Diese Sprache versteht keiner Kampf dem Amtsdeutsch

Bochum (RP). Eine Tagung in Bochum beschäftigt sich mit der oft unverständlichen Behördensprache. Wissenschaftler der Ruhr-Universität wollen Städten und Kommunen helfen, Wort-Ungetüme zu vermeiden. Das ist auch bitter nötig, wie ein Blick in die katastrophale Sprachpraxis der Amtsstuben zeigt.

So viel kostet Unternehmen unsere Bürokratie
Infos

So viel kostet Unternehmen unsere Bürokratie

Infos
Foto: ddp

Manche Dinge bringen einen dort ins Grübeln: "In Anwendung des § 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) — in der zurzeit gültigen Fassung — ist die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen zu erteilen, wenn bei dem Bewerber nicht Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist." So erklärte die Stadt Wuppertal, wer einen Führerschein bekommt — und wer nicht. "Schlimm, wenn die Leute einen Brief von der Verwaltung erhalten und nur noch denken: ,Häh?'", sagt Thomas Eiting, Sprecher der Stadt.

Die Akten der Behörden sind bis zum Rand voll mit bürokratischen Worterfindungen. Eine Auswahl der skurrilsten Beispiele haben wir hier für Sie zusammengestellt. Außerdem sind wir interessiert an Ihren persönlichen Erfahrungen mit dem Amtsschimmel. Sind Sie auch schon an so manchem Begriff gescheitert? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an diese Adresse! Wir sammeln die schönsten Begegnungen unserer Leser mit dem Amtsdeutsch.

Keiner versteht diese Sprache

Deshalb hat sich die Stadtverwaltung vor zwei Jahren entschieden, am Projekt "Idema" (Internetdienst für moderne Amtssprache) unter der Leitung von Hans-Rüdiger Fluck teilzunehmen. Das Projekt des Germanistischen Instituts an der Ruhr-Uni Bochum will Städten, Kommunen und anderen Behörden helfen, ihre Formulare von Wort-Ungetümen zu befreien und verständlicher zu schreiben. Dazu findet bis heute in Bochum eine Tagung unter dem Motto "Amtsdeutsch a.D." statt, auf der Wissenschaftler, Politiker und Verwaltungsfachleute über eine einfachere Amtssprache diskutieren. Gestern wurde das Projekt mit dem Preis der Bundesregierung "Ausgewählter Ort im Land der Ideen" ausgezeichnet.

Auch aus dem Ausland sind Experten angereist. "Die Probleme mit der Amtssprache sind nicht typisch deutsch, sondern existieren weltweit", sagt die Sprachwissenschaftlerin Michaela Blaha, die "Idema" mit aufgebaut hat. Die Hoffnung der Wissenschaftler: durch internationale Kontakte voneinander lernen zu können. "Frankreich zum Beispiel hat für die Verwaltungskräfte ein elektronisches Schreibtraining entwickelt", erklärt Blaha. In den Niederlanden gebe es einen Erlass, dass Schreiben vom Amt verständlich sein müssten. Solche Ideen ließen sich kopieren.

22 Städte und Kommunen sind dabei

Bisher nehmen 22 Städte und Kommunen deutschlandweit an dem Projekt teil. Das kostet: Je nach Größe der Behörde verlangt "Idema" zwischen 1400 und 5500 Euro im Jahr für die Mitgliedschaft. Wuppertal zahlt rund 5000 Euro jährlich. Doch das lohne sich, sagt Eiting: "Zum einen prüfen die Sprachwissenschaftler unsere Formulare und schicken uns Verbesserungsvorschläge, zum anderen können wir in der Datenbank im Internet nachschlagen, wie andere Städte das handhaben." Die anfangs erwähnte Formulierung gibt es nun — dank "Idema" — nicht mehr, stattdessen wurde deutlich gekürzt. Nun heißt es bei der Stadt Wuppertal also: "Eine Fahrerlaubnis erhält nur, wer zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist (§ 2 Straßenverkehrsgesetz — StVG)."

Eine einfachere Sprache in Formularen und Anschreiben beschere auch weniger Ärger und Arbeit, sagt der Stadtsprecher: "Ich möchte nicht wissen, wie viele Mahnungen wir früher rausschicken mussten, weil die Bürger ein Schreiben einfach nicht verstanden haben." Positive Resonanz gebe es allerdings noch nicht: "Niemand ruft an und sagt: ,Ich freue mich, weil ich endlich Ihr Schreiben verstehe'", sagt Eiting. "Und über einen Bußgeldbescheid ärgert man sich immer — egal ob verständlich geschrieben oder nicht."

Das Recht steht der Sprache im Weg

Auch die Stadt Wesel nimmt seit rund zwei Jahren an dem Bochumer Projekt teil. Am häufigsten betroffen sind dort Formulare der Behörden, die am meisten mit den Bürgern zu tun haben, wie der Bau- und der Ordnungsbereich. Michael Hülshorst, Leiter des Teams "Zentrale Dienste", lobt die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern: "Wir können Vorschläge zur Vereinfachung unserer Texte einbringen, die werden dann in Bochum und notfalls noch durch unsere Rechtsabteilung geprüft", erklärt er. Denn einfach ist die Vereinfachung der Behördensprache nicht: "Juristisch müssen die Texte immer korrekt sein — deshalb kommt es ja in den Formularen überhaupt zu diesen Wort-Ungetümen", sagt Hülshorst. Auch "Idema" könne da nur raten.

Letztendlich müssen die Verwaltungen selbst entscheiden, ob sie Verbesserungsvorschläge aufgreifen oder nicht. Doch selbst wenn es nicht ohne juristische Fachbegriffe geht, kann zumindest mancher Satz kürzer sein. Ganz locker und flockig werden Briefe vom Amt aber wohl nie, bestätigt Michaela Blaha von "Idema": "Ein flottes Schreiben vom Amt ist eine Utopie. Die Verwaltung ist eine Behörde und kein Freizeitclub."

(RP/pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort