Extremwetter in Deutschland Mehr Stürme durch den Klimawandel - was ist dran?

Offenbach am Main · Erst Dürre, dann Sturm und Starkregen: Wetter-Extreme beeinflussen unser Leben - und können es gefährden. Nehmen solche Phänomene wirklich zu? Und was hat der Klimawandel damit zu tun? Ein Überblick.

Abgesehen von Stürmen haben Extremwetter in den letzten Jahren zugenommen.

Abgesehen von Stürmen haben Extremwetter in den letzten Jahren zugenommen.

Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/dpa-tmn

Haben Sie in den vergangenen Jahren heftige Trockenperioden erlebt? Oder heftige Unwetter mit Sturm, Starkregen und Verwüstungen? Vielleicht sogar beides? In diesen Fällen ist oft von Extremwetter die Rede.

Viele haben den Eindruck, dass solche extremen Wetterereignisse häufiger geworden sind. Ist das nur eine gefühlte Wahrheit oder gibt es dafür handfeste Belege? Die wichtigsten Antworten:

Wann gilt das Wetter überhaupt als extrem?

„Als extrem bezeichnen wir Wetter weit über der Norm“, sagt Andreas Friedrich, Diplom-Meteorologe und langjähriger Tornadobeauftrager des Deutschen Wetterdienstes (DWD). „Zur Einschätzung werden Schwellenwerte herangezogen. Bei Wind etwa die Frage: Was kann passieren?“

So gebe es bei einer erwarteten Windstärke 11 auf der Beaufort-Skala eine Unwetterwarnung. Also dann, wenn der Wind mit mindestens 103 Stundenkilometern (km/h) über das Land fegt, Bäume entwurzelt und verbreitet Schäden entstehen können.

Meteorologen verstehen unter Unwetter verschiedene Extremwetterereignisse, die Einfluss auf die „öffentliche Ordnung“ haben und Leben gefährden können: sintflutartige Regenfälle, extreme Schneefälle oder Glatteis. Außerdem zählen dazu: Stürme und Tornados.

In diesen Abstufungen warnt der DWD vor Unwettern:

  • Stufe 1, Wetterwarnung - auf den Karten mit Gelb gekennzeichnet: Das Wetter entwickelt sich nicht ungewöhnlich, sollte aber beobachtet werden, da es im Verlauf zu Gefährdungen kommen könnte.
  • Stufe 2, Warnungen vor markantem Wetter - mit Orange markiert: „Markantes Wetter“ ist ebenfalls noch kein Grund zu übermäßiger Sorge, lokal können jedoch Schäden entstehen. Auch hier gilt: Beobachten Sie die Entwicklung und die Warnlage.
  • Stufe 3, amtliche Unwetterwarnung - durch Rot signalisiert: Hier warnt der DWD vor Wetterentwicklungen, die für Menschen gefährlich werden können - etwa durch Zerstörungen. Sie sollten vorsichtig sein und Gefahrensituationen aus dem Weg gehen.
  • Stufe 4, amtliche Warnung vor extremem Unwetter - auf Karten dunkelrot dargestellt: Bei extremem Unwetter sind Menschenleben in Gefahr. Sie sollten drinnen bleiben beziehungsweise amtlichen Anweisungen folgen und sich regelmäßig informieren.

Der DWD warnt also nicht nur vor extremen Wetterereignissen, die über der Norm liegen, sondern auch schon bei potenziell gefährlichen Entwicklungen.

Bei diesen Ereignissen warnt der DWD außerdem:

  • Hitze (auch vor „extremer Hitze“)
  • UV-Belastung
  • Schneeverwehungen
  • Frost
  • Tauwetter
  • Nebel

Verändert sich das Wetter in Deutschland?

Ja, nach Ansicht von Experten ist das der Fall.

Das Wetter ändert sich. Starkregen mit über 25 Litern pro Quadratmeter und Stunde ereignen sich immer öfter.

Das Wetter ändert sich. Starkregen mit über 25 Litern pro Quadratmeter und Stunde ereignen sich immer öfter.

Foto: Silas Stein/dpa/dpa-tmn
  • Starkregenereignisse hätten in den vergangenen 20 Jahren bereits zugenommen, sagt Friedrich. Das gehe aus den Erhebungen des DWD hervor. „25 Liter pro Quadratmeter und Stunde, selbst extreme 40 Liter pro Quadratmeter und Stunde kommen immer öfter vor.“

Das heißt: Es kommt nicht nur häufiger zu Starkregen, sondern er wird auch intensiver.

