In die süße Birne beißen

Wer Äpfel mit Birnen vergleicht, wird feststellen, dass die Birne mehr zu bieten hat. Doch sie ist ein Sensibelchen und hat es schwer.

Auf den Streuobstwiesen im Naturschutzgebiet der Urdenbacher Kämpe ist Erntezeit. Die Mitarbeiter des Düsseldorfer Intercontinental-Hotels machen einen Betriebsausflug und helfen den Mitarbeitern der Biologischen Station dabei, Äpfel und Birnen zu ernten. In einer Karte sind Standort und Sorte der Bäume markiert. Elke Löpke, Leiterin der Station, kann deshalb schon von Weitem erkennen, dass die kleine Allee aus rund zehn Birnbäumen der Sorte Saint Remy besteht. Außerdem stehen auf den Wiesen noch drei Martinsbirnen, die einzigen in der Region, die Grälingbirne, sowie die Neukirchener Butterbirne. "Die Martinsbirne soll unübertroffen in einem Kompott sein", erklärt Elke Löpke. Roh sei sie hingegen fast ungenießbar. Und irgendwo, hinter den Kopfweiden, Richtung Rhein, stehen auch ein paar Bäume der "Köstlichen von Charneux". Wer so heißt, kann nur gut schmecken.

Dabei ist die Birne mittlerweile die ungeliebte Schwester des Apfels und hat an Bedeutung verloren, weil sie vor allem im Anbau und der Verarbeitung etwas kapriziös ist. Viele der alten Sorten sind für die heutige Zeit nicht mehr geeignet. "Früher haben sich die Menschen mehr selbst versorgt, die Lieferwege mussten deshalb nicht lang sein", erklärt Pomologe Jan Bade. Deshalb hat der Apfel der Birne auch den Rang abgelaufen, weil er viel lagerfähiger und besser transportierbar ist. "Und einen Apfel können Sie frisch vom Baum pflücken und reinbeißen", sagt Bade. Das sei bei vielen Birnen nicht der Fall. Der Erntezeitpunkt muss gut getroffen werden: Hängen die Birnen schon gelb am Baum, ist es bei vielen Sorten meist schon zu spät. Verzehrfertig werden die wenigsten gepflückt, sie müssen nachreifen. Und dann den richtigen Moment zu erwischen, ist gar nicht so einfach. Das hat jeder schon erlebt, dass aus der knackigen Birne kein zartschmelzendes Aroma-Wunder wurde, sondern ein matschiges, mehliges Etwas.

Jan Bade aber singt ein Loblied auf die Birne, schließlich kenne er kein Obst oder Gemüse, das so vielseitig sei wie sie. "Ich nehme noch Tipps für Gegenkandidaten entgegen", scherzt er. Sie wird als Tafelobst verwendet, als Saft, als Brand, als Kompott, als Kraut, als Fruchtmus, als Begleiter zu Wild- oder Lammgerichten. Besonders im Norddeutschen werden Birnen, Bohnen und Speck oder süß-sauer eingelegte Birnen geschätzt, die ähnlich wie Kürbis oder Gurken eingemacht werden. Eine spezielle Sorte, die auch nach Stunden nicht zerfällt, gibt Grünkohl die gewisse Süße. Andere Birnen eignen sich besonders gut zum Dörren. "In Tschechien gibt es sogar eine Art Zuckerersatz aus getrockneten und gemahlenen Früchten", erklärt Bade.

Auch Elke Löpke betont, dass viele Gourmets die Vielfalt der Birne schätzen. Deren Aromen seien viel breiter als die eines Apfels. Dafür muss man allerdings bei Obstbauern oder auf dem Markt oder vielleicht auch mal im Garten nebenan Ausschau halten nach einer besonderen Sorte. Und der Nachbar freut sich vielleicht auch, wenn er Hilfe bekommt, um die Ernte von 200 Kilogramm in zwei Wochen zu verarbeiten. So wenig Zeit lassen einem manche Sorten.

Im Supermarkt gibt es meist nur "Abate Fetel", "Alexander Lucas" oder die bekannte "Williams Christ" zu kaufen. "Sie sind dann noch knackig-hart und unreif und damit nicht viel mehr als süße Kaumasse", bemängelt Bade. Er geht allerdings auch besonders streng mit den Früchten ins Gericht, kann er doch daheim im hessischen Kaufungen aus mehr als 500 verschiedene Birnensorten wählen. Er schätzt zum Beispiel die Nelchesbirne, die in der Eifel zu finden ist, die Champagner-Birne oder die Welsche Bratbirne.

Birnen sind lieblicher als Äpfel, dadurch besser verträglich, denn es fehlt ihnen an Fruchtsäure. Sie geben Salaten eine herbstliche Note und passen gut zu Feldsalat, Rucola oder Chicorée. In süßen Kuchen harmonieren sie nicht erst seit dem Dessert "Birne Helene" mit dunkler Schokolade, sie mag aber auch Zimt oder Vanille. Food-Bloggerin Nicole Stich lässt Birnenhälften in einem Safran-Vanille-Sirup ziehen, die dann pur zu Quark oder auch zu herzhaften Gerichten passen.

Auf den Obstwiesen in der Urdenbacher Kämpe wird am 30. September wieder gepflückt. Zwischen 14 bis 17 Uhr gehen die Helfer (ohne Anmeldung zum Wanderparkplatz kommen) über die Wiesen. Am Freitag, 6. Oktober, 15 bis 18 Uhr, werden die alten Apfel- und Birnensorten an Haus Bürgel verkauft.

(mso)
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