Neue Klimabilanz Deutschland schafft sein Klimaziel für 2020 - Corona sei Dank

Berlin · Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind im vergangen Jahr so stark zurückgegangen wie seit der deutschen Wiedervereinigung nicht mehr. Umweltministerin Svenja Schulze will den Erfolg auch für sich verbuchen. Ohne die Pandemie aber wäre er nicht möglich gewesen.

 Bundesumweltministerin Svenja Schulze und der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, stellen die Klimabilanz 2020 vor.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze und der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, stellen die Klimabilanz 2020 vor.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist sichtlich darum bemüht, den Eindruck zu vermeiden, dass die Treibhausgasemissionen im vergangenen Jahr nur wegen der Corona-Pandemie deutlich zurückgegangen sind. Schließlich will sie es auch als klimapolitischen Erfolg für sich verbuchen, dass Deutschland sein Klimaziel 2020 erreicht hat: Um 40,8 Prozent sanken die Emissionen in Deutschland im Vergleich zu 1990. Damit wurde die 40-Prozent-Zielmarke bis 2020 sogar leicht übertroffen. Insgesamt wurden 70 Millionen Tonnen weniger CO2 als 2019 freigesetzt. Das sei der stärkste Rückgang binnen eines Jahres seit der deutschen Wiedervereinigung, wie die Ministerin bei der Vorstellung der neuen Klimabilanz am Dienstag in Berlin betont. Schulze spricht von großen Fortschritten seit 2018 - „Fortschritte, die mir und dieser Regierung vor drei Jahren wahrscheinlich kaum jemand zugetraut hat.“ Es wirkt am diesem Vormittag ganz so, als wolle die Umweltministerin nicht nur die Bilanz der Klimawerte anpreisen, sondern auch die eigene.

Dennoch: Corona hat zum Emissionsrückgang beigetragen. Gut ein Drittel der Minderungen sind auf die Folgen der Pandemie zurückzuführen, wie aus den Daten des Umweltbundesamtes (UBA) hervorgeht. Grund dafür ist unter anderem der Rückgang in der Produktion während des Lockdowns im vergangenen Frühjahr. Zudem ist die individuelle Mobilität eingebrochen: weniger Autofahrten, weniger Flugreisen. Ohne diese Corona-Effekt hätte Deutschland sein Klimaziel 2020 verfehlt, sagt UBA-Präsident Dirk Messner, der gemeinsam mit Schulze die Bilanz präsentiert. „Das bedeutet, dass die Emissionen wieder steigen werden, wenn die Wirtschaft anspringt“, warnt Messner.

Die Ministerin dürfte es dennoch freuen, dass der UBA-Präsident das von ihr angestoßene Klimaschutzgesetz als „Gamechanger“ bezeichnet. Das Gesetz sieht vor, dass jeder Sektor, wie etwa Energie oder Verkehr, verbindliche Emissionsobergrenzen einhalten muss. Alle Ministerinnen und Minister seien dadurch nun „Klimaschutzministerinnen und –minister“, sagt Schulze dazu, Werden die Minderungsziele jedoch verfehlt, bewertet zunächst ein Expertenrat die jeweiligen Emissionsdaten. Danach muss das betreffende Ministerium ein Sofortprogramm vorlegen, das die Einhaltung der Emissionsmengen für die folgenden Jahre sicherstellen soll.

Das trifft nun Innen- und Bauminister Horst Seehofer (CSU). Anders als in allen anderen Sektoren wurde das Minderungsziel im Gebäudebereich 2020 um zwei Millionen Tonnen CO2  verfehlt. Seehofer muss bis etwa Mitte Juli ein solches Sofortprogramm vorlegen. Am besten schneiden beim Emissionsrückgang im vergangen Jahr der Energie- und der Verkehrsbereich ab.

Die Einhaltung des 40-Prozent-Klimaziels ist laut Schulze dennoch kein Grund zum Ausruhen. Das geplante Ausbautempo für Wind- und Sonnenstrom müsse in diesem Jahrzehnt verdoppelt werden. Ein Jahrzehnt des „offensiven Klimaschutzes“ stehe bevor, so Schulze.

Rückendeckung bekommt sie von ihrem Parteikollegen Matthias Miersch. „Insgesamt gilt es, nicht abstrakt über Ziele zu reden, sondern jetzt Jahr für Jahr den Ausbau der Erneuerbaren zu steigern und vor allem im Gebäude- und Mobilitätssektor endlich die Hausaufgaben zu machen“, sagt der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Die Corona-Pandemie zeige, wie wichtig „ein starker handlungsfähiger Staat“ sei, der in schwierigen Zeiten notwendige Entscheidungen treffen und Sicherheit bieten könne.

Eine Brücke zwischen Pandemie und der Klimakrise schlägt auch der frühere Umweltminister Norbert Röttgen - und auch er pocht auf mehr Nachdruck beim Klimaschutz. Die Pandemie habe gezeigt: „Wenn die Politik auf Wissenschaft gestützt und lösungsorientiert vorgeht und transparent kommuniziert, kann sie die Bevölkerung mitnehmen. Diese ermutigende Lehre sollte die Politik auf die Klima- und Umweltpolitik übertragen“, sagte Röttgen unserer Redaktion. Dem Klimawandel könne mit wissenschaftlichen Erkenntnissen entgegengetreten werden. Der Unterschied sei, dass bei der Pandemie in kürzester Zeit gehandelt werden müsse, „während sich die Folgen des Klimawandels langsamer und später abzeichnen“, so der CDU-Politiker „Davon sollten wir uns jedoch nicht trügen lassen. Handeln wir zu langsam, sind die Schäden nicht mehr einzudämmen."

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