Düsseldorf Fukushima – die Woche nach dem Unglück

Düsseldorf · Der Kraftwerksbetreiber Tepco hat mehr als 2000 Bilder vom Reaktorunglück im März 2011 veröffentlicht. Sie dokumentieren Zerstörung und Hilflosigkeit. Derzeit werden die Ruinen mit Kunststoffhüllen geschützt.

Die Arbeiter stehen vor zertrümmerten Gebäuden, Flure und Treppenhäuser sind unzugänglich, die Kontrollräume teilweise zerstört oder künden mit den umgestürzten Stühlen von hektischer Betriebsamkeit. Löschfahrzeuge kühlen die Reaktoren.

Fast zwei Jahre nach dem Reaktorunglück von Fukushima hat der Betreiber Tepco 2145 neue Fotos aus den ersten vier Wochen nach dem Unglück veröffentlicht. Sie entstanden zwischen dem 15. März und dem 11. April 2011 und zeugen von der Hilflosigkeit der am Unglücksort verbliebenen Techniker und Feuerwehrleute, die teilweise mit bloßen Händen vor Trümmern stehen. Die Zerstörung ist offensichtlich. Die Fotos geben aber keine Auskunft über die Radioaktivität, der die Belegschaft ausgesetzt war.

Fast zwei Jahre nach dem Reaktorunglück sind längst nicht alle Trümmer geräumt. Mit Robotern und Ballons messen die Katastrophenverwalter die radioaktive Strahlung auf dem Gelände und in den Gebäuden. Viele Stellen können von Menschen noch immer nicht betreten werden, weil die Radioaktivität, die überall erhöht ist, dort sogar eine tödliche Dosis hat. Ein Besucher schrieb: Nicht einmal Ratten haben diesen Ort besiedelt.

Deshalb besteht die Hoffnung für Fukushima derzeit aus Kunststoff: eine dicke Polyesterhülle, die zusätzlich mit PVC beschichtet ist. Dieser Plastikmantel dient als Schutz für den durch Explosionen teilweise zerstörten Block 4 des havarierten Atomkraftwerks an der japanischen Küste. 53 Meter misst die Stahlkonstruktion, die den Schutzmantel trägt, in der Höhe, 70 Meter lang und halb so breit. Es ist die zweite Kunststoffhülle im Kampf gegen die Folgen des atomaren Super-Gaus. Der Reaktorblock 1 wurde im Frühjahr 2012 mit einer ähnlichen Konstruktion notdürftig gesichert. Für den dritten Reaktor wurden im November entsprechende Pläne vorgestellt.

Das ist eine der bitteren Wahrheiten von Fukushima: Fast zwei Jahre, nachdem der verheerende Tsunami nach einem Erdbeben die Reaktorblöcke von Fukushima zur teilweisen Kernschmelze brachte, beschäftigen sich die Bergungsarbeiten noch immer mit dem Notwendigsten. Die noch standfesten Ruinen sollen wenigstens gegen das Wetter geschützt werden. Außerdem wird der Plastikmantel künftig einen Teil der Strahlung zurückhalten, wenn irgendwann (vielleicht im nächsten Jahr) mit der Bergung der radioaktiven Brennelemente in den drei Abklingbecken begonnen wird. Mehr als zweitausend liegen dort.

Ihr Abtransport soll der erste Schritt beim Abriss der Reaktorruinen sein, für dessen Dauer der Betreiber Tepco optimistisch 40 Jahre veranschlagt hat. Der schwierigste Teil dieser lebensgefährlichen Aufräumarbeiten steht ganz am Ende: Der Umgang mit dem Brennmaterial in den Reaktoren, die am 11. März in Betrieb waren, als die Kühlung ausfiel, weil die Notstromaggregate keinen Strom mehr lieferten.

Die Welt zitterte damals vor der Kernschmelze, die in allen drei Reaktorblöcken stattfand – eine weit größere Katastrophe wurde nur verhindert, weil die Sicherheitsummantelung der Reaktoren damals und heute dem Druck standhielt. Doch für diese Bergung fehlt bisher noch eine funktionierende Technologie.

Zu den bitteren Wahrheiten von Fukushima gehört auch der verzweifelte Kampf der Bauern gegen die Radioaktivität. In den letzten Monaten mussten die Behörden immer wieder den Verkauf von Reis untersagen. Dabei waren die Äcker schon Anfang 2012 wieder freigegeben worden. Auch das Meer vor Fukushima wird noch sehr lange brauchen, die radioaktive Fracht zu verarbeiten. Ende 2012 wurde der Fischfang wieder ausgesetzt, weil in den Netzen zu hohe Radioaktivität gemessen wurde.

Wissenschaftler haben die radioaktiven Belastung bis zum Jahre 2045 vorhergesagt: Ein Großteil des Sperrgebiets wird auch dann noch verseucht sein. In manchen Teilen der Region werden neue "Hot Spots" gefunden: Stellen, wo durch Witterungseinflüsse oder topologische Besonderheiten höhere und gefährliche radioaktive Werte gemessen werden. Dennoch wird die Sperrzone nicht ausgeweitet. Die Verantwortlichen bereiten die Menschen darauf vor, mit der Radioaktivität in ihrer Umgebung zu leben und den Geigenzähler als täglichen Begleiter zu akzeptieren.

(RP)
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