Reinbek "Ich hatte ein gutes und erfülltes Leben"

Reinbek · Stephen Hawking hat eine fröhliche, versöhnliche Autobiografie geschrieben. "Meine kurze Geschichte" ist ein Büchlein mit 160 Seiten.

Nobelpreisanwärter, Popstar der Astrophysik, Bestsellerautor – und geschlagen mit einer fürchterlichen Krankheit. Wohl kaum ein Wissenschaftler erreicht die Menschen außerhalb seiner Forschergemeinde so wie Stephen Hawking. Seinem Bild fügt der Brite mit seiner Biografie "Meine kurze Geschichte" (Rowohlt) jetzt eine neue Facette hinzu: als Privatmensch, der sein Leben Revue passieren lässt.

Ihm ist ein weises, humorvolles Porträt geglückt. Fotos zeigen das Genie als Baby, bei seiner Hochzeit – und schwerelos. Sein Vater entstamme einer bäuerlichen Familie, sei aber wegen des bankrottgegangenen Großvaters Tropenmediziner geworden, schreibt Hawking. "Ich wurde am 8. Januar 1942 geboren, genau 300 Jahre nach Galileis Tod." Er sei eifersüchtig auf seine erste Schwester Mary gewesen und ein eifriger, wenn auch nicht sonderlich geschickter Bastler. Sein Vater sei sparsam gewesen. So habe die Familie eine Wellblechbaracke als Garage neben das Haus gebaut und die Ferien in einem Holzwägelchen an der britischen Südküste verlebt.

Sein Start in die Bildung sei holprig gewesen, wegen der modernen Lernmethoden seiner Schule habe er erst mit acht Jahren lesen gelernt. Seine Klassenkameraden hätten ihn "Einstein" genannt, mit den alten Freunden aus dieser Zeit stehe er bis heute in Verbindung. Immer sei er getrieben worden vom Drang, "herauszufinden, wie die Dinge funktionieren, und sie zu beherrschen". Ständig habe er Sachen auseinandergenommen, um sie zu ergründen. "Aber nur selten ist es mir gelungen, sie wieder richtig zusammenzusetzen", gesteht Hawking. "Seit ich mit meiner Promotion begann, konnte ich dieses Bedürfnis in der kosmologischen Forschung stillen", schreibt der 71-Jährige. "Wenn man weiß, wie das Universum funktioniert, beherrscht man es in gewisser Weise." Nach dem Abitur studierte er in Oxford. Fleißig zu sein habe dort als verpönt gegolten. "Ich habe einmal ausgerechnet, dass ich in den drei Jahren in Oxford ungefähr 1000 Stunden gearbeitet habe, was einem Durchschnitt von einer Stunde pro Tag entspricht." Auf einen Schlag aber änderte sich seine Haltung, als mit 21 Jahren bei ihm ein unheilbares Nervenleiden diagnostiziert wurde: Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Mit dem Tod vor Augen habe er begriffen, wie viele Dinge es noch gab, die er tun wollte. Und er habe seine erste Frau Jane Wilde kennengelernt, Mutter seiner drei Kinder Robert, Lucy und Tim.

Hawkings Ideen und Theorien nehmen einen großen Teil der nur 160 Seiten langen Biografie ein. Er berichtet über den Wandel kosmologischer Theorien und erläutert, dass die den Schwarzen Löchern zugrundeliegende Idee schon mehr als 200 Jahre alt ist und auf den Cambridge-Professor John Michell zurückgeht.

Seine eigene Arbeit dazu habe 1970 einige Tage nach der Geburt Lucys begonnen. Sein Sohn Tim kam 1979 zur Welt, als Hawking schon schwer gezeichnet von seiner Krankheit und auf einen Rollstuhl angewiesen war. Seine Frau habe zunehmend Depressionen gehabt und sei schließlich eine Beziehung mit einem Musiker eingegangen. Da er selbst mit seinem baldigen Tod rechnete, habe er dies verstanden und akzeptiert, schreibt Hawking.

Er erzählt, wie er 1985 bei einer Reise zum Forschungszentrum Cern eine Lungenentzündung bekam. Sein Zustand sei so schlecht gewesen, dass die Ärzte vorgeschlagen hätten, das Beatmungsgerät abzuschalten – dem "Nein" von Jane habe er sein Leben zu verdanken. Sprechen konnte Hawking seither nicht mehr – ein Programm zur Wörterauswahl per Handsteuerung erhielt ihm die Möglichkeit zur Kommunikation. Heute schaffe er mit einem solchen Programm bis zu drei Wörter je Minute. "Dank dieses Systems habe ich sieben Bücher und eine Anzahl wissenschaftlicher Aufsätze geschrieben."

1990 zog Hawking in eine Wohnung mit seiner Krankenschwester Elaine, 1995 heiratete er sie. Elaine habe ihm mehrfach das Leben gerettet. Die gesundheitlichen Krisen hätten aber an ihrer Widerstandskraft gezehrt, die Ehe sei deshalb 2007 geschieden worden. Er könne heute gelassen auf sein Leben zurückblicken, "Ich hatte ein gutes und erfülltes Leben." Das Fazit zieht der Autor des berühmten Buches "Eine kurze Geschichte der Zeit" ganz ohne Bitterkeit. "Ich war zweimal verheiratet und habe drei wundervolle, großartige Kinder."

Seine wissenschaftliche Laufbahn sei sehr erfolgreich gewesen, die meisten theoretischen Physiker stimmten seinen Vorhersagen zu Schwarzen Löchern zu.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Flieg, Mausi, flieg
Wladimir Kaminer singt und schreibt gegen das Virus an Flieg, Mausi, flieg
Aus dem Ressort