Ständchen für die Auserwählte Heuschrecke singt in Rekordhöhen

London (RPO). Eine Laubheuschrecke aus dem kolumbianischen Regenwald zirpt in den höchsten Ultraschallfrequenzen, die je bei einem Insekt gemessen wurden. Warum das Insekt sich überhaupt auf Ultraschall spezialisiert hat, ist den Forschern ein Rätsel.

Die Laubheuschreckenart war bisher unbekannt: Ihre Balzgesänge ertönen in den höchsten Ultraschallfrequenzen, die je bei Insekten gemessen wurden. Die Töne mit einer Frequenz von fast 130.000 Schwingungen pro Sekunde schafft das Insekt nach Meinung seiner Entdecker, indem es einen Flügel hinter den anderen spannt und ihn dann wieder losschnellen lässt. Die bisher bekannten höchsten Insektentöne erreichen dagegen lediglich Frequenzen von maximal 106.000 Hertz. Über den kleinen Barden, den ein Team um den kanadischen Biologen Fernando Montealegre-Z von der Toronto-Universität in Scarborough entdeckt hat, berichtet das Wissenschaftsmagazin "New Scientist".

Um ihre Angebetete zu verführen, geben die Heuschreckenmänner der meisten Arten ein Ständchen - ein Gesang, der in den Sommermonaten als das typische Zirpen zu hören ist. Dazu reiben die Männchen ihre auf diese Musik spezialisierten Flügel aneinander: Auf der Unterseite des oberen Flügels sitzt die mit Zähnchen besetzte Schrillleiste, über die die Heuschrecke mit der Schrillkante am unteren Flügel wie mit einem Bogen streicht. Je schneller das Insekt seine Flügel bewegt, desto höher wird der Gesang, wobei die erreichbare Frequenz von der Geschwindigkeit der Muskelkontraktionen abhängt.

Die extrem hohen Ultraschalltöne, die die neu entdeckte Heuschreckenart der Gattung Arachnoscelis hervorbringt, können mit diesem Mechanismus jedoch eigentlich nicht entstehen. Um herauszufinden, wie die Heuschrecken diese schrillen Töne erzeugen, klebten die Forscher ihnen daher kleine reflektierende Bänder auf die Flügel. Mit lichtempfindlichen Hochgeschwindigkeitskameras konnten sie so die Bewegung der Flügel verfolgen. Ihr Verdacht bestätigte sich: Die Bewegung der Flügel ist zu langsam, um alleine für die Rekordtöne verantwortlich zu sein.

Der Trick scheint vielmehr im Instrument der Heuschrecke zu liegen, fanden die Forscher heraus. Aufnahmen mit einem Elektronenmikroskop zeigten ihnen, dass der "Bogen" an einem besonders großen Stück biegsamer Haut befestigt ist. Möglicherweise klemme sich der Bogen demnach hinter die Zähne der Schrillkante und verbiege sich, je weiter sich der Flügel vorwärts bewege, vermuten die Biologen. Auf dieses Weise würde der Bogen elastische Energie speichern und beim Zurückspringen schnell über die Zähne der Schrillkante streichen, so dass der hochfrequente Ton entsteht.

Warum die kleinen Sänger sich auf die hohen Töne spezialisiert haben, bleibt für die Forscher allerdings rätselhaft, denn Ultraschall hat eine sehr kurze Reichweite in feuchter Luft, wie sie in der tropischen Heimat der Tiere herrscht. Vielleicht entgehen die Heuschrecken so den Lauschangriffen von Fledermäusen oder erleichtern sich das gegenseitige Erkennen auf geringer Distanz, vermuten die Wissenschaftler.

(afp)
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