Weltklimagipfel von Kopenhagen Am Ende blieb nur Chaos

Kopenhagen (RPO). Am Ende blieb das Chaos. Die schmutzigen Teller mit den halb gegessenen Linsengerichten. Die leeren Flaschen und Plastikbecher zwischen Laptops und Kopfhörern. Die kollabierten Delegierten und Journalisten, die sich quer über die grauen Plastikstühle gelegt hatten oder, mit etwas Glück, in eines der kurzen Ledersofas im Bella Center, wo sie mit halb offenen Mündern in komatösen Schlaf versunken waren.

Die Ergebnisse vom Klima-Gipfel in Kopenhagen
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Foto: ddp

Es war der Morgen danach. Spät in der Nacht hatte US-Präsident Barack Obama einen "unerwarteten Durchbruch" bei der Weltklimakonferenz von Kopenhagen verkündet. Eine Gruppe von etwa 30 Staatenlenkern aus aller Welt hatten in mühsamer Kleinarbeit einen Kompromiss erarbeitet. Für einen Moment schien es, als gäbe es doch ein achtbares Ergebnis dieser gigantischen Veranstaltung, zu der für zwei Wochen bis zu 45.000 Menschen in die dänische Hauptstadt gereist waren.

Daran weckte gegen Mitternacht Bundeskanzlerin Angela Merkel schon kleine Zweifel. Sie sprach offen von "gemischten Gefühlen" und ließ durchblicken, dass sie dem "Copenhagen Accord" nur mit Bauchschmerzen zugestimmt habe, um die Konferenz vor völligem Scheitern zu bewahren. Zu diesem Zeitpunkt wusste die deutsche Regierungschefin allerdings noch nicht, dass die Mammutveranstaltung mit 193 Staaten über Nacht noch weiter ins Desaster schlittern würde.

Merkel musste beidrehen

Ein verbindliches und umfassendes politisches Dokument hatte Merkel gewollt, einen Grundstock für das geplante Weltklimaabkommen, der dann nur noch kurz von einigen Juristen glatt gebügelt werden sollte. Spätestens in sechs Monaten sollte das historische Abkommen in allen Einzelheiten ausgearbeitet sein.

Alle Elemente sollten aber schon in Kopenhagen auf dem Tisch liegen: die Begrenzung des gefährlichen Temperaturanstiegs auf der Erde auf weniger als zwei Grad; verbindliche Zusagen zur Minderung von Klimagasemissionen; verbindliche Hilfezusagen von reichen an arme Länder, die mit den Folgen des Klimawandels und mit dem Umbau ihrer Wirtschaft kämpfen. Alles das, ergänzt um verbindliche Absprachen zur Überprüfung der luftigen Ankündigungen einzelner Staaten.

Doch am Ende von etwa zehnstündigen Verhandlungen mit Obama und den anderen Staats- und Regierungschefs musste Merkel beidrehen. Die meisten ihrer Ziele fanden nur in verschwurbelter, windelweicher Form in das dreiseitige Schlusspapier, das schließlich Freitagabend kurz nach 22.00 Uhr auf dem Tisch lag.

Merkels Haupterfolg: Das Zwei-Grad-Ziel scheint nun wirklich von der gesamten Welt akzeptiert, was "alles andere als selbstverständlich" ist, wie Merkel selbst sagte. Es war die absolute Minimalanforderung der Deutschen an die Vereinbarung von Kopenhagen.

Auf der Habenseite standen am Ende auch noch die zugesagten Finanzhilfen von zunächst 30 Milliarden Dollar an Entwicklungsländer. Große Löcher klafften dagegen bei konkreten Zielen zur Senkung der Klimagase, was Merkel auch bitter vermerkte. Unter dem Strich habe sich die Arbeit dennoch gelohnt, meinte die Kanzlerin. "Wir sind einen Schritt vorangekommen, aber ich hätte mir mehr Schritte gewünscht." Sprach's und reiste, schon weit nach Mitternacht, zurück nach Berlin.

Das letzte Gefecht

Im Kongresszentrum Bella Center musste nun allerdings Umweltminister Norbert Röttgen ins letzte Gefecht. Die Regierungschefs, darunter Vertreter aller Regionen der Welt, einigen sich, und die übrigen Staaten der UN-Konferenz folgen - so war die Idee.

Die Rechnung ging nicht auf. Stattdessen folgte auf der UN-Konferenz erbitterter Widerstand einiger Entwicklungsländer, die sich übergangen fühlten oder denen das dünne Papier schlicht zu wenig war. Man lasse sich nicht kaufen, schmetterte der Vertreter des Inselstaats Tuvalu dem US-Präsidenten entgegen.

Kuba, Bolivien, Venezuela, Sudan - insgesamt war es nur eine Handvoll Länder, die ihren Protest offiziell anmeldete. Aber es reichte, die "Vereinbarung von Kopenhagen" zu blockieren, denn offizielle UN-Entscheidungen müssen einstimmig getroffen werden. Unterbrechung der Verhandlungen, Verzweiflung, Frustration, gutes Zureden, diplomatische Tricks.

Mit Hängen und Würgen gelang es der Konferenzführung schließlich am Samstagvormittag, nach mehr als 24 Stunden Dauerverhandlungen, doch noch, das Papier vor dem Papierkorb zu bewahren: Man ließ es vom Plenum der Konferenz "zur Kenntnis nehmen". Die Erklärung hat damit einen anderen diplomatischen Status als offizielle Papiere, was aber kaum eine Rolle spielt, weil es ohnehin nicht rechtlich verbindlich ist.

So erleichtert sich Röttgen zeigte, dass das Papier nicht ganz unterging, am Ende dieser dramatischen Woche war der neue Umweltminister doch einigermaßen ernüchtert. "Das ist viel weniger als gedacht", sagte der übernächtigte CDU-Politiker in einer letzten Pressekonferenz am Flughafen. Aber: "Es ist ganz wichtig, jetzt den Blick nach vorn zu richten."

Der Blick geht nach Mexiko, zur nächsten Weltklimakonferenz Ende 2010. Dort könnte sich das Drama von Kopenhagen in einem Jahr wiederholen.

(AP/top)
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