Gletscher schwer geschädigt Hitzewelle lässt ewiges Eis schmelzen

Genf (rpo). Vom ewigen Eis in den Alpen dürfte bald nicht mehr allzu viel übrig sein. Mit schwerwiegenden Folgen nicht nur für das Klima. So drohen Sturzfluten aus Gletscherseen und geschlossene Skigebiete.

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<P>Genf (rpo). Vom ewigen Eis in den Alpen dürfte bald nicht mehr allzu viel übrig sein. Mit schwerwiegenden Folgen nicht nur für das Klima. So drohen Sturzfluten aus Gletscherseen und geschlossene Skigebiete.

Die Hitze wird die Gletscher nach Ansicht von Forschern schwer schädigen. Die Folge: Bisher von Eis gehaltenes Geröll liegt lose, die Hänge werden instabil. Mehr Steinschlag und Murenabgänge sind die Konsequenz. Was das Verschwinden der Gletscher langfristig für Umwelt und Menschen bedeutet, wird von Experten unterschiedlich beurteilt.

Die Nullgradgrenze liegt derzeit auf 4600 Metern, an der über 3500 Meter hoch gelegenen Messstation am Jungfraujoch wurden in diesen Tagen 8 Grad plus gemessen. "Es ist sehr viel zu warm, und dies vor allem über eine lange Zeit", resümiert der Schweizer Gletscher- und Permafrostexperte Daniel Vonder Mühll.

Tausende Kubikmeter Wasser, Eis und Geröll würden frei

"Von 120 Gletschern in der Schweiz waren es zuletzt nur noch 6 bis 7, die weiter vorstießen", sagt der Permafrost-Delegierte der Glaziologischen Kommission der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften. "Ich bin gespannt, wie es dieses Jahr aussieht, aber es könnte sein, dass kein einziger der beobachteten Gletscher mehr gewachsen ist."

Im Kanton Wallis füllt sich der über 2800 Meter hoch gelegene obere See des Grubengletschers am Fletschhorn immer mehr mit Schmelzwasser. Demnächst könnte er überlaufen, im schlimmsten Fall könnte der See den Eisdamm wie einen Eisberg anheben und unter dem Gletscher ausbrechen. Eine Sturzflut aus tausenden Kubikmetern Wasser, Eis und Geröll würde frei.

Der Ort unterhalb des Gletschers habe nichts zu befürchten, heißt es dennoch beim Kanton. "Die Situation ist unter Kontrolle, es gibt absolut kein Risiko." Denn auch eine Sturzflut würde sich in einen tiefer gelegenen Moränensee ergießen, der nach früheren Flutwellen als Rückhaltebecken ausgebaut wurde.

Wintersportbetrieb beendet

Wie schon in Österreich haben inzwischen auch die Titlis-Bahnen im Kanton Obwalden den Wintersportbetrieb beendet - der Freestyle-Park für Snowboarder sollte ursprünglich den ganzen Sommer geöffnet bleiben. In den Skigebieten bei Saas Fee und Zermatt wird weiter gewedelt, nicht zuletzt trainieren hier die Skiprofis. Der Aufwand beim Präparieren der Pisten sei allerdings "viel größer" als in anderen Jahren, heißt es.

In den vergangenen 30 Jahren sind viele kleine Gletscher in der Schweiz ganz verschwunden. Die Bodentemperatur im Permafrost sei binnen 50 Jahren um rund 0,5 Grad gestiegen, erläutert Vonder Mühll. Damit verschiebt sich auch die so genannte Permafrostzone, in der der Boden ständig gefroren bleibt, in immer größere Höhen. Liftanlagen, die in der Zone des ewigen Frostes auf den seinerzeit eisharten Boden gesetzt wurden, geraten ins Ungleichgewicht, Schutzhütten bekommen Risse.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse belegten immer klarer, dass tatsächlich ein Zusammenhang zwischen dem CO2-Ausstoß und dem Klimawandel bestehe, sagt der Geschäftsführer der Alpenschutzkommission Cipra Schweiz, Reto Solèr. "Man kann jetzt schon sagen, dass die Häufigkeit von Wetterturbulenzen und damit von Katastrophen zunimmt."

Langfristige Konsequenzen unklar

Wenn nach langen Trockenperioden plötzlich sintflutartige Regenfälle herunterprasseln, kann der trockene Boden die Wassermassen nicht mehr aufnehmen. Es kommt zu Überschwemmungen - oder zu Muren, Schlamm- und Geröllmassen, die mit Wasser den Berg herunterstürzen. Er halte es in Einzelfällen für möglich, dass bestimmte Häuser in bedrohten Regionen künftig nicht mehr bewohnbar seien, sagte Solèr.

Die langfristigen Konsequenzen der Gletscher- und Permafrostschmelze sind unklar. Die Dörfer in den Tälern, die jetzt von Muren und Sturzbächen bedroht sind, könnten in vielen Jahrzehnten unter Mangel an Trinkwasser leiden, meinen manche Gletscherforscher. Andere glauben, dass dieses Szenario zu weit greift. Glaziologe Daniel Vonder Mühll sieht darin keine Gefahr:"In den Alpen wird es immer genug Wasser geben."

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