Ideen gibt es viele Hunde und Sprengstoff: Wie Metzger zartes Rindfleisch zaubern wollen

Stuttgart (rpo). Es ist ein verdammt zähes Problem, mit dem die Fleischindustrie seit Jahrhunderten zu kämpfen hat: Ein Teil des angebotenen Rindfleisches ist zu fest, die Verbraucher würden sich die Zähne ausbeißen. Was kann man dagegen tun?

<P>Stuttgart (rpo). Es ist ein verdammt zähes Problem, mit dem die Fleischindustrie seit Jahrhunderten zu kämpfen hat: Ein Teil des angebotenen Rindfleisches ist zu fest, die Verbraucher würden sich die Zähne ausbeißen. Was kann man dagegen tun?

Abhilfe ist gar nicht so einfach. Bis heute ist es nämlich nicht möglich, für die Zartheit von Fleisch zu garantieren. Optisch ist ein butterweiches Steak, das auf der Zunge zergeht, nicht von einem Stück zu unterscheiden, das eher einer Schuhsohle gleicht.

Auch die mannigfaltigen Methoden, die sich Schlachter im Laufe der Jahrhunderte ausgedacht haben, um solche Schuhsohlen in einen kaufreundlichen Gaumengenuss zu verwandeln, konnten daran bisher nichts ändern. Jedes Jahr gibt die Fleischindustrie etwa zwei Milliarden Dollar dafür aus, den besten und sichersten Weg zu zartem Fleisch zu finden.

Ideen, wie aus zäh zart wird, gibt es viele. Einige, wie das zweiwöchige Abhängen von Rindfleisch, haben sich durchgesetzt. Andere dagegen wirken eher abenteuerlich und bringen keinen oder nur einen sehr begrenzten Erfolg. Im 18. Jahrhundert glaubten Schlachter beispielsweise, Rinderbraten werde mürber, wenn die Tiere vor dem Schlachten gefoltert werden. Sie hetzten daher Hunde auf das Schlachtvieh, die sich in die Rinder verbissen.

Eine schwierige Suche

Ebenfalls nicht unumstritten sind heute gängige Methoden, bei denen den Rindern vor dem Gang zum Schlachter Enzyme gespritzt werden oder das Blut betäubter Tiere durch eine zartmachende Salzlösung ersetzt wird.

Es ist eine schwierige Suche nach den Faktoren, die Fleisch zäh machen. So konnten die Fleischproduzenten weder durch Variationen der Rinderrassen noch des Futters einen einheitlichen Zartheitsgrad erreichen. Einen Einfluss hat das Alter, in dem die Tiere geschlachtet werden. Auch darf die Zeit zwischen dem Schlachten und der Lagerung im Kühlhaus nicht zu kurz sein.

"Wenn die Muskeln noch leben, ziehen sie sich in der Kälte zusammen - so wie bei uns, wenn wir im Winter ohne Jacke nach draußen gehen. Dann wird das Fleisch zäh", erklärt der Fleischforscher Morse Solomon in der März-Ausgabe des Magazins "Bild der Wissenschaft". Er leitet ein Team von Wissenschaftlern des US-Landwirtschaftsministeriums, das sich mit der Problematik beschäftigt.

Fleisch wird in Plastik eingeschweißt

"Wir verstehen zwar zu etwa 70 Prozent, was Fleisch zart macht, aber die anderen 30 Prozent sind der Schlüssel", fasst Solomon das Dilemma zusammen. Sein Geheimtipp für ein butterweiches Steak heißt "hydrodynamisches Druckwellenverfahren", kurz HDP. Hinter diesem Namen verbirgt sich eine unkonventionelle Methode, die aber sehr gut funktioniert: Das Fleisch wird in Plastik eingeschweißt und in einen großen Kessel mit Wasser gelegt. Etwas Sprengstoff wird hinzugefügt und die Mischung gezündet. Die Stoßwellen in der Wassertonne zerreißen die Muskelfasern in kleine Fragmente und machen das Fleisch herrlich zart, erklärt Solomon.

Diese Zartheit kann man mit der so genannten "Shear Force" sogar messen: Je weniger Gewicht nötig ist, um ein genormtes Messer durch ein Stück Fleisch zu drücken, desto zarter ist es. "Alles unter fünf Kilo" ist dabei nach Solomons Angaben zart. Mit seiner Sprengstoffmethode gelang es ihm, ein zähes Stück mit einer Shear Force von etwa sieben Kilo in ein butterweiches zu verwandeln, dessen Shear Force weniger als vier Kilo betrug.

Steaks durch die Heißmangel

Natürlich können die Muskelfasern auch mit weniger explosiven Methoden zerstört werden. Nützlich ist beispielsweise der "Steaker", ein aus zwei Walzen mit dünnen Nadeln bestehendes Gerät, durch das rohe Steaks wie bei einer Heißmangel hindurch gedreht werden kann. Gravierender Nachteil: Es können sich schnell gefährliche Bakterien einnisten, da die Walzen schwer zu reinigen sind.

Eine andere Alternative zur Sprengung sind proteasehaltige Marinaden. Dabei verdauen Enzyme, die meist aus Ananas oder Papaya gewonnen werden, die Eiweißstrukturen im Fleisch. Wirken sie jedoch zu lange ein, wird aus dem Fleisch ein Brei, denn die Enzyme machen keinen Unterschied zwischen Muskelfasern und Bindegewebe.

Das passiert bei HDP nicht, fand Solomon heraus. Die Methode hat außerdem einen sehr erwünschten Nebeneffekt: Sie tötet alle Bakterien, die sich auf oder im Fleisch befinden. Leider lässt die praktische Anwendung der Fleischsprengung bisher noch zu wünschen übrig: Kein Metzger kann so wie Solomon in seinem Labor reihenweise Sprengungen veranstalten, um die Fleischqualität zu verbessern.

Doch Solomon ist vom Prinzip der Methode überzeugt. Er forscht jetzt an anwenderfreundlicheren Varianten, die weder die Einrichtung noch das Personal der Fleischereien gefährden.

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