Klimaforscher appellieren an Politiker "Dies ist der letzte Aufruf"

Berlin/Washington (RPO). In zwei Wochen beginnt der Klimagipfel in Kopenhagen. Die Hoffnungen auf ein bindendes Abkommen gehen gegen Null. Die Politiker der 192 Staaten können sich nicht einigen. Nun richten führende Klimaforscher einen dramatischen Appell an die Unterhändler. Sollte sich nicht sofort etwas ändern, kommt alles noch viel schlimmer.

Klimawandel: Was auf uns zukommt
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"Dies ist der letzte wissenschaftliche Aufruf an die Unterhändler von 192 Staaten, den Klimaschutz-Zug in Kopenhagen nicht zu verpassen", erklärte Klima-Experte Hans Joachim Schellnhuber am Dienstag.

Im Kampf gegen die Erderwärmung müsse der Treibhausgas-Ausstoß bis 2100 gegen Null gehen, forderten Schellnhuber - der Chef des rennomierten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) - und rund zwei Dutzend seiner internationalen Kollegen.

Die Wissenschaftler stellten ihre "Kopenhagen-Diagnose" zum Stand der Klimawandel-Forschung vor: Demnach müssten die Klimagas-Emissionen in spätestens fünf bis zehn Jahren ihren Gipfel überschritten haben und dann rapide sinken. Nur so ließen sich die ärgsten Folgen der Erderwärmung verhindern.

Die Klima-Unterhändler "müssen die ganze Wahrheit über die globale Erwärmung und die damit verbundenen nie dagewesenen Risiken kennen", mahnte Schellnhuber.

Folgen der Erderwärmung werden früher eintreten

Den Wissenschaftlern zufolge werden einige Aspekte der Erderwärmung früher oder heftiger eintreten als zuvor prognostiziert. So könnte die weltweite Durchschnittstemperatur bis 2100 um bis zu sieben Grad steigen, wenn der CO2-Ausstoß nicht drastisch gesenkt wird. Bis 2050 müssten den Forschern zufolge die jährlichen Pro-Kopf-Emissionen an CO2 auf unter eine Tonne sinken - das wären 80 bis 95 Prozent weniger als der Pro-Kopf-Ausstoß in den Industrieländern im Jahr 2000.

Würde der Welt ein Budget an Klimagas-Emissionen zur Verfügung gestellt, um die Erderwärmung langfristig auf zwei Grad zu begrenzen, blieben nach den Prognosen der Forscher für die Jahre 2010 bis 2050 noch rund 650 Milliarden Tonnen an möglichem CO2-Ausstoß. Bleibt es jedoch beim "business as usual", wird also weiter soviel CO2 wie bisher in die Luft geblasen, würde dieses Budget nur noch für maximal zwanzig Jahre reichen.

Ein ranghoher US-Vertreter sagte am Montag in Washington, um beim am 7. Dezember beginnenden Kopenhagen-Gipfel umfassende Vereinbarungen zu erzielen, müssten die Teilnehmerländer "aussagekräftige Vorschläge" vorlegen. Einzelheiten seien "in den kommenden Tagen" zu erwarten. Dies gelte auch für die Frage, ob Präsident Barack Obama persönlich nach Kopenhagen reist. Die Chancen auf ein rechtsverbindliches Klimaabkommen in Kopenhagen gelten als gering, stattdessen könnten sich die Teilnehmer auf eine politische Rahmenvereinbarung verständigen. Das geltende Klimaschutz-Protokoll von Kyoto läuft 2012 aus.

Die USA arbeiten an einem eigenen Klimaschutzgesetz. Wegen des innenpolitischen Widerstands gilt es aber als ausgeschlossen, dass der US-Senat den Gesetzentwurf vor dem Gipfel verabschiedet.

Fünf Erden wären nötig

Eine Studie kommt unterdessen zu dem Schluss, dass für den Ressourcenbedarf der Menschheit fünf Erden nötig wären, wenn jeder Mensch natürliche Ressourcen so ausschweifend nutzte wie die US-Bürger. Wie aus der am Dienstag präsentierten Untersuchung der Denkfabrik Global Footprint Network hervorgeht, sind derzeit theoretisch schon anderthalb Erden vonnöten, um Ressourcen zu produzieren und die Emissionen aufzufangen. "Die Erde braucht knapp anderthalb Jahre, um die ökologischen Dienstleistungen bereitzustellen, die die Menschheit pro Jahr verbraucht", kritisiert der Bericht. Wenn der Ressourcenverbrauch mit dem aktuellen Tempo voranschreite, seien Anfang der 2030er Jahre zwei Planeten Erde nötig.

(AFP/felt)
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