  • Gleiches gilt für Hitze. „Die tödlichste Gefahr“, sagt Friedrich. Nicht Sturm und Regen kosteten die meisten Menschenleben, sondern hohe Temperaturen. Auch hier sei zu beobachten, dass Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen zunähmen.
  • Nicht verändert haben sich dem Experten zufolge bisher Stürme. Hier lasse sich keine Signifikanz feststellen. „Weder im Winter noch im Sommer“, sagt Friedrich.

Gut zu wissen: Dass in Deutschland in den vergangenen Jahren wiederholt Tornados gesichtet wurden, ist nichts Ungewöhnliches. Die Wirbelwinde gab es schon immer. Sie werden durch Wetter-Cams und Smartphone-Aufnahmen nur häufiger aufgezeichnet.

Ist der Klimawandel Schuld an den extremen Wetterereignissen?

Andreas Friedrichs klare Antwort: „Ja.“

Auch der Report, den der Weltklimarat (IPCC) im August 2021 veröffentlicht hat, spricht hier eine eindeutige Sprache: Die Oberflächentemperatur der Erde, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre und die Meeresspiegel steigen rasant.

Die Folge: Global gesehen nehmen Extremwetterereignisse wie Starkregen und extreme Hitze zu. Friedrich erklärt: Die wärmere Umgebung habe Einfluss etwa auf die Intensität von Gewittern. „Mehr Hitze bedeutet mehr Energie, die sich entlädt.“

Auch heftigerer Niederschlag ist eine logische Konsequenz der Erwärmung, da mehr Wasser verdunstet, das abregnen kann.

Klima ist nicht Wetter, also kein kurzfristiges Ereignis.

Das Wetter beschreibt nur einen kurzen Zeitraum. Klima beschreibt die Wetterbedingungen über einen langen Zeitraum.

Das Wetter beschreibt nur einen kurzen Zeitraum. Klima beschreibt die Wetterbedingungen über einen langen Zeitraum.

Foto: Boris Roessler/dpa/dpa-tmn

Das Klima setzt sich aus dem statistischen Auftreten des Wetters zusammen und wird über einen langen Zeitraum betrachtet, heißt es vom Umweltbundesamt. Als Klimawandel wird zunächst jede Veränderung des Klimas beschrieben, heißt es vom DWD.

Der entscheidende Faktor dafür ist die Sonneneinstrahlung, die etwa durch Wolken, Bestandteile in der Luft oder Bedingungen auf der Erdoberfläche reflektiert wird. Der Treibhauseffekt verhindert die Rückstrahlung ins All - das Klima auf der Erde erwärmt sich.

Dass das Klima sich verändert, ist nicht ungewöhnlich. Ein Beispiel dafür sind die Eiszeiten. Derzeit gehen Forscher allerdings davon aus, dass der Klimawandel durch das menschliche Verhalten auf der Erde befeuert wird - im wahrsten Sinne des Wortes.

Was ist der Treibhauseffekt?

Der Treibhauseffekt ist ein natürlicher und wichtiger Mechanismus, der dafür sorgt, dass auf der Erde milde Temperaturen herrschen, die Menschenleben erst möglich machen.

Doch durch unser Verhalten stören wir ein empfindliches Gleichgewicht: Kurzwellige Sonnenstrahlen erwärmen die Erdoberfläche. Diese wiederum gibt langwellige Infrarotstrahlung ab, deren Energie durch Treibhausgase nicht vollständig zurück ins All abgegeben, sondern in der Atmosphäre gehalten wird - und diese erwärmt.

„Ohne natürliche Treibhausgase läge die globale Mitteltemperatur momentan bei etwa minus 15 Grad Celsius“, heißt es vom Umweltbundesamt. Zum Vergleich: Derzeit sind es etwa 15 Grad Celsius.

Da der Mensch seit Einsetzen der Industrialisierung immer mehr Treibhausgase freisetzt, wird dieser Effekt verschärft. In der Folge wird es immer wärmer.

Ein Treibhaus lässt zwar die Sonnenstrahlen herein, aber die Wärme entweicht nicht wieder nach außen.

Ein Treibhaus lässt zwar die Sonnenstrahlen herein, aber die Wärme entweicht nicht wieder nach außen.

Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa/dpa-tmn

Mehr Wasser verdunstet, mehr Energie kann freigesetzt werden. Sowohl Unwetter als auch Dürren werden häufiger - und heftiger. Dieser menschliche Anteil wird als anthropogener Treibhauseffekt bezeichnet.

Gut zu wissen: Als Treibhauseffekt wird dieser Mechanismus in Analogie zur Funktionsweise von Gewächshäusern bezeichnet - auch Treibhäuser genannt. Diese lassen die Sonnenstrahlung zwar hinein, die Wärme wird aber nicht wieder nach außen abgegeben. Dadurch steigt die Temperatur innen deutlich.

