Freiburg Gentechnik gegen Aids

Freiburg · Freiburger Forscher wollen eine Immunität gegen den HI-Virus durch die Manipulation von Genen erzeugen.

Die Idee für eine neue Therapie gegen die Immunschwächekrankheit Aids entstand vor zehn Jahren. Damals wurde Timothy Ray Brown in der Berliner Charité behandelt. Der US-Amerikaner war HIV-positiv, aber im Krankenhaus lag er wegen einer Leukämie. Als die übliche Chemotherapie ohne Erfolg blieb, schlugen die Ärzte für den Kampf gegen den Krebs eine Knochenmark-Transplantation vor. Unter den möglichen Spendern fand sich ein besonderer Kandidat: ein Mann mit einer natürlichen Immunität gegen Aids. Brown wurde geheilt aus dem Krankenhaus entlassen. Die Knochenmarksspende hatte nicht nur die Leukämie besiegt, auch seine Aids-Erkrankung war verschwunden. Brown hat die Immunität seines Spenders übernommen, sein Blut ist auch zehn Jahre nach der Therapie noch immer frei vom Aids-Erreger.

Der Molekularbiologe Toni Cathomen will diesen Erfolg jetzt wiederholen. Er bereitet am Universitätsklinikum Freiburg eine klinische Studie mit sechs Aids-Patienten vor. "Die Teilnehmer der Studie sollen virenfrei werden und ein Immunsystem aufbauen, das eine lebenslange Resistenz gegen HIV ermöglicht", erklärt der Direktor des Instituts für Zell- und Gentherapie. Das wäre eine Sensation. Seit 40 Jahren suchen Forscher nach einem Heilmittel gegen eine HIV-Infektion. Ohne Erfolg. In Deutschland werden Aids-Patienten meistens mit einem Mix aus drei Medikamenten behandelt. Diese Therapie ermöglicht ihnen ein relativ normales Leben, aber sie unterdrückt die Krankheit nur und kann sie nicht heilen.

Die Freiburger Forscher wollen die natürliche Immunität mit einem gentechnischen Eingriff erzeugen. Etwa ein Prozent der Europäer sind immun gegen Aids. Sie besitzen eine kleine Veränderung im Gen CCR5, die sich auf die blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks auswirkt. Diese Zellen produzieren nicht nur rote Blutkörperchen, sondern erzeugen auch die T-Zellen, die für den körpereigenen Kampf gegen Aids wichtig sind. Bei einer HIV-Infektion nistet sich das Aids-Virus in diesem Zelltyp ein und verhindert, dass das Immunsystem auf den Krankheitserreger reagieren kann. Später bricht das Immunsystem sogar vollständig zusammen. Das Gen CCR5 hat dabei eine zentrale Rolle. Diese Stelle im DNA-Strang codiert das Protein, das der HI-Virus als Eingangspforte in die T-Zelle nutzt. Wenn dieses Gen von der normalen Struktur abweicht, verändert sich die Oberfläche der T-Zellen, und die Tür für das HI-Virus wird geschlossen.

"Wir entnehmen dem Patienten blutbildende Stammzellen, schalten dieses Gen aus und geben die veränderten Zellen dem Patienten zurück", beschreibt Toni Cathomen das Konzept. Bei Mäusen hat dieser Ansatz bereits funktioniert. Die Probleme liegen mittlerweile nicht mehr im wissenschaftlichen Bereich. Es geht um Geld und Genehmigungen. Derzeit sucht der gebürtige Schweizer Sponsoren, die die Kosten von drei bis fünf Millionen Euro für die klinische Studie übernehmen. Zudem müssen die Aufsichtsbehörden die klinische Studie noch genehmigen. "Es ist die erste Gentherapie dieser Art in Deutschland", erklärt Cathomen. Er sehe aber große Chancen, mit seiner Therapie in zwei bis drei Jahren in Deutschland in die Klinik zu kommen.

Der Freiburger ist nicht der einzige Forscher, der diesen Ansatz verfolgt. Im vergangenen Jahr genehmigte die US-Aufsichtsbehörde FDA eine ähnliche Studie in Kalifornien. Anders als Cathomen haben die Amerikaner vorwiegend Aids-Patienten ausgewählt, bei denen die übliche Therapie mit Medikamenten nicht angeschlagen hat. Für sie bedeutet die Gen-Manipulation die letzte Chance. Die Freiburger Testgruppe hingegen muss sich entscheiden. Wollen die Patienten weiter Medikamente einnehmen, die schließlich ihre Lebenserwartung verringern? Oder wollen sie das Risiko einer neuen Therapie eingehen? Sie müssen sich auch einer leichten Chemotherapie unterziehen, die die verbliebenen Stammzellen im Knochenmark zerstören soll, bevor der Patient seine eigenen Zellen mit der gentechnischen Veränderung zurückbekommt. "Aber die Patienten wissen genau, worauf sie sich einlassen", erklärt Cathomen.

Die Freiburger Methode ist vermutlich effektiver als die kalifornische Variante. Das liegt an dem Werkzeug, mit dem die Biologen den DNA-Strang in den Stammzellen während der Gen-Chirurgie verändern. Die US-Wissenschaftler arbeiten mit einer etwas älteren Technik, die nur ein Viertel der Stammzellen genetisch verändert. Cathomen verwendet ein neueres Verfahren, das eine Quote von 90 Prozent liefert. Für den Klinik-Alltag könnte diese hohe Ausbeute den entscheidenden Vorteil bedeuten. Denn nur die veränderten Stammzellen produzieren später im Körper auch die gewünschten T-Zellen, die vom HI-Virus nicht attackiert werden können.

(rai)
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