Weltklimagipfel in Kopenhagen Ein Gipfel, der nicht scheitern darf

Berlin (RPO). Die ganze Welt schaut nach Dänemark: aber ein Kopenhagen-Abkommen wird es nicht geben. Zwei Jahre lang hat sich die Welt darauf eingeschworen, in der dänischen Hauptstadt ab dem 7. Dezember einen neuen Klimapakt zu schmieden. Parteien und Verbände in Deutschland warnten vor einem Scheitern des Gipfels.

Chronik der Weltklimagipfel
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Foto: ddp

Die 15. Weltklimakonferenz, zu der die Rekordzahl von 18.000 Teilnehmern aus 192 Ländern erwartet wird, wurde bereits als "wichtigste Konferenz in der Geschichte der Menschheit" tituliert. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach zuletzt von einer der bedeutsamsten Wirtschaftskonferenzen aller Zeiten. Selbst BDI-Chef Hans-Peter Keitel meint: "Wir stehen an einem entscheidenden Punkt." Vieles spricht also dafür, dass zum Schluss der Konferenz am 19. Dezember ein Ergebnis verkündet wird. Offen ist, ob es mehr sein wird als luftiges Gesäusel."

Kopenhagen könne nur dann als Erfolg gelten, wenn sich die 192 Teilnehmerstaaten auf eine Begrenzung der Erderwärmung um höchstens zwei Grad verpflichteten, sagte Röttgen: "Wenn wir so weitermachen wie bisher, wäre ein Leben auf unserem Planeten, wie wir es bisher kennen, nicht mehr möglich."

Auf ein positives Echo stieß die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, nun doch an der Schlussrunde der Konferenz teilzunehmen. Röttgen wertete sie als "eindeutiges Signal, dass Obama den Erfolg will". Obamas Teilnahme an der entscheidenden Phase des Gipfels sei "positiv" und gebe den Verhandlungen "politisches Gewicht", erklärte Schweden Regierungschef Fredrik Reinfeldt als EU-Ratspräsident. Auch Paris und London begrüßten Obamas Umdenken.

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace freute sich über die Teilnahme von Obama am Treffen der Staats- und Regierungschefs am 18. Dezember. "Die Entscheidung von Präsident Obama ist ein sehr wichtiger Schritt: Jetzt sind die Oberhäupter der Länder mit dem größten CO2-Ausstoß alle an Bord in Kopenhagen... Damit sind alle Voraussetzungen für ein historisches Weltklimaabkommen gegeben", erklärte Greenpeace-Experte Martin Kaiser. Der WWF erklärte: "Wir müssen das einzigartige Momentum für den Klimaschutz in Kopenhagen nutzen und damit unsere Lebensgrundlagen bewahren."

Gigantische Aufgabe

Das Verhandlungspaket von Kopenhagen ist ein Riesenbündel offener Fragen. Aus der Nähe betrachtet geht um eine Menge kleinteiliger "eckiger Klammern" in einem weitestgehend undurchdringlichen Vertragsentwurf. Tatsächlich aber sind politische Grundsatzentscheidungen gefragt, wie die Weltwirtschaft so umgebaut wird, dass der Planet die Last von bald neun Milliarden Menschen aushält. "Der Klimagipfel in Kopenhagen muss die Weichen für den Klimaschutz im 21. Jahrhundert stellen", fasst Greenpeace zusammen.

Deshalb ist bei der Konferenz trotz allem eine Menge zu entscheiden. Sind sich alle einig, dass die Temperatur auf der Erde um nicht mehr als zwei Grad steigen darf, wie es die Wissenschaft vorgibt? Wer übernimmt wie viel von der gigantischen Aufgabe, das Ruder schon in wenigen Jahren herumzureißen und den Kohlendioxidausstoß von heute etwa 30 Milliarden Tonnen im Jahr bis 2050 auf ein Minimum zu drücken? Und, vielleicht die wichtigste Frage: Wer zahlt?

Industrieländer gefragt

Bei der Verminderung der Treibhausgase gibt es klare Ansagen des Weltklimarats IPCC. Die Industrieländer müssen bis 2020 ihre Emissionen um 25 bis 40 Prozent unter den Wert von 1990 drücken. Geboten haben viele Regierungen bisher weit weniger. Deutschland und Norwegen liegen mit Ankündigungen von minus 40 Prozent am oberen Rand, die EU als Ganzes mit 30 Prozent zumindest noch im Rahmen. Die USA dagegen halten nur ein Minus von etwa vier Prozent von 1990 bis 2020 für möglich.

In der Summe kämen nach Berechnungen der Vereinten Nationen nur etwa 16 bis 23 Prozent Verringerung zusammen. Erwartet wird allerdings, dass die Unterhändler von Kopenhagen - darunter mehr als 60 Staats- und Regierungschefs - noch Verhandlungsspielraum mitbringen.

Für die Entwicklungs- und Schwellenländer soll ein anderer Maßstab gelten als für die Industrieländer: Ihre Emissionen sollen dank nachprüfbarer Klimaschutzmaßnahmen nur langsamer wachsen. Sie sollen zusagen, um 15 bis 30 Prozent unter der Kurve bleiben, die bei "business as usual" zu erwarten wäre. China hat inzwischen ein Angebot vorgelegt, das aber auch noch nicht das letzte Wort sein dürfte.

Schwindelerregende Summen

Daneben versuchen Industrie- und Entwicklungsländer, sich in einem Unterabkommen namens REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) darüber einig zu werden, wie die tropischen Regenwälder der Erde erhalten werden können. Bis zu 20 Prozent der von Menschen verursachten Emissionen gehen darauf zurück, das Wald abgeholzt, niedergebrannt oder ausgedünnt wird. Für die Erhaltung dieser riesigen grünen Lungen der Erde brauchen die Entwicklungsländer jedoch finanzielle Unterstützung.

Überhaupt: Das Geld. Es geht um schwindelerregende Summen. Für die Verringerung der Emissionen, die Anpassung an die bereits spürbaren Folgen des Klimawandels wie steigende Meeresspiegel, Dürren oder Überschwemmungen und den Waldschutz sollen dreistellige Milliardenbeträge von den reichen in die armen Länder fließen. Die genannten Summen schwanken von 100 bis 300 Milliarden Euro pro Jahr. Das Geld muss nicht nur aufgetrieben, sondern dann auch noch weltweit gerecht verteilt werden.

"Eine Art Überlebenskampf"

All dies muss aus Sicht der Bundesregierung in Kopenhagen geklärt werden, damit die Megakonferenz doch noch als Erfolg verbucht werden kann. Danach sollen binnen sechs Monaten nur noch die Juristen die Feinarbeit erledigen.

Möglich wird dies, wenn überhaupt, nur in einem Kraftakt, so wie es auch vor zwei Jahren auf Bali war. "Manchmal kommt es mir selbst vor wie eine Art Überlebenskampf", sinniert UN-Experte Hay. Am Ende wird nicht mehr geschlafen werden: Die Delegierten schmoren in den Konferenzräumen, bis in unendlich mühsamem Wortgeklaube Verhandlungstexte ausgeschwitzt sind. Tränen, Zusammenbrüche, Wutanfälle - alles haben die Veteranen der Klimakonferenzen bereits auf den letzten Metern erlebt. Erfolg durch Ermüdung, das scheint die einzige Chance für einen Durchbruch zu sein.

(AP/afp/felt)
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