Eismassen rutschen ab Kettenreaktion in der Antarktis droht

Bremerhaven · In der Antarktis könnte es in den nächsten Jahrzehnten eine verheerende Kettenreaktion geben. Anders als lange angenommen wirke sich der Klimawandel auch auf das Weddellmeer aus, das größte Randmeer des Südlichen Ozeans am antarktischen Kontinent, berichten Wissenschaftler des Bremerhavener Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung (Awi) im Fachmagazin "Nature". Ihre Analyse zeige, dass die warmen Wassermassen dort dem Filchner-Ronne-Schelfeis heftig zusetzen werden. Dieses wiederum falle dann als Barriere für nachrutschendes Inlandeis weg.

 In der Antarktis könnte es in den nächsten Jahrzehnten eine verheerende Kettenreaktion geben.

In der Antarktis könnte es in den nächsten Jahrzehnten eine verheerende Kettenreaktion geben.

Foto: dpa, Ralph Timmermann, AWI

Das Filchner-Ronne-Schelfeis bedeckt eine große Bucht des Weddellmeeres. Es werde noch in diesem Jahrhundert rapide zu schmelzen beginnen, schreiben die Awi-Forscher. In der Folge könnten große Mengen von Inlandeis in den Ozean abrutschen, da das Schelfeis als Barriere wegfalle. Dies wiederum würde zu einem Anstieg des Meeresspiegels führen.

Auch eine zweite, im Fachmagazin "Nature Geoscience" veröffentlichte Studie weist auf eine solche Entwicklung hin. Die Wissenschaftler um Martin Siegert von der Universität von Edinburgh (Großbritannien) hatten per Radio Echo Sounding (RES) die Eisdecke des Weddellmeeres analysiert. Demnach existiert dort ein großes, steil abfallendes Becken mit glattem Grund - das einem Eisrutsch wenig entgegensetzen werde.

Bislang sei angenommen worden, dass das Schelfeis des Weddellmeeres wegen seiner Randlage von direkten Einflüssen der Erderwärmung verschont bleibe, schreiben die Awi-Forscher. "Gebiete wie das Filchner-Ronne-Schelfeis und das Ross-Schelfeis galten lange Zeit als unverwundbar", sagte Awi-Ozeanograph und Erstautor der Studie, Hartmut Hellmer, der Nachrichtenagentur dpa. Die Wassermassen des Weddellmeeres schienen kalt genug, um dem Schelfeis nichts anhaben zu können.

Steigende Lufttemperaturen könnten aber innerhalb der nächsten 60 Jahre eine Wärmebrücke in die Kältezone schlagen und das heute noch solide Meereis brüchiger machen, sagte Hellmer. Dadurch werde eine Grenze von Wassermassen aufbrechen, die bislang den Zustrom von warmem Wasser unter das Schelfeis verhindert. "Wenn sich diese schützende Barriere bis zum Ende des Jahrhunderts auflöst, schmilzt das Filchner-Ronne-Schelfeis von unten."

Die Schmelzrate werde von heute fünf Metern jährlich auf bis zu 50 Meter pro Jahr steigen, schätzt Awi-Ozeanograph Jürgen Determann. Er geht von 1600 Gigatonnen schmelzendem Schelfeis pro Jahr aus. Wie im Fall einer solchen Megaschmelze das hinter dem Schelfeis liegende Inlandeis reagieren wird, sei noch offen.

Die Forscher nehmen an, dass sich das Inlandeis in Bewegung setzen und immer schneller nachrutschen wird, wenn die bremsenden Flächen des Schelfeises dünner werden. Falls das schmelzende Eis komplett durch nachfließendes Inlandeis ausgeglichen werde, entspräche dieser Massenverlust einem zusätzlichen Meeresspiegel-Anstieg von 4,4 Millimetern pro Jahr.

(dpa)
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