Überfischung und Umweltverschmutzung Gefährdete Korallenriffe

Bremen/Makassar (RP). Der Tsunami, der 2004 die Küstenregionen Asiens verwüstetet, hat auch die Korallenriffe schwer beschädigt. Zudem bedrohen Überfischung und Umweltverschmutzung das einzigartige Ökosystem.

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Foto: ddp

Es scheint ein Traumjob für wenige Glückliche: Riff-Forscher. Arbeiten, wo andere den mühsam zusammengesparten Urlaub verbringen, Tauchgänge in eine phantastische Unterwasserwelt von unerhörtem Artenreichtum. Von wegen. Denn tatsächlich ist maritime Tropenökologie gar nicht so romantisch. Zum Beispiel für Jamaludin Jompa: Er ist Direktor des Zentrums für Korallenriff-Forschung an der Hasanuddin University in Makassar auf Sulawesi, Indonesien. Sein Arbeitsalltag ist ein ständiger bürokratischer Kampf um das finanzielle Überleben und gegen das Desinteresse an der Welt unter dem Wasserspiegel.

Ein weiteres Problem: Der Tsunami, der am 26. Dezember 2004 weite Küstenregionen Asien verwüstete. Erste Stimmen im Schock der Katastrophe befürchteten enorme Schäden auch an den thailändischen und indonesischen Riffen. Ganz so schlimm ist es nicht gekommen. Für Indonesien gibt es auch heute nur Schätzungen, für Thailand aber liegen exakte Zahlen vor: 13 Prozent der Riffe wurden zerstört oder schwer beschädigt. Weniger als befürchtet, aber immer noch sehr viel, sagt Claudio Richter vom Zentrum für Marine Tropenökologie an der Uni Bremen. "Die Korallen sind teilweise in riesigen Blöcken wie Projektile durch die Luft geflogen. Da sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen." Richter hat die Riffe 2005 selbst in Augenschein genommen.

Hinzu kommt ein Langzeiteffekt durch Trübung des Wassers und Bedeckung der Korallen mit Sedimenten vom Meeresboden - beide Phänomene sind Gift für das hochempfindliche Ökosystem. Die Erholung schreite aber offenbar recht rasch voran, so Richter, denn die Korallen ließen ihre Larven in erstaunlich großer Zahl durchs Meer treiben und besiedelten so auch fast zerstörte Riffgebiete neu.

Der Massentourismus trägt zur Erholung bei

Umstritten bleibt, wie groß die Schutzwirkung eines Riffs für die Küste ist. Während Kollegen einen "Bollwerk-Effekt" abstreiten, ist für Richter eine Abschirmung des Festlandes vor Großwellen eindeutig. "Die Riffe konnten zwar den Tsunami nicht abhalten, aber ohne sie hätte es noch schlimmer ausgesehen." Eine Schutzfunktion können aber nur gesunde, intakte Korallenkolonien wahrnehmen.

Deshalb wird neben der "klassischen" Forschung das "Riff-Management" immer wichtiger, die Frage nach Bewahrung und Nutzung der Riffe. Für Jamaludin Jompa sind Korallen nicht nur ein ökologischer, sondern auch ein ökonomischer Faktor, besonders in Entwicklungsländern wie Indonesien, die von der Fischerei abhängig sind.

Durch gedankenlosen Umgang mit dem Ökosystem werden hier täglich verheerende Schäden angerichtet: So werfen Fischer gelegentlich sogar ein paar Stangen Dynamit aufs Riff, um danach die toten Fische einfach einzusammeln. Übermäßige Nutzung der Tierbestände ist im bevölkerungsreichen Indonesien ein weiteres Problem. Jompa spricht von einem "alarmierenden Zustand" der Riffe. Dringend nötig seien Maßnahmen, um die Funktionsweise der Korallenriffe zu verstehen. Nur so könne man Strategien entwickeln, sie zu bewahren.

Entscheidend sei daher auch, so Jompa, ein Bewusstsein für die wirtschaftliche und biologische Bedeutung der Riffe zu schaffen. Dabei habe selbst der Massentourismus seine guten Seiten: Immer mehr Menschen nähmen so die Einzigartigkeit des Ökosystems wahr. Zudem entstünden in stark "betauchten" Riffgegenden unfreiwillig Naturschutzgebiete, da hier wegen der Touristen nicht mehr gefischt werden könne. Es klingt paradox, aber die Urlauberströme tragen zur Erholung der Riffe bei.

Viele Tropenökologen sind darum vorsichtig optimistisch für die Zukunft - nicht zuletzt, weil nach dem Tsunami der Stellenwert der Riff-Forschung gestiegen ist. Es klingt zynisch, was Jamaludin Jompa sagt, aber es ist ganz anders gemeint: "Diese Katastrophe könnte sich für die Riffe im Nachhinein als versteckter Segen erweisen."

(Rheinische Post)
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