Düsseldorf Genforscher will Lebensdauer verlängern

Düsseldorf · Mithilfe von entschlüsselten Genen sollen Krankheiten wie Alzheimer zumindest verschoben werden.

Der amerikanische Gen-Pionier J. Craig Venter kennt den besten Weg zu einem langen Leben. "Der erste Schritt besteht darin, dass eigene Erbgut entschlüsseln zu lassen", sagt der 67-Jährige und erklärt "den Beginn einer anderen Zeitrechnung der Medizin, die vor allem auf Vorsorge ausgerichtet ist." Deshalb hat Venter seine neue Firma "Human Longevity Inc." (HLI) gegründet, die das stolze Ziel hat, jedes Jahr das Erbgut von 100 000 Menschen zu analysieren. Er plant die weltgrößte Datenbank, eine riesige Sammlung der medizinischen Daten und des kompletten Erbguts von kranken und gesunden Menschen. Sie soll Ursachen für Krankheiten erkennen und daraus konkrete Empfehlungen für ein gesünderes Leben entwickeln.

Der Name des Gentechnik-Unternehmens HLI verspricht, wonach viele streben: ein langes Leben. Venter beschreibt an seinem eigenen Schicksal, welche Folgen ein Erfolg des Projekts hätte. Sein Erbgut besitzt eine Veränderung an einem Gen, das mit der Alzheimer-Erkrankung in Verbindung gebracht wird. Er habe sein Leben diesem Umstand angepasst, betreibe Vorsorge, lasse sich häufiger untersuchen und will damit den Ausbruch der Krankheit mindestens verschieben, berichtete der 67-Jährige. "Unser Ziel ist es nicht unbedingt das Leben zu verlängern, aber wir wollen die gesunde, produktive Lebensspanne ausweiten", sagt Venter.

Im Mittelpunkt der riesigen Datensammlung stehen zunächst Krebspatienten, die Initiative soll bald auf Menschen mit Herzproblemen, Alzheimer und Parkinson ausgeweitet werden. HLI will aber nicht nur das Genom der Menschen entschlüsseln, sondern auch die DNA im Mikrobiom der Patienten, so heißt die Gesamtheit der Mikroorganismen, die den Menschen auf den Schleimhäuten, der Haut oder im Darm besiedeln und für seine Gesundheit wichtig sind. Das Krebszentrum der Universität von Kalifornien wird zusätzlich die Blutwerte und Diagnosen der Patienten liefern.

Weltweit sollen möglichst viele Krankenhäuser für das Projekt begeistert werden. Die Initiative vertraut darauf, dass die Supercomputer diese Datenmengen schon richtig ordnen werden und Muster von Krankheiten finden, wenn sie nur genug Material haben. J. Craig Venter hat schon einmal die Revolution der Medizin ausgerufen. Vor 14 Jahren, auf der internationalen Bühne des Weißen Hauses gemeinsam mit US-Präsident Bill Clinton. Venters private Initiative verkündete damals gemeinsam mit dem internationalen Forscherteam des Human Genome Project (HGP) einen wissenschaftlichen Durchbruch. Es war erstmals gelungen alle 3,3 Milliarden Bausteine der menschlichen DNA zu entziffern. Jetzt sei das Buch des Lebens zum Lesen aufgeschlagen, feierten die Wissenschaftler.

Venter übte bei der Präsentation des neuen Projektes in San Diego durchaus Selbstkritik an der Zeit danach: Er sei enttäuscht, wie wenig die Genomforschung bisher für die Medizin geleistet habe. "Wir mussten erkennen, dass ein einzelnes entziffertes Genom nutzlos ist. Wir benötigen eine Million davon", sagte er. Die Kombination von Erbgut, Mikrobiom und Blutdaten sei der Schlüssel zur Vorhersage von Krankheiten.

Heute ist es möglich, diese enorme Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Technologie zur Gen-Analyse hat sich rasant entwickelt. Die neueste Generation der automatischen Sequenziermaschinen entschlüsselt in nur drei Tagen das vollständige Genom. Als Craig Venter vor zehn Jahren sein eigenes Erbgut analysierte, benötigte er dafür neun Monate und 100 Millionen US-Dollar. Der Hersteller der derzeit schnellsten Automaten, "Illumina", hat die Kosten auf 1000 Dollar gesenkt. Er ist einer der Geldgeber des Projektes, die insgesamt 70 Millionen US-Dollar bereitstellen.

Die Investoren gehen nur ein geringes Risiko ein: Gut aufgeschlüsselte Daten von Patienten mit Krebs oder anderen weit verbreiteten Krankheiten sind sehr wertvoll. HLI wird sich vermutlich durch Lizenzgebühren von Pharma-Firmen, Forschungseinrichtungen und Biotech-Unternehmen refinanzieren. Wirtschaftlich dürfte Venter deshalb in jedem Fall erfolgreich sein, unabhängig davon, ob er schließlich den richtigen Zusammenhang zwischen Krankheit und Erbgut finden kann.

Ist die Gesundheit eines Menschen tatsächlich in diesem Maße durch die genetische Grundausstattung vorbestimmt, wie es der Ansatz von Venter behauptet? Bei dieser Frage zögern auch unabhängige Experten mit einer Antwort. Sicher ist: Viele Krankheiten werden durch Umwelteinflüsse und falsche Lebensweise begünstigt. Und: Spontane, nicht vorhersehbare Veränderungen im Erbgut lösen Krebs und Krankheiten aus. Gen-Analysen ermöglichen heute bis auf wenige Ausnahmen keine klaren Aussagen; sie lassen die Betroffenen meist ratlos und mit Sorge zurück – aber die Methode ist noch jung.

(RP)
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