften Kleidungsstücke, so die Umweltschutzorganisation WWF. „Die klassische Fast-Fashion-Bluse ist aus Polyester“, bestätigt Werring. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit werden Kleidungsstücke meist aus primären Rohstoffen produziert, bei deren Erzeugung viel CO2 anfällt. Der Anteil an recyceltem Polyester ist beispielsweise sehr gering. Würde man jedoch recyceltes Polyester als sekundären Rohstoff nutzten, könnte man die CO2-Bilanz des Kleidungsstückes um 40 Prozent senken; so wird es auf der Fashion Changers-Plattform angegeben.

Ist die Fast Fashion klimaschädlich?

Als Fast Fashion werden Modelabels bezeichnet, die in einem Jahr besonders viele Kollektionen präsentieren. Die Mode wird schnell gekauft, nur kurz getragen und schnell wieder durch Neues ersetzt. Laut Greenpeace hat sich die Kleidungsproduktion von 2000 bis 2014 mehr als verdoppelt. Im Jahr 2014 wurden so erstmals mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert. Und bis 2030 soll sich der weltweite Bedarf nochmals fast verdoppeln. Durch die große Menge an Kleidung wird der CO2-Ausstoß und die Umweltbelastung verstärkt. „Diese Masse an Ware, die keiner tragen kann, ist das Problem. Unsere Kleiderschränke quellen über, und doch kauft die Mehrheit immer mehr und immer neu“, sagt Werring. Die 25-Jährige erklärt, dass so viel produziert wird, weil es meist Mengenrabatte gebe. Es sei günstiger, mehr zu produzieren. Und die Mengenrabatte gebe es nicht nur in den Nähereien, sondern beispielsweise auch beim Stoff- und Garneinkauf. „Und was hier nicht verkauft wird, kommt wieder zurück in den globalen Süden, zum Beispiel nach Chile“, sagt Werring. Chile ist der größte Importeur von Altkleidern in Lateinamerika. Tausende Tonnen Kleidung kommen jährlich in Chile an, 40 Prozent dieser werden aussortiert und in der Atacama-Wüste abgeladen. „Die Sachen reisen um die Welt, ohne dass wir sie tragen“, so Werring. Aber nicht nur die Masse an Kleidung, auch die schlechter werdende Qualität ist ein Problem.

Warum geringe Qualität schlecht für das Klima ist.

„Generell ist die Qualität bei vielen schlechter geworden“, sagt Werring. „Statt Langzeittrends setzten viele auf schnelle Mode. Oberteile, Blusen, Kleider sind trendaffin. Es geht nicht darum, dass sie lange halten und eine gute Qualität haben, sondern dass man es schnell kaufen kann.“ Die Stoffe sind dünner, Nähte verziehen sich, und Saumkanten sehen unordentlich aus, so erkenne man schlechte Qualität. Auch die Fasermischung ist ausschlaggebend. „Man fühlt das eigentlich auch. Eine Seidenbluse fühlt sich immer besser an als Polyester, auch wenn es gleich aussieht“, sagt Werring. Das Problem an der verschlechterten Qualität: Kleidung wird noch kürzer getragen und noch schneller durch Neue ausgetauscht.

Warum wird Kleidung nicht recycelt?

Aufgrund der schlechten Qualität können Kleidungsstücke oft nicht weiterverkauft und nicht recycelt werden. Die Weiterverarbeitung zu Putzlappen oder Isoliermaterial kann als Downcycling angesehen werden. Meist ist eine Weiterverwertung sogar weniger wirtschaftlich als einfach neu zu produzieren. Da die Kleidungsproduktion jedoch ein ressourcenintensiver Prozess ist, wäre es besonders wichtig, dass das Material recycelt wird. Laut der Textilstudie von 2020 des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. hat die Menge an Altkleidern in Deutschland zugenommen. Während 2013 noch 300.000 Tonnen Kleidung gesammelt wurden, waren es 2018 1,3 Millionen Tonnen. Zwölf Prozent dieser wurden verbrannt, 62 Prozent gingen in den Secondhandhandel, 14 Prozent wurden zu Putzlappen oder Dämmstoffen verarbeitet und bei etwa zwölf Prozent wurden die Fasern recycelt. Werring merkt jedoch an, dass man nicht davon ausgehen könne, dass die Kleidungsstücke, die in den Weiterverkauf gehen, in Deutschland bleiben.

Wie wird Mode nachhaltiger?

Esther Werring beobachtet, dass die Sensibilität für das Thema in den vergangenen Jahren zugenommen hat. „Nachhaltigkeit ist Trend“, sagt sie. Manche Firmen engagieren sich für einen klimabewussteren Umgang mit Kleidung. Gleichzeitig sei es durch massives Greenwashing aber gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten. Siegel können eine Orientierung sein, kleine Labels können sich diese Zertifizierung jedoch meist nicht leisten. Zudem weist Werring darauf hin, dass Konsum nie nachhaltig ist. „Auch neugekaufte Fair Fashion ist nicht nachhaltig. Aber die ist unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten besser.“

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