Wie wird das Klima in der Zukunft?

Das ist die Frage, um die Wissenschaft, Politik und Gesellschaft aktuell ringen.

Andreas Friedrich zeichnet mit Blick auf Klimasimulationen des DWD ein beunruhigendes Bild für Mitteleuropa: „Die Winterniederschläge werden zunehmen, die Schneefallgrenze steigen, dadurch wird es zu mehr Flusshochwassern kommen.“ Vor allem große Flüsse wie Rhein und Elbe würden betroffen sein.

Außerdem prognostizieren die Modelle mehr und längere Hitzewellen. In deren Folge wird es durch die zusätzliche Wärmeenergie zu heftigeren Regenereignissen kommen.

„In 20 Jahren könnte es zu wochenlangen Hitzeperioden mit Temperaturen über 40 Grad Celsius kommen“, sagt Friedrich.

Kann man gegen den Klimawandel noch etwas tun?

„Es ist noch nicht zu spät“, sagt Andreas Friedrich. „Sicher kann man heute nicht einfach einen Schalter umlegen und alles ist wieder gut, aber wir haben es noch in der Hand, entsprechende Schritte zu gehen, um den CO2-Ausstoß zu verringern.“

Die große Kennziffer ist für die Wissenschaft das sogenannte 1,5-Grad-Ziel. Auf dem UN-Klimagipfel in Paris wurde 2005 beschlossen, den globalen Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Ob das allerdings überhaupt noch eingehalten werden kann, ist fraglich.

Steigt die Temperaturen weiter, rechnen Experten damit, dass bestimmte Kipppunkte des Klimas überschritten werden - etwa beim Abschmelzen der Pole.

Die Folge wäre, dass empfindliche Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten und eine gefährliche Kettenreaktion in Gang gesetzt wird.

In deren Folge würde es immer noch wärmer. Und es käme zu immer heftigeren Unwettern.

Diese Kipppunkte kennt die Wissenschaft:

  • Eiskörper: Arktis, Antarktis, Permafrostböden, Methanhydrat
  • Strömungssysteme: Umwälzströmungen des Atlantiks wie der Golf-Strom, El-Niño-Phänomen, Jet Stream, Indischer Monsun, westafrikanisches Monsunsystem
  • Ökosysteme: Amazonas-Regenwald, Nordische Nadelwälder (Borealwälder), Korallenriffe, marine Kohlenstoffpumpe

Die Auswertung diverser Studien, etwa durch den Klimaforscher David Armstrong McKay und sein Team, bringt alarmierende Ergebnisse: Einige Kipppunkte könnten bereits 2030 erreicht werden - etwa bei den Eisschilden in Grönland und der Antarktis sowie absterbenden Korallenriffen.

Mit mehr als 1,5 Grad zusätzlich wird es einerseits mehr Hitzewellen und Dürren geben, andererseits aber auch mehr Starkregen.

Mit mehr als 1,5 Grad zusätzlich wird es einerseits mehr Hitzewellen und Dürren geben, andererseits aber auch mehr Starkregen.

Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn

Zum einen ist internationales politisches Handeln gefragt. Aber auch jeder einzelne Mensch kann innerhalb seiner Möglichkeiten einen Beitrag für den Klimaschutz leisten.

So hat etwa der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) 77 Tipps Klimaschutz-Tipps zusammengetragen. Eine Auswahl:

  • Statt Plastik- oder Papiertüte beim Einkauf einen Mehrwegbeutel verwenden.
  • Das Kühlfach bei Vereisung abtauen, um einen erhöhten Stromverbrauch zu vermeiden.
  • Beim Kochen den Deckel auf den Topf tun, um den Energieverbrauch möglichst gering zu halten.
  • Duschen statt baden und idealerweise einen Niederdruck-Brausekopf oder Durchlaufbegrenzer benutzen. Beides spart Wasser.
  • Wäsche bei niedrigen Temperaturen waschen und Eco-Programme verwenden.
  • Heizkörper nicht durch Möbel oder Vorhänge verdecken, sodass warme Luft sich im Raum verteilen kann.
  • Bei Neuanschaffungen von Elektrogeräten auf die Energieeffizienzklasse achten.
  • Statt das Auto öfter mal den Bus oder das Fahrrad nutzen.
  • Wenn es doch das Auto sein muss: Möglichst niedrigtourig fahren, um Sprit zu sparen.
  • Statt einem neuen Smartphone nach einem gebrauchten („refurbished“) Ausschau halten. Das spart Rohstoffe für die Neuherstellung.

© dpa-infocom, dpa:210812-99-816077/114

(dpa)
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