Klimawandel Grönlands Eis schmilzt dramatisch schnell

Austin (RP). Fast vier Jahre lang haben zwei Satelliten die Eisdecke Grönlands beobachtet. US-Forscher haben nun die Daten aufgearbeitet. Ihr Ergebnis: Das Tempo, mit dem das Eis der Arktis schmilzt, hat dramatisch zugenommen.

 Das Arktis-Eis könnte ab 2080 im Sommer komplett schmelzen.

Das Arktis-Eis könnte ab 2080 im Sommer komplett schmelzen.

Foto: AFP, AFP

Austin Die Erde beginnt ihr Gesicht zu verändern. An den Polen ist das besonders deutlich zu sehen. Die gewaltigen Eismassen der Arktis schmelzen. Sie reagieren auf die langsam steigende Temperatur der Atmosphäre.

Ein scheinbar schleichender Prozess, der nach Satelliten-Messungen amerikanischer Wissenschaftler allerdings rasant an Tempo zugenommen hat. "Im Südosten Grönlands ist die Geschwindigkeit, mit der das Eis im Jahr 2004 und 2005 verschwunden ist, fast fünfmal so groß wie noch zwei Jahre zuvor", berichtet Byron Tapley von der Uni Austin im Wissenschaftsmagazin "Science".

Sicher, der Eispanzer auf Grönland wird in den kommenden Jahrzehnten nicht vollständig schmelzen. Dann würde der Meeresspiegel um fast sieben Meter steigen. Rund 2,5 Millionen Kubikkilometer misst der Eispanzer, das nach der Antarktis zweitgrößte Frischwasser-Reservoir der Erde. Dagegen wirken die 240 Kubikkilometer (weniger als 0,1 Promille), die seit Beginn der Messungen im April 2002 jedes Jahr verschwinden wie eine handvoll Reiskörner in einem großen Sack.

Osten Grönlands besonders betroffen

Um die Zahlen zu verstehen, muss man vergleichen: Ältere Messungen aus der Zeit zwischen 1997 und 2003 dokumentieren einen jährlichen Eisverlust von 80 Kubikkilometer - ein Drittel dessen, was das texanische Team für die vergangenen zwei Jahre gemessen hat. Besonders betroffen ist der Osten Grönlands. Dort verliert der mehrere hundert Meter dicke Eispanzer jährlich etwa 160 Kubikkilometer Volumen.

Die Wassermassen der Gletscher fließen ins Meer und könnten dort das empfindliche Strömungssystem stören, dass uns den warmen Golfstrom beschert, der für das westeuropäische Wetter wichtig ist, befürchtet Tapley. Ob diese Wärmepumpe für Europa in absehbarer Zeit versiegen wird, kann kein Wissenschaftler derzeit seriös sagen.

Dafür ist das komplizierte System weder ausreichend verstanden noch mit genügend Daten unterfüttert. Erst durch die Satelliten-Technik ist es überhaupt möglich, die Veränderungen am Polareis einigermaßen fehlerfrei zu bestimmen. Schließlich ist nicht nur die Fläche für ein Urteil entscheidend, sondern vor allem die Dicke und das Alter der Eisschicht.

See-Eis um 30 Prozent geschrumpft

Die US-Ergebnisse ergänzen das Bild von den Folgen des beginnenden Klimawandels. Der Blick aus dem All offenbart außerdem, dass die Eisfläche am Nordpolarmeer (das See-Eis) zwischen 1970 und 2002 um etwa 30 Prozent geschrumpft ist. Die schwedische Forschungsstation Abisko jenseits des Polarkreises meldet einen Anstieg der Durchschnittstemperatur im Winter um 5,5 Grad verglichen mit den Werten vor 100 Jahren.

Als Folge des Eisschwunds wird sich die Region zusätzlich aufheizen, denn das Sonnenlicht wird nicht mehr direkt reflektiert, sondern von Wasser und Land aufgenommen. Eine Art Schneeballeffekt. Manche Wissenschaftler fürchten, dass es einen Punkt gibt, an dem das weitere Abschmelzen des Polareises nicht mehr gestoppt werden kann. Dann würde das Polarmeer im Sommer eisfrei werden. Die ersten Häfen an der Beringstraße haben auf die veränderte Situation schon reagiert.

(alfa)
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