Klimagipfel in Kopenhagen Die Deutschen wagen sich weit vor

Berlin/Kopenhagen (RP). So ambitioniert wie Norbert Röttgen (CDU) ging noch kein Umweltminister auf einen Klimaschutzgipfel. Sollte er sich mit seinen ehrgeizigen Zielen durchsetzen, dürfte er in der Wirtschaft Deutschlands und Europas eine grüne Revolution auslösen. Doch auch der Widerstand ist bedeutend.

Chronik der Weltklimagipfel
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Foto: ddp

Deutschland sieht sich einmal mehr als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Und es ist wieder der Chef des Umweltressorts, diesmal der CDU-Politiker Norbert Röttgen, der den meisten Druck erzeugt. Wie seine christdemokratischen Vorgänger Klaus Töpfer und Angela Merkel hat der rheinische Politiker den Klimaschutz zum zentralen Thema seiner Politik gemacht.

Ohne Wenn und Aber

Ehrgeizig genug sind seine Ziele. Deutschland will die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent senken ­— ohne Wenn und Aber. Röttgen geht damit über seinen unmittelbaren Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) hinaus. Der hatte die Zusage von der Bereitschaft der anderen Industrieländer abhängig gemacht, den Ausstoß des Klimagases CO2 um ähnliche Größenordnungen zu vermindern. Merkels Jungstar im Kabinett verzichtet hingegen auf Netz und doppelten Boden. Er hat seinen Beitrag bereits festgelegt, egal was die anderen letztlich zu geben bereit sind.

Und Röttgen ist damit nicht am Ende. Die endgültige Rettung des Planeten ist nur möglich, wenn die Industrieländer ihren Kohlendioxid-Ausstoß bis 2040/2050 um 80 Prozent absenken. Das bedeutet nicht weniger als den kompletten Umbau der Energie-, Verkehrs- und Gebäudesysteme. Es würde eine grüne Revolution in Deutschlands Wirtschaft auslösen. Umweltminister Röttgen ist dazu entschlossen. Im stillen Einvernehmen mit seiner Kanzlerin.

Teuer wird es obendrein

Teuer wird es für die Deutschen obendrein. Denn um auch die Entwicklungsländer ins Boot zu bekommen, muss der Westen Ausgleichszahlungen für deren Investitionen in den Klimaschutz leisten. Nach Berechnungen der Europäischen Union brauchen die Entwicklungsländer mindestens 100 Milliarden Euro, um ihren Part an den globalen Klimaschutz-Maßnahmen zu finanzieren. Für den Umbau der europäischen Wirtschaft würden noch einmal 75 Milliarden hinzukommen. Den größten Teil müsste Deutschland beisteuern. Auch dazu ist Umweltminister Röttgen bereit.

Bei soviel Kosten dürfte indes der Widerstand gegen die ehrgeizigen Ziele zunehmen. Nur eine Autostunde von Röttgens Wahlkreis entfernt liegt das Zentrum der deutschen Aluminiumindustrie ­ zwischen Grevenbroich und Neuss-Norf. Sie gilt als gefährdet. Auch die Stahl- und Chemiebranche sieht mit Furcht auf den umtriebigen Umweltminister. Der will zwar die Industriezweige in Deutschland halten, aber eine Standortgarantie gibt der CDU-Politiker nicht.

Weltumspannendes Netz von Zertifikaten

Um die industriellen und wirtschaftlichen Kosten des Umweltschutzes niedrig zu halten, empfehlen Ökonomen ein weltumspannendes Netz von Zertifikaten, die den Ausstoß an Kohlendioxid lenken. Man könnte die großzügig den Entwicklungs- und Schwellenländern zuteilen und dort einen erheblichen Anreiz zu Klimaschutzinvestitionen schaffen. Denn der Verkauf der Zertifikate an Industrieländer dürfte für die aufstrebenden Staaten schnell zum großen Geschäft werden.

Dieser Idee stehen Merkel und Röttgen sehr positiv gegenüber. Der Klimaschutz würde so mit dem geringsten ökonomischen Aufwand sichergestellt. Allerdings sind die Widerstände sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern zu groß. Die Bundesregierung hat sich deshalb mit anderen Ländern auf die Strategie nationaler Ziele festgelegt. Das kostet freilich mehr. Ökonomen wie der Brite Nicholas Stern rechnen mit einem Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, bei ehrgeizigeren Zielen sogar mit einer Verdoppelung auf zwei Prozent.

USA teilweise auf deutsche Seite gezogen

Diese höheren Kosten würde die deutsche Regierung akzeptieren, käme dafür ein echtes Klimaschutzabkommen zustande. Immerhin hat Merkel die USA wenigstens teilweise auf ihre Seite gezogen. Die Vereinigten Staaten, so die Kanzlerin, hätten das Ziel, die Erderwärmung bis 2050 auf zwei Grad zu stoppen, anerkannt. Nun seien die aufstrebenden Staaten in der Pflicht. "Insbesondere Indien und China müssen noch zulegen”, sagte Merkel. Dann bestehe eine Chance, dass der Klimagipfel ein Erfolg wird.

(RP)
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