Paderborn Große Ausstellung über die Nächstenliebe

Paderborn · Das Diözesanmuseum in Paderborn beschäftigt sich mit der Kulturgeschichte der Caritas.

Die Frage, ob man Nächstenliebe in einem Museum ausstellten kann, hat sich für Christoph Stiegemann nie gestellt. Die Idee für die neue Paderborner Ausstellung "Caritas - Nächstenliebe von den frühen Christen bis zur Gegenwart" sei ihm bereits 2013 bei der großen "Credo"-Ausstellung zur Christianisierung Europas gekommen, bekennt der Direktor des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn. "Warum konnte sich das Christentum in den ersten 300 Jahren im gesamten Römischen Reich ausbreiten? Die Antwort darauf ist die Nächstenliebe", erläutert der Kunsthistoriker.

Die nämlich habe es in der Antike nicht gegeben, so Stiegemann. Hinwendung oder gar Mitleid mit den Armen und Schwachen sei bei den hedonistischen Römern tabu gewesen und habe sich erst durch die Christen etabliert. Ihre Geschichte setze sich bis heute, bis zu den Hilfen für Flüchtlinge aus den Kriegs- und Krisengebieten Afrikas und des Nahen Ostens, fort.

Eine kulturhistorische Rückschau soll ab Freitag die große Ausstellung im Paderborner Diözesanmuseum bieten. Aber das ist nicht der alleinige Schwerpunkt. Faszinierend sei für ihn auch die Entdeckung gewesen, wie die Kunst "als Seismograph menschlicher Befindlichkeiten und geistig-kultureller Entwicklungen" das Thema durch die Jahrhunderte immer wieder aufgegriffen habe, sagt Stiegemann. Er nennt Künstler wie Raffael, Lucas Cranach d. Ä., Peter Paul Rubens, Pablo Picasso und Käthe Kollwitz.

Und so führt die "Caritas"-Ausstellung den Besucher an zwei Strängen - einem historischen und einem künstlerischen - durch das Thema. Gleich am Eingang ein Highlight: eine der ältesten Abschriften des Briefes von Paulus an die Korinther mit dem "Hohelied der Liebe". Entstanden ist sie um das Jahr 200. Der Text über die Liebe, die alles erträgt, glaubt, hofft, allem standhält und niemals aufhört, ist gleichsam Inbegriff der gesamten Schau. Caritas heißt Liebe. Daneben finden sich Darstellungen der wundersamen Brotvermehrung auf liturgischen Gefäßen aus dem 6. Jahrhundert sowie der Taufe Christi auf römischen Sarkophagen vom Ende des 3. Jahrhunderts. Dann wird gezeigt, wie sich Caritas institutionalisierte, wie Klöster und Armenhäuser gegründet worden, wie Bruderschaften entstanden und Menschen ihr gesamtes Hab und Gut weggaben, um anderen zu helfen. Künstlerisch findet sich dies zu jener Zeit etwa in bildlichen Darstellungen der "Sieben Werke der Barmherzigkeit". Eine der ältesten, um 1140 entstanden, ist in Paderborn zu sehen: ein elfenbeinerner und mit Edelsteinen verzierter Einband des Psalters der Königin Melisende aus der British Library.

Eine Abteilung ist der Zeit der Aufklärung im 16. Jahrhundert gewidmet. "Man suchte, das Wirken Gottes in der Ordnung der Welt zu erkennen, diese in ihren Gesetzen sichtbar zu machen und zu erklären", so Stiegemann. Neben die Klöster traten Hospitäler als bürgerliche Einrichtungen zur Krankenpflege sowie andere Versorgungseinrichtungen. Hier zeigt die Schau Abbildungen von Armenhäusern, Beginen bei der Waschung von Toten. Als einen der Höhepunkte präsentiert das Museum eine Altartafel von Raffael von 1507, eine Leihgabe der Vatikanischen Museen.

Mit der Reformation entfernt sich die Caritas immer weiter von der Religion und wird als staatliche Aufgabe begriffen. Klöster werden geschlossen und zu Heilanstalten für geistig Kranke oder zu Heimen umfunktioniert. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert bringt Massenelend, ebenso der Erste Weltkrieg Anfang des 20. Jahrhunderts. Davon vermitteln schwarz dominierte Bilder von Käthe Kollwitz einen Eindruck. Caritasverbände und Diakonie gründen sich. Für die Nazi-Zeit stehen Namenslisten mit vergasten Kindern aus Heilanstalten - die Perversion von Caritas.

www.dioezesanmuseum-paderborn.de

(kna)
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