Hoffnung auf mRNA-Technologie Kommt endlich ein Impfstoff gegen Aids?

Düsseldorf · Seit rund 40 Jahren kennen wir die Immunschwächekrankheit Aids. Einen Impfstoff gegen den auslösenden Erreger gibt es bis heute nicht. Einem Team um den bekannten US-Forscher Anthony Fauci könnte nun mit mRNA-Technologie der Durchbruch gelungen sein.

Fünf Fragen und Antworten zu HIV und AIDS
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Foto: dpa/Lukas Schulze

Dass die Menschheit innerhalb eines Jahres gleich mehrere wirksame Impfstoffe gegen ein neues Virus zur Verfügung hat, ist gar nicht hoch genug zu bewerten. Die Dimension dieses Erfolges der Forschung wird in etwa deutlich, wenn man die Krankheit Aids betrachtet. Seit rund 40 Jahren erkranken Menschen an dieser Immunschwäche. Bis heute gibt es keinen Impfstoff

Zwar hat die Wissenschaft auch hier einiges geleistet. Mittlerweile gibt es Medikamente, die das HI-Virus sehr erfolgreich in Schach halten können, Infizierte haben dadurch eine annähernd normale Lebenserwartung. Im Idealfall kann die Therapie die Virenlast so herunterdrücken, dass Infizierte nicht mehr ansteckend sind. Eine Schutzimpfung zu entwickeln gelang trotz aller Anstrengungen bisher aber nicht. Im Jahr 2020 starben 680.000 Menschen weltweit an der Immunschwäche. Nun berichtet das Magazin „Scinexx“ von einem mRNA-Vakzin, das Hoffnung macht. In Tierversuchen zeigte der Wirkstoff eine hohe Wirksamkeit und wurde gut vertragen.

Aber warum ist es bisher nicht gelungen, einen Impfstoff gegen HIV zu entwickeln? HI-Viren sind so etwas wie die Chamäleons unter den Viren. Sie verändern sich schnell und permanent. Das HI-Virus gehört zu den Retroviren. Es ist ein mRNA-Virus mit einer Proteinhülle – genau wie das Coronavirus Sars-CoV-2. Aber sein Vermehrungszyklus in der menschlichen Zelle ist deutlich komplexer. Es neigt weitaus häufiger zu Mutationen, die dazu führen, dass sich vor allem sein Hüllprotein (EnV) permanent verändert. Dazu hat diese variable Außenhülle noch eine Art Tarnung aus Zuckermolekülen. Diese regelmäßig variierende Außenstruktur ist das größte Hindernis für die Entwicklung eines Impfstoffes.  Eine Schutzwirkung von 30 Prozent, das ist bisher das Maximale, was sämtliche Ansätze für einen Impfstoff in klinischen Studien erreicht haben. Viel zu wenig für eine von der Weltgesundheitsorganisation WHO anerkannte Vakzine.

Die mRNA-Technologie eröffnet nun neue Möglichkeiten, einen Impfstoff genetisch so maßzuschneidern, so dass er auch Varianten erfassen kann. „Unser experimenteller Impfstoff kombiniert gleich mehrere Merkmale, die die Defizite bisheriger HIV-Vakzinkandidaten ausgleichen", erklärt Seniorautor Anthony Fauci vom US National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID). Fauci ist vielleicht aktuell der bekannteste Virologe in den USA. Er berät den Präsidenten und legte sich schon mehrfach öffentlich mit impfkritischen Trump-Anhängern und Republikanern an. Fauci und sein Forschungsteam  veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachmagazin Nature Medizin.

In einer ersten Impfung erhielten Mäuse die Vakzine mit der Bauanleitung für das virale Hüllprotein EnV, allerdings ohne tarnende Zuckeranhänge. Für folgende Booster-Impfungen wurden den Tieren Vakzinen mit der Bauanleitung für das komplette Hüllprotein mehrerer HI-Virusvarianten gespritzt. Zusätzlich enthielt das mRNA-Vakzin den Gencode für ein zweites Virenprotein (Gag). Aus diesen beiden Proteinen (EnV und Gag) kann der Körper virenähnliche Partikel bilden – also Strukturen, deren Oberfläche der von natürlichen HI-Viren ähnelt. Das neue Konzept der Forscher hatte Erfolg: In ersten Tests mit Mäusen bildeten alle geimpften Tiere neutralisierende Antikörper, berichten sie.

Wie gut das mRNA-Vakzin tatsächlich gegen eine HIV-Infektion schützt, testeten die Forscher anschließend an 14 Makaken. Im Abstand weniger Wochen erhielten sieben Affen zunächst die erste Dosis und dann innerhalb weniger Wochen eine erste Boosterdosis. Die Kontrollgruppe (sieben Tiere) blieb ungeimpft. Das Ergebnis: Bereits nach der ersten Boosterimpfung stieg der Spiegel neutralisierender Antikörper zunächst deutlich an, sank dann aber auch zügig wieder. Erst nach einer weiteren Boosterimpfung blieben die Antikörper auf einem hohem Niveau stabil, berichten Autor Peng Zhang und seine Kollegen. Nach einem halben Jahr hatten die geimpften Makaken auch eine ausgeprägte zelluläre Immunantwort gebildet: Die Forscher wiesen bei ihnen T-Killerzellen und T-Helferzellen gegen HIV nach. Insgesamt vertrugen alle Tiere den Impfstoff gut.

Soweit die Theorie. Der Praxistest  erfolgte in einem dritten Schritt rund ein Jahr nach der ersten Impfung: Einmal wöchentlich bekamen alle Tiere eine verdünnte Lösung von HI-Viren in den After gespritzt. Die Affen der ungeimpften Kontrollgruppe erkrankten im Schnitt nach dem dritten Virenkontakt. „Im Gegensatz dazu zeigten zwei der sieben immunisierten Tiere auch nach 13 Wochen keinerlei Anzeichen für eine Infektion", berichten die Wissenschaftler. Die restlichen fünf Affen infizierten sich zwar, allerdings erst mit erheblicher Verzögerung, im Schnitt erst nach dem achten Virenkontakt.

Das Fazit der Forscher ist positiv: Nach ihrer Angabe hatten die geimpften Tiere ein um 79 Prozent verringertes Risiko, sich bei einem ungeschützten Kontakt mit dem HI-Virus anzustecken. Dieser Immunschutz wirkte zudem gegen zwölf verschiedene Varianten des Virus. „Eine solche mRNA-Plattform repräsentiert damit einen vielversprechenden Ansatz für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Aids", so die Autoren der Studie.

 Symbol der Solidarität mit Betroffenen: die rote Aids-Schleife.

Symbol der Solidarität mit Betroffenen: die rote Aids-Schleife.

Foto: dpa/Oliver Berg

Nun planen die Wissenschaftler eine weitere Optimierung des Impfstoffs, damit möglichst wenig Boosterimpfungen nötig werden. Mittelfristiges Ziel ist eine erste klinische Studie an wenigen freiwilligen Probanden, um die Verträglichkeit für den Menschen zu prüfen.

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