Schneeschmelze als Erdbebenauslöser? Geophysiker entdeckt neuen Triggermechanismus

Düsseldorf (rpo). Einen möglichen neuen Erdbebenauslöser hat ein japanischer Geophysiker bei der Auswertung von Erdbebendaten aus den Inlandbergen Japans entdeckt. Auch schmelzender Schnee könnte, so seine Ergebnisse, Erdbeben auslösen.

Kosuke Heki vom Nationalen Astronomie Observatorium Japans in Mitake analysierte für seine Studie historische Erdbebenaufzeichnungen, die bis zu 1.500 Jahre zurück reichen. Der Forscher beobachtete dabei, dass in Regionen, in denen es im Winter regelmäßig schneite, starke Erdbeben mit einer Magnitude höher als sieben im Frühjahr bis zu drei mal häufiger auftraten als in schneeärmeren Gebieten.

Nach Ansicht von Heki verformt das Gewicht des Schnees die Erdkruste und verändert damit den Spannungsaufbau im Gestein entlang einer tektonischen Verwerfung. "Mehr Schnee verstärkt die Kompression und drückt die Verwerfung zusammen", erklärt der Forscher. Wenn der Schnee schmilzt, sinkt der Druck durch die plötzliche Entlastung ab und die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Verwerfung bewegt, steigt an.

Für seine Untersuchung nutzte Heki Schneehöhendaten auf Japans Bergrücken, um die durchschnittliche Masse des Schnees über den Erdbebengebieten zu ermitteln. Er stellte dabei fest, dass in weiten Teilen des Gebirges der Schnee deutlich messbaren Druck ausübt, vergleichbar dem einer ein Meter hohen Wasserschicht. Doch nur die Schneeschmelze scheint, so Heki, den Zeitpunkt der großen Erdbeben zu beeinflussen. Er führt dies auf die damit verbundene sehr plötzliche Druckabnahme zurück. Die langsame Zunahme der Schneedecke durch Schneefall dagegen sei nicht schnell genug, um ein Beben auszulösen. Zudem gelte die Triggerwirkung der Schneeschmelze auch nur für flachere Verwerfungen, da bei tiefen tektonischen Störungen die Schneemasse im Vergleich zur Masse der darüberliegenden Erdkruste unbedeutend sei.

"Es ist eine interessante Idee", kommentiert Ian Main, ein Geophysiker der Edinburgh Universität, die Veröffentlichung des Japaners. Doch seiner Ansicht nach sei der von Heki postulierte Effekt auch bei flachen Verwerfungen nicht stark genug. Heki räumt ein, dass die japanischen Daten allein sicherlich noch nicht ausreichen, um den Zusammenhang zwischen Schneeschmelze und Erdbeben eindeutig zu beweisen, da die Datenreihen bisher nur 26 große Beben umfassen. Der Wissenschaftler hofft nun, in anderen Regionen der Erde weitere Hinweise zu finden, die seine Theorie unterstützen. Nächste Station auf seiner List ist dabei Island, das sowohl gute historische Aufzeichnungen als auch große Schneemengen und reichlich Erdbeben bietet.

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