Frankfurt/M. Infrarot soll Echtheit des Raffael-Bilds erweisen

Frankfurt/M. · Das Frankfurter Städel hat ein Bild erworben, das bisher als Kopie eines Raffael-Gemäldes galt. Das Museum zeigt zudem 48 Zeichnungen.

Streit ist die billigste, aber auch lästigste Form von Werbung. Das erfährt just das Frankfurter Städel. Vor einem Jahr hat das Museum ein um 1511/12 entstandenes Bild des italienischen Renaissance-Malers Raffael erworben, das bisher als Kopie galt. Das Städel meint aber, dass es eine von mehreren parallelen Fassungen sei.

Klären lässt sich das erst im November 2013 bei einer großen Vergleichsschau. Doch das Papstporträt ist bereits an zentraler Stelle im Haus zu sehen. Das ärgert einige Kunsthistoriker, die jetzt über die "Süddeutsche Zeitung" an die Öffentlichkeit gingen. Tenor der Kritik: Mit der Präsentation beschädige das Städel seinen guten Ruf, denn das Bild sei nur eine mittelmäßige Kopie des Originals, das sich heute in London befindet.

Freilich hält das Städel mit guten Argumenten in der "FAZ" dagegen: Infrarot- und Röntgenanalysen zeigen einige Abweichungen in der Vorzeichnung. So war ursprünglich die rechte Hand zum Segensgestus erhoben, in der endgültigen Fassung ist der Arm gesenkt und hält ein Tuch in Händen. Das spricht gegen eine Kopie: Ein Kopist malt nur das ab, was er auf der Vorlage sieht.

Auch die untersuchten Farben und das Holz sprechen für eine Entstehung im frühen 16. Jahrhundert. Aber die Qualitätsunterschiede fallen direkt ins Auge. Das lässt vermuten, dass der zu Lebzeiten gefragte Künstler (1483-1520) nur die Vorzeichnung entworfen, das feine Gesicht und die Hände mitsamt den kostbaren Ringen gemalt hat, aber Gewand und Hintergrund seinen Mitarbeitern überlassen hat. Ein damals nicht unübliches Verfahren.

So spricht einiges dafür, dass das Frankfurter Bild eine Variante ist, die später verworfen wurde zugunsten des Londoner Bildes. Nur lässt sich nicht klären, wie viel Raffael und wie viel Werkstatt darin steckt. Ein verzwickter Streit, den nur Fachleute lösen können. Aber bei dem Streit geht es um mehr: Wer einen Raffael besitzt, hat einen Publikumsrenner. Und Städel-Chef Max Hollein schafft es bisher immer, noch mehr Besucher anzulocken.

Dabei plant das Haus seit Jahren einen anderen Raffael-Coup, eine Schau seiner Zeichnungen. Die hat mit dem Bilderstreit nicht zu tun. Vielmehr muss sich der Betrachter einlassen auf kleine und unscheinbare Zeichnungen.

Tatsächlich enthält das schäbigste Blatt die schönste Skizze. Auf der Rückseite hatten Mitarbeiter bereits eine Zeichnung des Meisters kopiert, auf der Vorderseite in der rechten Hälfte jemand die korrekte Darstellung eines Armes geübt. Blieb nur die linke Hälfte übrig. Auf die zeichnete der Meister um 1511/12 virtuos eine Madonna mit Kind in einer Glorie. Virtuos, da das Blatt von einer kreisenden Bewegung mit dem Kohlestift bestimmt ist. Selbst Marias linker Arm hat die Form eines Halbbogens. Auch die übrigen Körperglieder, die Wolken und ein kleiner Engelputto sind aus gerundeten Linien gebildet.

Das Blatt zeigt, dass Raffael seine Ideen erst beim Skizzieren entwickelte. Dieses ungewöhnlich abstrakte Blatt ist ein früher Entwurf der "Sixtinischen Madonna". Zu dem weltberühmten Bild pilgern Kunstinteressierte nach Dresden, aber das Städel-Blatt kennt kaum jemand, denn die Grafische Sammlung führt aus konservatorischen Gründen ein Leben im Verborgenen. Elf Raffael-Zeichnungen besitzt das Museum – das ist nicht nur zahlenmäßig spitze in Deutschland. So bietet sich die Gelegenheit, dem Künstler beim Entwerfen über die Schulter zu schauen.

Das Städel hat neben seiner Sammlung 37 weitere Zeichnungen entliehen. Mit fast 50 Blättern ist es die erste große Zeichnungs-Schau des Künstlers in Deutschland. Sie zeigt in vier Kapiteln den Hauptgrund für Raffaels Bilderbuchkarriere: Es ist seine Gabe, aus allen Einflüssen die besten Ideen zu filtern. So gelangen ihm geniale Synthesen von Perugino, Giorgione, Leonardo und Michelangelo.

Welch ein ungewöhnlicher Erzähler er war, erweist sich bei der Umsetzung von abstrakten Begriffen in anschauliche Bilder. Als Raffael für Papst Julius II. die Wohnräume im Vatikanpalast ausmalen sollte, entschied er sich für lebendige Personifikationen der Theologie, Philosophie, Dichtkunst und Rechtswissenschaft. Die Entwürfe für die Theologie sind in drei Studien zu verfolgen: Stehen die Gelehrten zuerst handlungsarm nebeneinander, so debattieren sie bald im kleinen Kreis. Zuletzt verband Raffael durch kleine Gesten die Gruppen miteinander. Dass dieses dritte Blatt mit den natürlichen Bewegungen dem Städel gehört, versteht sich von selbst. Eine furiose Zeichnung, die im Kunsthandel locker 20 Millionen Euro kosten würde. Kein Wunder, dass es viel Aufregung gibt um das Papstporträt.

Info Städelmuseum, Frankfurt/M., bis 3. Februar; Di. und Fr.-So. 10-18, Mi./Do. 10-21 Uhr; Eintritt: 12 Euro (Wochenende 14 Euro). Katalog: 34.90 Euro. Internet: www.staedelmuseum.de

(RP)
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