Köln Gelungene "Glasmenagerie" in Köln

Köln · Große Schauspielerleistung beim Klassiker von Tennessee Williams

Ein Wohnwagen irgendwo in der amerikanischen Provinz. Hier wohnt der Rest der Familie Wingfield: Mutter Amanda, Sohn Tom und Tochter Laura. Vater ist abgehauen, er hat das Elend nicht mehr ertragen. Tennessee Williams hat mit "Die Glasmenagerie" den amerikanischen Traum nicht einfach platzen lassen, er hat ihn zerhackt – und damit den Durchbruch als Theaterautor geschafft.

Regisseur Sebastian Kreyer lässt am Schauspiel Köln sogar zentrale Elemente der Inszenierung mit seinen Figuren scheitern. Wenn die hysterische Amanda das Besteck nach draußen schleudert, steckt plötzlich eine Gabel im Kopf der Souffleuse. "Jetzt nimm die da raus!", schnauzt Schauspielerin Anja Lais sie an. Auch, dass die Technik beim Besuch von Toms Freund Jim erst den Stromausfall verweigert, ist ein schöner Verfremdungseffekt nach dem Lehrbuch von Castorfs Volksbühnen-Theater. Die Schauspieler treten da kurz aus ihren Rollen ("Haben wir ihn zu früh gespielt?"), als ob sie sie überprüfen wollten: Was ist mit diesen Menschen los? Klar ist: Sie werden von Erinnerungen und Träumen bedrängt, von Bedürfnissen nach beruflicher und privater Anerkennung. Doch ihnen fehlen Ideen und der Mut zur Veränderung. Immer wieder geraten sie so in extreme Gefühlslagen, rennen mit dem Kopf gegen Wände, schlagen um sich, wüten im Haushalt bis die Bühne eine einzige Müllhalde aus 50er-Jahre-Hausrat ist.

Der letzte Hoffnungsschimmer zumindest von Amanda Wingfield leuchtet im Stück über Tochter Laura. Schon bei Tennessee Williams ist nicht klar, an welcher Behinderung sie leidet. Marie Rosa Tietjen spielt sie als verschlossenes Mädchen, lässt soziale Phobien aufscheinen. Die Verkrüppelung ist eine seelische. In ihrer Hingezogenheit zum coolen Jim blüht Laura auf und zerdeppert im Überschwang ihre Glastierchensammlung, als habe sie keine Lust mehr auf die eigene, fragile Seele. Plötzlich scheint keine Distanz mehr zwischen Schauspieler und Figur und die Zuschauer werden mitgerissen in die Explosion der unterdrückten Gefühle. Langer Applaus.

Info Aufführungen am 7., 28. und 29. Dezember sowie am 6., 9. und 17. Januar; www.schauspielkoeln.de

(RP)
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